Petitionsausschuss, Kurzfassung des Jahresberichtes 1996 / II
II. Einzelfälle
1. Aufenthaltsrecht für ehemalige DDR-Vertragsarbeiter aus Angola, Mosambik und Vietnam
Der Petitionsausschuss befaßte sich mit der Eingabe eines
ehemaligen DDR-Vertragsarbeitnehmers aus Mosambik, dem trotz
langjährigen Aufenthalts in Deutschland die Ausweisung
drohte.
Der Petent, Vertragsarbeitnehmer der DDR bis 1990 und nach der
Wende in Hessen wohnhaft, war wegen Diebstahls einer CD im Wert von
32 DM zu einer geringen Geldstrafe verurteilt worden. Wegen dieser
vorsätzlichen Straftat drohte dem Petenten die Ausweisung aus
Deutschland. Grundsätzlich hatte der Petent zwar einen
Anspruch auf eine Aufenthaltsbefugnis aus humanitären
Gründen. Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ist nach
einem Erlaß des Hessischen Ministeriums des Innern jedoch
dann ausgeschlossen, wenn ein Ausländer wegen einer Vorsatztat
bestraft worden ist. Der hessische Erlaß beruht auf der
Vorgabe des Bundesministeriums des Innern (BMI), dessen
Einvernehmen für ein solches Aufenthaltsrecht aus
humanitäten Gründen erforderlich ist.
Aus diesem Grund sah sich der Petitionsausschuss des Hessischen
Landtags, an den sich der Petent zunächst gewandt hatte,
gehindert, ihm zu helfen.
In seiner zu der Petition eingeholten Stellungnahme verwies das BMI
darauf, daß bei der Einvernehmenserklärung bewußt
keine Differenzierung nach Strafgrund und Strafhöhe getroffen
worden sei. Ausländer, die eine vorsätzliche Straftat
begingen, brächten zum Ausdruck, daß sie nicht gewillt
seien, sich hinreichend zu integrieren und die deutsche
Rechtsordnung zu respektieren.
Diese Ausführungen vermochten den Ausschuss nicht zu
überzeugen. Er vertrat die Auffassung, daß diese
Handhabung nicht sachgerecht sei und überdies im Widerspruch
zu ähnlichen ausländerrechtlichen Regelungen stehe. So
habe das BMI bei der im Jahre 1996 beschlossenen sog.
Härtefallregelung für ausländische Familien mit
langjährigem Aufenthalt in Deutschland, durchaus anerkannt,
daß geringfügige Geldstrafen für die Zuerkennung
eines Aufenthaltsrechts außer Betracht bleiben könnten.
Hinzu komme, daß der Diebstahl geringwertiger Sachen im
Strafgesetzbuch nur sehr gering sanktioniert sei. Der Verlust des
Aufenthaltsrechts als weitere, indirekte Sanktion wäre
demgegenüber unverhältnismäßig, zumal sie den
Ausländer in seiner Existenz treffe. Nach Ansicht des
Ausschusses sollte vielmehr bei der Beurteilung der
sozialverträglichen Integration die Geringfügigkeit der
Straftat und die Frage eventueller Vorstrafen zukünftig
berücksichtigt werden.
Der Ausschuss hielt daher die Einverständniserklärung des
BMI grundsätzlich für beanstandenswert, soweit sie bei
dem Kriterium "vorsätzliche Straftat" nicht in der oben
beschriebenen Weise differenziert. Auf den Vorschlag des
Petitionsausschusses hin überwies der Deutsche Bundestag die
Eingabe dem BMI zur Erwägung mit dem Ziel, hinsichtlich der
Einvernehmenserklärung nach Möglichkeiten der Abhilfe zu
suchen.
Das BMI hat dem Ausschuss zwischenzeitlich mitgeteilt, daß
die Bleiberechtsregelung für ehemalige Vertragsarbeitnehmer
zwischenzeitlich erweitert worden ist.
