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Günter Pursch
Europa braucht starke Führung
Schäuble: Keine Außenpolitk auf
nationalen Sonderwegen
Europa braucht eine starke und
handlungsfähige Führung. Dies hob
Bundesaußenminister Joseph Fischer in einer
Regierungserklärung am 11. November vor dem Bundestag in
Berlin zu den Ergebnissen des Treffens der EU-Staats- und
Regierungschefs am 4. und 5. November in Brüssel hervor. Die
Bundesregierung unterstütze die neue Kommission von José
Manuel Barroso. Zugleich lobte er das Europäische Parlament,
das mit seinem Widerstand gegen das erste Personalpaket des neuen
Kommissionspräsidenten zu seiner eigenen Stärkung
beigetragen habe.
Fischer ging auch auf den Tod des
palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat ein. Es
müsse sichergestellt werden, dass kein Machtvakuum entsteht.
Der israelische Rückzugsplan für Gaza eröffne eine
Chance, einen beispielhaften Schritt auf dem Weg zu zwei Staaten
nach dem Friedensplan Roadmap zu machen.
Den Iran forderte Fischer auf, im Atomstreit
einzulenken. Eine "militärische Nuklearisierung" des Landes
würde zu einer "gefährlichen Entwicklung" in der gesamten
Region führen. Sie gehöre schon heute zu den
gefährlichsten Regionen. Er bedauerte gleichzeitig, dass
bislang bei den Verhandlungen der EU mit der iranischen Regierung
in Paris noch kein Durchbruch erzielt werden konnte.
Der Außenminister bestritt, dass es auf
dem Gipfel zu Kontroversen mit dem als Gast teilnehmenden
irakischen Ministerpräsidenten Ajad Alawi gekommen sei. Dieser
habe sich vielmehr für die Zukunftsinvestitionen aus Europa
bedankt. Hier erntete Fischer heftigen Widerspruch des
stellvertretenden CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang
Schäuble. Wenn dem so sei, warum habe dann Bundeskanzler
Schröder von einem "Lapsus sprachlicher Art" gesprochen, so
Schäuble. Alawi habe nämlich zuvor Deutschland und
Frankreich wegen ihrer "Zuschauerhaltung" während des Krieges
kritisiert. "Beim Problem Irak können wir aber keine
Zuschauerhaltung gebrauchen", erkärte der Unionspolitiker.
Weiter kritisierte Schäuble, dass Fischer in seiner
Regierungserklärung mit "keinem Wort" das Verhältnis
zwischen Europa und den Vereinigten Staaten nach der Wiederwahl von
US-Präsident George W. Bush erwähnt habe. Schäuble
wörtlich: "Das ist ein Skandal." Er forderte daher die
Bundesregierung auf, nicht "Außenpolitik auf nationalen
Sonderwegen" zu machen. Sie solle auf verlässliche
europäische Zusammenarbeit, auf die Gemeinsamkeit aller und
auf verlässliche atlantische Partnerschaft, nicht jedoch auf
die Dominanz von Achsen setzen.
Für die SPD hob die stellvertretende
Fraktionsvorsitzende Angelica Schwall-Düren hervor, der
EU-Binnenmarkt brauche im Dienstleistungsbereich "noch eine
Vereinheitlichung, eine konkrete Dynamiserung". Die Entwicklung
dieses Wachstumspotenzials sei eine ganz entscheidende
Zukunftsinvestition. Dabei dürften keine Sozial-,
Qualitäts- und Sicherheitsstandards aufgegeben werden. Sie
wies ferner darauf hin, dass nach einer dreijährigen Phase
wirtschaftlicher Stagnation bei der Gestaltung des einheitlichen
europäischen Binnenmarktes eine Reihe "richtungsweisender
Reformen" auf den Weg gebracht wurden. Hier nannte sie die
Integration der Energie-, Finanz- und
Kapitalmärkte.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang
Gerhardt bemerkte, dass nach der Wiederwahl von US-Präsident
Bush auf dem Gipfel eine Diskussion darüber hätte
geführt werden müssen, wie jetzt das transatlantische
Potenzial eingesetzt werden kann, um die weltweit anstehenden
Probleme zu lösen. Es könnten weder die Fragen des Iraks,
die des Irans noch die Palästinas und Israels gelöst
werden, "ohne dass dieses geostrategische Potenzial gewinnbringend"
eingesetzt werde.
Um "Europa den Menschen" vermitteln zu
können, ist nach den Worten der Abgeordneten Ulrike
Höfken von Bündnis 90/Die Grünen erforderlich, dass
"wichtige und positive Entwicklungen" in der Europäischen
Union in den Vordergrund gestellt werden. Dazu gehöre die
"Unterzeichnung der EU-Verfassung durch die Regierungschefs". Diese
Verfassung bedeute für die Menschen auf diesem Kontinent mehr
Demokratie, mehr Transparenz und die Stärkung des
Europäischen Parlamentes. Die Grundrechte-Charta der EU
verstehe Europa nicht nur als Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch
als Wertegemeinschaft.
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