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Ines Gollnick
Die Authentische: Christa Nickels
Parlamentarisches Profil
Christa Nickels war die erste Krankenschwester im Deutschen
Bundestag, als die Grünen 1983 zum ersten Mal ins Plenum
einzogen. Und sie war die erste Krankenschwester in
Regierungsfunktion in ihrer Zeit als Parlamentarische
Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit von
Oktober 1998 bis Januar 2001. Daran erinnert die klassische
Gründungsgrüne ganz gern, wenn sie über ihre
politische Biografie reflektiert. Nicht nur, um sich selbst auf die
Schulter zu klopfen, vielmehr, um zu vermitteln, was möglich
ist, wenn der entsprechende Antrieb da ist.
Mit Unterbrechungen, ausgelöst durch die Rotation,
gehört sie dem Bundestag 16 Jahre an. Sie ließ sich nicht
politisch versorgen, als sie das Mandat abgeben musste, weil sie
das verlogen fand, sondern ging von 1991 bis 1994 wieder in ihren
Beruf zurück und machte währenddessen eine Ausbildung zur
Fachkrankenschwester mit Examen. "Viele Kollegen aus Politik und
Pflege haben mir prophezeit, dieser bruchlose Umstieg vom Parlament
in die Intensivstation sei unmöglich. Es hat mir
außerordentlich viel abverlangt. Ich habe mich zwei Jahre
sozusagen bei den Grünen abgemeldet, weil Beruf und Ausbildung
meine ganze Kraft beansprucht haben", erzählt sie im
Gespräch mit "Das Parlament" in ihrem Haus am Niederrhein.
1994 kehrte sie auf Listenplatz eins in NRW wieder in den Bundestag
zurück. Seitdem ist sie kirchenpolitische Sprecherin ihrer
Fraktion. Sie leitete jahrelang den Petitionsausschuss des
Bundestages, übernahm dann das Regierungsamt als
Staatssekretärin bis zum Rücktritt von
Gesundheitsministerin Andrea Fischer und war Drogenbeauftragte der
Bundesregierung. Nickels sitzt außerdem in der
Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin". Und seit
Frühjahr 2001 ist sie Vorsitzende des Bundestagsausschusses
für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Dem
Politikschwerpunkt kann sie viel abgewinnen: "Es ist interessant,
Außenpolitik zu machen. Der Menschenrechtsausschuss ist kein
Einzelfallausschuss. Es ist sehr reizvoll, an einer langen Linie
entlang zu arbeiten." Der Ausschuss sei einer mit eingebauter
Glaubwürdigkeit, denn er sei nicht nur für
auswärtige Menschenrechtspolitik zuständig, sondern auch
für den Menschenrechtsschutz in Deutschland. "Das ist ein
nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn man mit Staaten wie
beispielsweise China oder anderen redet, die Probleme mit
Menschenrechten haben." Man könne auf diese Funktion hinweisen
und Beispiele nennen. Dann sei der Verdacht, "Fingerpointing" zu
betreiben, schnell auszuräumen.
Nickels setzt auf Strukturen. Mit System zu arbeiten, ist ihr
wichtig, um sich nicht zu verzetteln. So hat der Ausschuss unter
ihrer Leitung Länderschwerpunkte gesetzt und auch einen
Jahresschwerpunkt wie 2004 "Menschenrechtliche und humanitäre
Situation in Afrika" oder 2003 "Menschenrechte und Islamisches
Recht". Länderschwerpunkte sind unter anderem die Türkei,
Russland und China. Als ganz wesentlichen Schwerpunkt nennt sie
auch Afghanistan.