Danach können bei einer vorsätzlichen Straftat
Verurteilungen zu Geldsätzen von bis zu 50 Tagessätzen
außer Betracht bleiben, soweit die Straftat vor dem 1. Juni
1993 begangen worden ist. Grund für den Stichtag sei,
daß ab diesem Datum die Bleiberechtsregelung in Kraft
getreten sei und den Betroffenen ab diesem Zeitpunkt die
Konsequenzen einer vorsätzlichen Straftat klar gewesen sein
müsse.
Für den Petenten führt diese Neuregelung zu dem
gewünschten Bleiberecht.
2. Gewährung von Beihilfe für Säuglings- und Kleinkinderausstattung
Ein im öffentlichen Dienst beschäftigtes Ehepaar
wandte sich in einer Beihilfeangelegenheit an den
Petitionsausschuss. Den Eheleuten war aus Anlaß der Geburt
ihrer Tochter nur die Hälfte der einem Beihilfeberechtigten
zustehenden Säuglings- und Kleinkinderausstattung gewährt
worden. Hierdurch fühlten sich die halbtags als Angestellte
beschäftigte Ehefrau und ihr vollzeitbeschäftigter
Ehemann ungerechtfertigt benachteiligt.
Für die nur anteilige Gewährung der Beihilfe für
Säuglings- und Kleinkinderausstattung war der Wortlaut des
§ 11 Abs. 2 der Beihilfevorschriften entscheidend. Dieser sah
vor, daß im Falle der Beihilfeberechtigung beider Elternteile
die Beihilfe für die Säuglings- und
Kleinkinderausstattung in Höhe von 250 DM der Mutter zu
gewähren sei. Da bei teilzeitbeschäftigten Angestellten
nur ein anteiliger Anspruch auf Beihilfe entsprechend der
vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit besteht, wurde der
halbtags arbeitenden Mutter nur die Hälfte der Beihilfe
für Säuglings- und Kleinkinderausstattung in Höhe
von 125 DM gewährt. Die Petenten trugen vor, daß diese
Regelung alle im öffentlichen Dienst beschäftigten
Ehepaare benachteilige, bei denen der Ehemann bzw. Vater des Kindes
vollbeschäftigt und die Ehefrau bzw. Mutter des Kindes nur
teilzeitbeschäftigt sei. Dies sei mit der politischen
Zielsetzung, Teilzeitarbeit im öffentlichen Dienst zu
fördern, nicht zu vereinbaren. Wäre die Ehefrau im
öffentlichen Dienst wie ihr Ehemann vollzeitbeschäftigt,
so würde die volle Beihilfe gewährt. Gleiches würde
auch dann gelten, wenn sie gar nicht im öffentlichen Dienst
beschäftigt wäre.
Das zu der Petition um Stellungnahme gebetene BMI entsprach dem
Anliegen der Petenten und änderte § 11 Abs. 2 Satz 3 der
Beihilfevorschriften zum 1. Juli 1996. Es wurde ein Wahlrecht
eingeführt, mit dem gewährleistet ist, daß die
Pauschalbeihilfe im vorliegenden Fall künftig in voller
Höhe geltend gemacht werden kann. Zwar gelte die Vorschrift
noch nicht für die Zeit vor dem 1. Juli 1996. Im Hinblick auf
das mit der Rechtsänderung gewollte Ergebnis und das noch
anhängige Widerspruchsverfahren der Petenten veranlaßte
das BMI, daß dem Ehemann ausnahmsweise die andere Hälfte
der Pauschalbeihilfe in Höhe von 125 DM gezahlt wurde.
Somit konnte dem Anliegen der Petenten entsprochen werden.
