Einschaltung des Bundesrates
Dieser Schritt im Verfahren könnte zunächst überraschen: Warum wird der Regierungsentwurf nicht jetzt sofort dem Bundestag zugestellt, der ihn dann im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren behandelt? Der vom Grundgesetz in Artikel 76 vorgeschriebene so genannte erste Durchgang beim Bundesrat hängt damit zusammen, dass dieser nach der Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag sehr starke Mitwirkungsrechte bei der Gesetzgebung hat (darauf wird später noch näher eingegangen). Er könnte zumindest das In-Kraft-Treten eines Gesetzes verzögern (Einspruchsgesetze) und bei vielen sogar das In-Kraft-Treten endgültig verhindern (Zustimmungsgesetze). Um nun die Auffassung des Bundesrates und die der Länder rechtzeitig kennen zu lernen, ist eine erste Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf schon vorgesehen, bevor der Entwurf dem Parlament zugeleitet wird, damit die Regierung Gelegenheit hat, Gegenvorschläge des Bundesrates entweder noch zu berücksichtigen oder aber ihre Auffassung hierzu sogleich schriftlich ihrem Entwurf beizulegen. Die Stellungnahme der Bundesregierung zu eventuellen Einwänden des Bundesrates heißt Gegenäußerung; sie wird, wie die innerhalb von 6 Wochen abzugebende Stellungnahme des Bundesrates, dem ursprünglichen Gesetzentwurf beigefügt. Dem Bundestag werden also schließlich vorgelegt: der Gesetzentwurf der Bundesregierung mit Begründung, die Stellungnahme des Bundesrates hierzu und die Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates. Damit hat der Bundestag zu Beginn des Gesetzgebungsverfahrens eine Vorlage, die schon wesentliche Gesichtspunkte offenbart, die vielleicht später zwischen Bund und Ländern streitig werden könnten.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung mit Begründung, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung wird dem Bundestag vom Bundeskanzler mit einem Übersendungsschreiben an den Präsidenten des Bundestages zugeleitet.
Beispiel eines solchen Übersendungsschreibens
Es betrifft den Regierungsentwurf des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts (WaffRNeuRegG) vom 11. Oktober 2002, das im Bundesgesetzblatt Teil I von 2002 auf S. 3970 ff. veröffentlicht worden ist. Dieser Gesetzentwurf wird im Folgenden durch die Stationen seiner Behandlung verfolgt. Das bislang geltende Waffenrecht war seit längerem als verbesserungsbedürftig angesehen worden, u. a. weil es kompliziert, lückenhaft und schwer verständlich war. Ziel des Gesetzentwurfs war deshalb eine grundlegende Neuordnung des Waffenrechts, um die Transparenz und Verständlichkeit zu erhöhen und die Anwendbarkeit der Regelungen zu verbessern. Außerdem sollte der missbräuchliche Umgang mit Waffen stärker eingeschränkt werden. Der Gesetzentwurf sah hierzu eine Neufassung des Waffengesetzes vor. Zur Entlastung des Waffengesetzes sollten außerdem Vorschriften über die technische Sicherheit von Waffen und Munition in einem eigenen Gesetz (Beschussgesetz) zusammengefasst werden. Ferner waren Änderungen einer Reihe weiterer Gesetze, z. B. des Bundesjagdgesetzes und der Strafprozessordnung vorgesehen. Das neue Waffengesetz, das Beschussgesetz und die vorgesehenen Änderungen weiterer Gesetze waren in dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Waffenrechts jeweils unter einem eigenen Artikel aufgeführt. Es handelte sich also um ein so genanntes Artikelgesetz.
Der Gesetzentwurf betraf die Interessen der Länder in besonderer Weise, weil er u. a. auch Vorschriften zum Verfahren der für den Vollzug des Gesetzes zuständigen Landesbehörden enthielt. Es handelte sich deshalb um ein so genanntes Zustimmungsgesetz, das nicht ohne Zustimmung des Bundesrates in Kraft treten kann. Die Eingangsformel des Gesetzes lautete dementsprechend: "Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: . . ."
Seit 1969 wird auf Grund einer im Zuge der Parlamentsreform vom Bundestag erhobenen Forderung, die von der Bundesregierung akzeptiert wurde, jedem Gesetzentwurf ein so genanntes Vorblatt vorangestellt, auf dem knapp über das Ziel des Gesetzes, die vorgeschlagene Lösung und eventuelle Alternativen sowie die Kosten der vorgeschlagenen Regelung berichtet wird:
Beispiel für den Gesetzentwurf
Die abgedruckte erste Seite des Gesetzentwurfs der Bundesregierung hat bereits die Form der Bundestagsdrucksache (die Zahl 14 rechts oben vor dem Querstrich bezeichnet die 14. Wahlperiode, also den Zeitraum vom ersten Zusammentritt des am 27. September 1998 gewählten Bundestages bis zum ersten Zusammentritt des nächsten, am 22. September 2002 gewählten 15. Bundestages, während die Zahl nach dem Schrägstrich die laufende Nummer der Bundestagsdrucksachen bezeichnet). In dieser Form kommt der Entwurf nicht beim Bundestag an, sondern er wird dort in diese Fassung gebracht, gedruckt und an alle Abgeordneten verteilt.