Nickels hat häufig Situationen erlebt, wo sich Menschen in
existenziell schwierigen Lagen befanden. Das kennt sie aus ihrem
Beruf. Das erlebt sie nun in der Politik wie im Frühjahr auf
der Reise nach Darfur im Sudan. "Ich glaube, Darfur zeigt, dass man
mit zäher Beharrlichkeit etwas ausrichten kann. Wir haben noch
im Flugzeug erfahren, dass man uns die Visa und die
Einreiseerlaubnis entzogen hatte. Wir haben uns trotzdem
entschieden, sitzen zu bleiben. Auf dem Flugfeld haben die
Sudanesen uns nicht des Landes verwiesen. Wir haben darauf
bestanden, Darfur wie geplant zu besuchen. Die Regierung ging auf
Tauchstation. Wir haben dann zig Gespräche mit nationalen und
internationalen Hilfsorganisationen und Menschen geführt, die
noch Angehörige in Darfur haben, und so ein sehr genaues Bild
der Lage erhalten", sagt Nickels. "Man muss bestimmte Punkte
identifizieren, die existenziell für die Menschen sind,
bestimmte Absprachen treffen, ganz konsequent sein und sich nicht
von Floskeln und Begründungen abhalten lassen, sondern die
entsprechende Umsetzung verlangen", beschreibt Nickels die
Erfahrung. Wenige Tage nach der Rückkehr der
Ausschuss-Delegation habe es einen erheblich verbesserten Zugang
für humanitäre Organisationen gegeben. "Das ist
übrigens eine schöne Erfahrung, wenn man in hochkomplexen
Zusammenhängen bei intensiver Arbeit auch mit
Nichtregierungsorganisationen so ein Muster herausarbeitet, welches
ein Mosaikstein für eine grundlegende Strategie der
Verbesserung in solchen Ländern sein könnte", so
Nickels.
Mit Erfahrungen, die an die persönliche Substanz gehen,
kann die 52-Jährige umgehen, sagt sie. Selbstverständlich
seien Politiker keine Abenteurer. Vielmehr gehe es darum,
kalkulierte Risiken in Kauf zu nehmen, wenn man etwas bewegen
wolle. "Wenn man im menschenrechtspolitischen Bereich etwas
verändern will, muss man fähig sein, schonungslos
schlimme Situationen auch anzusehen und das auszuhalten. Wenn man
das nicht kann, sondern den Drang hat, sich seitlich in die
Büsche zu schlagen, sich die Regierungen schönerzureden
oder nur den Bereich zu identifizieren, wo es aufwärts geht,
dann sollte man es besser sein lassen", meint Nickels.
Dass sie sich vor 25 Jahren den Grünen anschloss, hat viele
Auslöser gehabt, beispielsweise, dass Ende der 70er-Jahre von
Vorläuferparteien der Grünen der Europawahlkampf mit ganz
neuen Themen, auch umweltpolitischen, geführt wurde, aber auch
damit, dass bei den Grünen jeder gebraucht wurde. "Das ist
auch heute noch so. Es hängt von jedem Einzelnen mit ab", so
Nickels. Für sie sei das Wichtigste, dass Menschen bei den
Grünen sehr schnell die Möglichkeit bekommen, mit an den
Rahmenbedingungen für gesellschaftliches Handeln zu arbeiten.
Dass es schwierige Entscheidungen für eine
Gründungspolitikerin der Grünen in den vergangenen Jahren
gegeben hat, verhehlt Nickels nicht. Insbesondere das Abweichen vom
absoluten Nein zu Militäreinsätzen.
Und wie findet sie selbst die so notwendige Distanz, um Kraft zu
tanken? Sie selber könne sehr gut und schnell abschalten. Ein
Garten und unzählige Bücher helfen ihr dabei. In der
Nähe von Heinsberg wohnt Nickels landschaftlich in der
reinsten Idylle. Und gar nicht weit von ihrem eigenen Haus ist sie
aufgewachsen, als ältestes von acht Kindern auf einem
Bauernhof. Geprägt hat sie das katholische
Mädchengymnasium St. Ursula, wo sie auch mit ersten
politischen Themen wie dem Vietnamkrieg in Berührung kam und
wo sie die Haltung kennen lernte, dass der Glaube kein
Privatvergnügen sei, sondern auch Motivation dafür, dass
man etwas tun müsse, anpa-cken, damit es Menschen besser geht.
Diese Philosophie bestimmt auch ihre politische Arbeit.
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