3. Entschädigung für rumänische NS-Opfer
Ein rumänischer Jude bat um eine Entschädigung
für während des Zweiten Weltkrieges geleistete
Zwangsarbeit und einen dabei erlittenen Unfall. Er erklärte,
er sei von den Nationalsozialisten 1941 zur Zwangsarbeit in
Steingruben im Gebiet der ehemaligen UdSSR verschleppt worden. An
den Folgen eines während der Zwangsarbeit erlittenen Unfalls
müsse er heute noch leiden. Vergeblich habe er versucht, von
deutschen Behörden eine Entschädigung zu erhalten.
Das vom Ausschuss um Stellungnahme gebetene Bundesministerium der
Finanzen (BMF) erklärte, daß die Zuerkennung von
Entschädigungsleistungen nach dem
Bundesentschädigungsgesetz wegen Ablaufs der Antrags- und
Anmeldefristen nach den Wiedergutmachungsregelungen seit dem 1.
Januar 1970 ausgeschlossen sei. Im übrigen seien nur dann
Leistungen gewährt worden, wenn die Verfolgten in einer
räumlichen Beziehung zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
gestanden hätten und nicht in einem anderen Staat
ansässig waren. Das BMF legte dar, der damalige Gesetzgeber
sei zu dieser Abgrenzung gezwungen gewesen, da eine Ausdehnung auf
NS-Verfolgte in allen Staaten zu finanziell nicht mehr tragbaren
Lasten geführt hätte.
Die auch um Stellungnahme gebetene Claims Conference, die die
Interessen jüdischer NS-Verfolgter gegenüber Deutschland
vertritt, führte aus, sie verfüge über Finanzmittel
aus zwei Fonds, dem sog. Hardship-Fonds, aufgelegt im Jahre 1980
und einem Fonds aus dem Jahre 1990, der aufgrund einer Vereinbarung
des BMF und der Claims Conference anläßlich des
Einigungsvertrages zustande gekommen war. Für beide Fonds sei
die Erfüllung bestimmter territorialer Voraussetzungen
erforderlich. Auch der Claims Conference sei es deshalb nicht
möglich, Anträge aus den Härtefonds zu bewilligen,
wenn der Antragsteller seinen Wohnsitz in Rumänien oder in
einem anderen Staat des ehemaligen Ostblocks noch innehabe.
Der Ausschuss bedauerte, daß dem Petenten nach den geltenden
Wiedergutmachungsregelungen aufgrund seines Wohnsitzes in
Rumänien kein Entschädigungsanspruch zukomme. Er war
jedoch der Auffassung, daß ihm und auch dem betroffenen
Personenkreis geholfen werden müsse.
Bereits in den zurückliegenden Wahlperioden hat im Parlament
eine intensive Auseinandersetzung darüber stattgefunden,
inwieweit Opfern von NS-Gewalttaten über das geltende Recht
hinaus Entschädigung gezahlt werden sollte. Zwar wurden und
werden nach wie vor Milliardenbeträge für Opfer der
nationalsozialistischen Verfolgung zur Verfügung gestellt.
Jedoch sind NS-Verfolgte in den Staaten des ehemaligen Ostblocks
von den bisher erbrachten Leistungen größtenteils
ausgenommen, da sie aufgrund ihres Wohnsitzes nicht die
territorialen Voraussetzungen erfüllen.
Darüber hinaus sind in vielen Staaten Westeuropas in den 50er
und 60er Jahren Globalabkommen zugunsten von durch NS-Unrechtstaten
geschädigten Staatsangehörigen dieser Länder
abgeschlossen worden. Mit den osteuropäischen Staaten gab es
hingegen keine derartigen generellen
Wiedergutmachungsvereinbarungen. Nach der Vereinigung und nach der
Überwindung des Ost-West-Gegensatzes sind dann von der
Bundesrepublik Deutschland mit verschiedenen Staaten des ehemaligen
Ostblocks Vereinbarungen zugunsten von NS-Opfern abgeschlossen
worden, durch die erhebliche finanzielle Mittel für die
zwischenzeitlich gegründeten Stiftungen in Polen, in der
Republik Belarus, in der russischen Föderation und in der
Ukraine zur Verfügung gestellt wurden. Im Hinblick auf
Rumänien besteht allerdings die Besonderheit, daß der
rumänische Staat in den Friedensverträgen von 1947 auf
Ansprüche gegen das Deutsche Reich aus dem Zweiten Weltkrieg
verzichtet hat.
Der Ausschuss war der Ansicht, daß eine dahingehende
Differenzierung für das einzelne Opfer, das von NS-Gewalttaten
betroffen war, zu wenig befriedigenden Ergebnissen führe. Der
Ausschuss erklärte, daß der Verzicht Rumäniens auf
Reparationsforderungen einer humanitären Hilfe, etwa durch
Gründung einer Stiftung oder durch Sachleistungen, nicht
entgegenstehe. Hierbei müsse auch das meist hohe Alter der
überlebenden Opfer und die schwierige wirtschaftliche Lage
Rumäniens bedacht werden.
Der Ausschuss empfahl daher, die Petition der Bundesregierung - dem
BMF - als Material zu überweisen, damit sie bei
zukünftigen Initiativen, etwa zur Schaffung einer Stiftung, in
die Erwägungen einbezogen werde. Ferner empfahl er, die
Petition den Fraktionen des Bundestages zur Kenntnis zu geben, weil
sie als Anregung für eine parlamentarische Initiative geeignet
erschien. Schließlich empfahl der Ausschuss, das
Petitionsverfahren im Einzelfall abzuschließen, weil wegen
der geltenden Rechtslage dem Anliegen des Petenten nicht
entsprochen werden konnte.
Mittlerweile hat das BMF in einem Zwischenbericht mitgeteilt, es
hätten interfraktionelle Gespräche unter Beteiligung des
Ministeriums stattgefunden. Dabei sei Übereinstimmung
dahingehend erzielt worden, daß mit den mittel- und
osteuropäischen Staaten, mit denen bislang globale
Entschädigungsabkommen nicht geschlossen worden seien,
Gespräche aufgenommen werden, um eine
Entschädigungsmöglichkeit für NS-Opfer in diesen
Staaten zu erreichen. Neben der Slowakei, Bulgarien, Ungarn und den
Nachfolgestaaten Jugoslawiens gehöre hierzu auch
Rumänien. Dabei sei an die Errichtung von Stiftungen in
Anlehnung an die in Polen und den GUS-Staaten eingerichteten
Stiftungen "Verständigung und Aussöhnung" für
besondere Härtefälle gedacht. Die Bundesrepublik
Deutschland sei bereit, ein finanzielles Gesamtvolumen von maximal
80 Mio. DM zur Verfügung zu stellen. Die Aufteilung auf die
Empfängerstaaten müsse entsprechend der Zahl der zu
berücksichtigenden NS-Opfer erfolgen.
Das BMF sicherte dem Ausschuss zu, ihn über den weiteren
Fortgang der Verhandlungen zu berichten.
4. Kennzeichnung des Energieverbrauchs bei Hausgeräten
Ein Naturschutzverband forderte die Umsetzung einer
EU-Rahmenrichtlinie (92/75/EWG), die eine Kennzeichnung des
Energieverbrauchs bei allen elektrischen Hausgeräten
vorsieht.
Die Bürgerinitiative trug vor, entgegen den bindenden Vorgaben
der EU sei diese Richtlinie bislang durch die Bundesrepublik
Deutschland noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden.
Deshalb seien die Händler von Kühl- und
Gefriergeräten derzeit nicht verpflichtet, ein entsprechendes
Etikett an den Geräten anzubringen. Da die Verbraucher somit
den Energieverbrauch von Haushaltsgeräten nicht vergleichen
könnten, könnten sie auch keine für die Umwelt und
ihren Geldbeutel positive Kaufentscheidung treffen.
Der Ausschuss holte eine Stellungnahme des Bundesministeriums
für Wirtschaft (BMWi) ein. Dieses räumte ein, daß
die EU-Richtlinie zur Energieverbrauchskennzeichnung in der Tat
noch nicht in nationales Recht umgesetzt worden sei. Es
bedürfe hierzu nach deutschem Verfassungsrecht zuvor einer
gesetzlichen Ermächtigung. Ein im Jahre 1994 vorgesehener
Gesetzentwurf, mit dem eine solche Ermächtigung geschaffen
werden sollte, habe wegen des Ablaufs der 12. Legislaturperiode zum
Ende des Jahres 1994 nicht mehr fristgerecht im Deutschen Bundestag
behandelt werden können.
Der Ausschuss empfahl deshalb, die Petition der Bundesregierung -
dem BMWi - als Material zuzuleiten, damit sie bei der Vorbereitung
eines entsprechenden Gesetzentwurfs in der laufenden Wahlperiode
einbezogen werden kann. Auch empfahl der Ausschuss, die Eingabe den
Fraktionen des Deutschen Bundestages zur Kenntnis zuzuleiten, weil
sie als Anregung für eine parlamentarische Initiative geeignet
erschien.
Mittlerweile hat das BMWi mitgeteilt, ein entsprechender
Gesetzentwurf der Bundesregierung sei dem Deutschen Bundestag zur
Beschlußfassung nunmehr vorgelegt worden (BT-Drs. 13/6723).
Nach Inkrafttreten des Gesetzes werde die erforderliche
Rechtsverordnung unverzüglich dem Bundesrat zur Zustimmung
zugeleitet.
Dem Anliegen des Naturschutzverbandes wird damit entsprochen
werden.
5. Verbot der Nutzhaltung von Straußenvögeln
Ein Naturschutzverband forderte ein Verbot der kommerziellen
Haltung von Straußenvögeln als Nutztiere. Die Petition
wurde von mehr als 800 Bürgerinnen und Bürgern durch ihre
Unterschriften unterstützt.
Der Verband trug vor, die Savannenvögel seien in hiesigen
Gefilden als Nutztiere nicht geeignet. Ihre Bewegungs- und
Klimabedürfnisse ließen sich nicht mit einer Haltung in
engen Gehegen und Ställen vereinbaren.
Der Petitionsausschuss forderte eine Stellungnahme des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten (BML) an, aus der sich ergab, daß die Behörden
schon nach geltendem Recht im Einzelfall die Haltung von
Straußen verbieten können. Darüber hinaus werde
derzeit geprüft, ob entsprechend einem Votum des Bundesrates
durch Erlaß einer Verordnung nach dem Tierschutzgesetz das
Halten von Straußen von einer Genehmigung abhängig
gemacht werden solle.
Ein generelles Verbot der Straußenhaltung in Deutschland
hielt das BML für unverhältnismäßig, da der
Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung auch mit
einem geringeren Eingriff als einem Verbot erreicht werden
könne. Durch die erfolgreiche Zoohaltung in deutschen
Tierparks seit Ende des vorigen Jahrhunderts und die dort
gesammelten zahlreichen Erfahrungen, sei davon auszugehen,
daß Strauße in Deutschland auch tierschutzgerecht
gehalten werden können.
Das BML verwies außerdem darauf, daß sich in
benachbarten europäischen Ländern mit ähnlichen
klimatischen Bedingungen sogar eine landwirtschaftliche
Straußenhaltung entwickelt habe. Auf Europaratsebene
würde derzeit eine Empfehlung zur Haltung von Straußen
als Nutztiere ausgearbeitet.
Der Ausschuss sah deshalb für ein generelles Verbot sowohl aus
tatsächlichen wie aus rechtlichen Gründen keinen
Anlaß. Er verneinte einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf
und schloß das Verfahren ab.
6. Keine Rückzahlung von überhöhtem Arbeitslosengeld
Eine Petentin wandte sich gegen die Forderung auf
Rückzahlung von zuviel erhaltenem Arbeitslosengeld und bat den
Petitionsausschuss um Unterstützung.
Das Arbeitsamt hatte der Petentin ein Jahr lang Arbeitslosengeld
unter Zugrundelegung einer falschen Steuerklasse gezahlt. Als es
diesen Fehler bemerkte, forderte es die Rückzahlung des zuviel
gezahlten Betrages von 2.590,80 DM mit der Begründung
zurück, daß sich die Petentin nicht auf die
Grundsätze des Vertrauensschutzes berufen könne. Sie habe
die Fehlberechnung schon allein deshalb sofort bemerken
müssen, weil der bewilligte Betrag von monatlich 795,60 DM nur
geringfügig unter dem letzten Netto-Arbeitsentgelt in
Höhe von 866,03 DM gelegen habe und sich deshalb die
Fehlerhaftigkeit "geradezu habe aufdrängen müssen".
Die Petentin hatte hiergegen eingewandt, sie sei als
Bäckereifachverkäuferin in Verwaltungsangelegenheiten und
insbesondere im Arbeitslosenrecht ein "totaler Laie". Sie habe sich
auf die Fachleute des Arbeitsamtes verlassen. Auch sei die
Rückzahlung für sie besonders schmerzlich, da ihr Ehemann
ebenfalls arbeitslos sei und sie drei Kinder hätten.
Der Ausschuss veranlaßte über das Bundesministerium
für Arbeit und Sozialordnung (BMA) eine Stellungnahme des
zuständigen Arbeitsamtes.
Nach den Bestimmungen des Zehnten Sozialgesetzbuches kommt eine
Rückzahlung nur in Betracht, wenn der durch einen
rechtswidrigen Verwaltungsakt Begünstigte auf den Bestand des
Verwaltungsaktes nicht vertrauen durfte. Auf Vertrauen kann sich
ein Begünstigter unter anderem dann nicht berufen, wenn er die
Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes infolge grober
Fahrlässigkeit nicht kannte. Grobe Fahrlässigkeit liegt
vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in
besonders schwerem Maße verletzt hat. Nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts gilt ein Verhalten als subjektiv
schlechthin unentschuldbar und damit als grob fahrlässig, wenn
schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht
angestellt werden. Die Bundesanstalt für Arbeit vertrat die
Auffassung, die Petentin habe anhand des ihr ausgehändigten
Merkblattes sowie des Bewilligungsbescheides leicht erkennen
können, daß für die Berechnung ihres
Arbeitslosengeldes eine unzutreffende Leistungsgruppe, die wiederum
an die Steuerklasse gekoppelt ist, zugrundegelegt worden war. Das
BMA hatte diese Entscheidung im Ergebnis nicht beanstandet.
Der Ausschuss konnte sich dieser Wertung nicht anschließen.
Er kam zu dem Ergebnis, daß die Petentin grundsätzlich
darauf habe vertrauen dürfen, daß die von dem Arbeitsamt
vorgenommenen Berechnungen richtig seien. Zwar sei sie verpflichtet
gewesen, den Leistungsbescheid auf seine Richtigkeit hin zu
überprüfen, jedoch könne ihr mangels
offensichtlicher Fehlberechung keine grobe
Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden. Ein Bürger
wisse vielfach nur, daß das Arbeitslosengeld niedriger
ausfalle als das zuletzt gezahlte Netto-Arbeitsentgelt. In diesem
Sinne habe bereits der Bundesgerichtshof klargestellt, daß es
einem Bürger nicht zum Verschulden gereichen kann, "wenn er
nicht klüger ist als der Beamte".
Der Ausschuss hielt daher aus Gründen des Vertrauensschutzes
eine Rückforderung des zuviel gezahlten Arbeitslosengeldes
für nicht zulässig. Er empfahl, die Eingabe der
Bundesregierung - dem BMA - zur Berücksichtigung zu
überweisen, da das Anliegen berechtigt und Abhilfe notwendig
sei.
Mittlerweile hat das zuständige Arbeitsamt seinen
Rückzahlungsbescheid aufgehoben und der Petentin den bereits
gezahlten Betrag zurückerstattet.
Ihrem Anliegen konnte damit in vollem Umfang entsprochen
werden.
7. Das Mobilitätszentrum für Blinde und Sehbehinderte auf einem Grundstück der Deutschen Bahn AG in Berlin
Ein überregionaler Blindenverein hatte in den Jahren 1986
und 1987 auf einem der Deutschen Reichsbahn gehörenden
Grundstück in Berlin ein Mobilitätszentrum für
Blinde und Sehbehinderte errichtet. In dieser Anlage werden seitdem
erblindete Menschen mit Blindenhilfsmitteln und mit der
Blindenschrift vertraut gemacht; ferner wird eine soziale
Integration gefördert. Der damalige Verband war aufgrund eines
Erlasses des Finanzministeriums der DDR berechtigt, das
Grundstück auf Dauer kostenlos zu nutzen. Als nach der
Vereinigung das Eisenbahnneuordnungsgesetz am 1. Januar 1994 in
Kraft trat, ergaben sich aus dieser Sachlage erhebliche rechtliche
Schwierigkeiten. Das fragliche Grundstück wurde zunächst
dem Bundeseisenbahnvermögen zugeordnet und sodann als
"bahnnotwendig" auf der Grundlage eines Vergleiches unentgeltlich
der Deutschen Bahn AG als Eigentum übertragen.
Das um Stellungnahme gebetene Bundesministerium für Verkehr
hatte darauf hingewiesen, daß die Deutsche Bahn AG auch
bezüglich dieses Grundstückes grundsätzlich dazu
verpflichtet sei, nach unternehmerischen Grundsätzen zu
handeln. Der marktübliche Miet- und Pachtpreis für das
Grundstück sei mit 350.000 DM im Jahr zu beziffern. Der
Blindenverband sah sich außerstande, einen derartigen
Pachtpreis aufzubringen. Er wies zudem darauf hin, daß die
Anlagen auf dem Grundstück dringend renovierungsbedürftig
seien; die öffentlichen Mittel hierfür würden jedoch
erst dann zur Verfügung gestellt, wenn die künftige
Rechtslage geregelt sei.
Der Petitionsausschuss hielt das Anliegen des Petenten für
berechtigt. Er wies insbesondere darauf hin, daß die Deutsche
Bahn AG das fragliche Grundstück unentgeltlich erhalten hatte.
Er forderte die Bundesregierung auf, gegebenenfalls durch Auflagen
sicherzustellen, daß die Deutsche Bahn AG das Blindenzentrum
durch Miet- und Pachtforderungen nicht derart belaste, daß
die jetzige Nutzung der Anlage gefährdet werden könnte.
Ziel müsse es sein, die Deutsche Bahn AG zu verpflichten mit
dem Petenten einen langfristigen Pachtvertrag zu schließen,
wobei als Pacht lediglich eine Erstattung der tatsächlichen
Aufwendungen für das Grundstück in Betracht käme.
Der Ausschuss überwies daher die Petition der Bundesregierung
zur Berücksichtigung, da das Anliegen des Petenten
begründet und Abhilfe notwendig sei.
Inzwischen hat das Bundesministerium für Verkehr mitgeteilt,
daß zugunsten des Blindenvereins ein unentgeltliches
Erbbaurecht bestellt und damit der Fortbestand des
Mobilitätszentrums für Blinde gesichert sei. Dem Anliegen
des Petenten konnte somit in vollem Umfang entsprochen werden.
8. Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung für geschiedene Ehefrauen von Angehörigen der Bundeswehr
Zwei geschiedene Ehefrauen von Angehörigen der Bundeswehr
wandten sich unabhängig voneinander an den Petitionsausschuss,
weil sie aufgrund der Scheidung keinen Versicherungsschutz im
Krankheitsfall mehr hatten, ihren geschiedenen Ehemännern
dagegen weiterhin freie Heilfürsorge gewährt wurde. Da in
beiden Fällen ein Beitrittsrecht zur gesetzlichen
Krankenversicherung nicht mehr bestand, baten sie um eine
entsprechende Gesetzesänderung.
Eine der Petentinnen hatte sich während der langjährigen
Ehe der Haushaltsführung und der Erziehung mehrerer Kinder
gewidmet. Ihr geschiedener Ehemann war Offizier in der Bundeswehr
und hatte freie Heilfürsorge für sich sowie eine Beihilfe
für die Ehefrau und die Kinder erhalten. Für die Ehefrau
entfiel diese Beihilfe zum Zeitpunkt der Scheidung, so daß
die Petentin mit ihrer privaten Krankenversicherung nun das volle
Krankheitsrisiko absichern mußte. An die private
Krankenversicherung war ein Beitrag von ca. 750 DM monatlich zu
zahlen, wobei die Petentin nur über ca. 1.000 DM an
Einkünften aufgrund der Unterhaltszahlungen ihres Mannes
verfügte. Die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigung hätte ihr den Weg in die gesetzliche
Krankenversicherung eröffnet. Aufgrund ihres Alters war dies
der Petentin aber nicht mehr gelungen.
Die zweite Petentin war selbst mehrere Jahre Mitglied der
gesetzlichen Krankenversicherung gewesen, mußte ihre
Berufstätigkeit jedoch nach der Geburt von zwei Kindern und
der Stationierung ihres Ehemannes in den Niederlanden aufgeben.
Dieser Petentin war die Aufnahme einer
sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nicht möglich,
da sie sich um ihre minderjährigen Kinder kümmern
mußte.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das vom Ausschuss
um Stellungnahme gebeten wurde, äußerte sich ablehnend
zu den Eingaben. Es sei nicht sachgerecht, die Solidargemeinschaft
der Beitragszahler im System der gesetzlichen Krankenversicherung
zur Mitfinanzierung des Krankenversicherungsschutzes von
geschiedenen Ehefrauen heranzuziehen. Die gesetzliche
Krankenversicherung sei keine Auffangversicherung, wenn andere
Systeme ihren Schutz versagen.
Der Ausschuss war anderer Meinung. Gerade aus Gründen des
Solidarprinzips sei zu prüfen, ob geschiedene Ehegatten, die
wegen der Kindererziehung eine eigene sozialversicherungspflichtige
Berufstätigkeit aufgegeben haben, nach der Scheidung den
Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten sollen. Die
Tätigkeit einer Hausfrau sei bislang im Familienhaushalt kein
sozialversicherungspflichtiger Tatbestand. Aus diesem Grunde
könnten Hausfrauen am Ende der Ehe nur dann eine zum Beitritt
zur gesetzlichen Krankenversicherung berechtigende
Vorversicherungszeit erfüllen, wenn sie mit einem Mitglied der
gesetzlichen Krankenversicherung verheiratet waren. Im Hinblick
darauf, daß Kinder gesellschaftlich erwünscht seien und
daß auch bereits in der Rentenversicherung ein eigener
Versicherungstatbestand aufgrund von Kindererziehung geschaffen
worden sei, hielt der Ausschuss es für erforderlich zu
prüfen, ob nicht die Kindererziehung zu einer Mitgliedschaft
in der gesetzlichen Krankenversicherung führen könne.
Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, daß die betroffenen
Personen, zumeist Frauen, wegen der Kindererziehung oder des
fortgeschrittenen Alters häufig gehindert seien, eine
sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufzunehmen. Betroffen
seien vor allem Hausfrauen und Mütter, die wegen des Anspruchs
auf Beihilfe über den Ehemann nicht in der gesetzlichen
Krankenversich