Rede von Dr. Jürgen Meyer im Europäischen Konvent am 28. Oktober 2002
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
schließe mich den Vorrednern an, die Gisela Stuart wegen
ihres Abschlussberichtes gelobt haben. Es wird eine neue Rolle der
nationalen Parlamente in der Europapolitik geben, ohne die
Schaffung neuer Gremien, ohne eine Vermischung der
Entscheidungsebenen - Mitgliedstaaten, Europäische Union - und
ohne eine Verzögerung der Gesetzgebungsverfahren. Dieser
Vorschlag ist meiner Auffassung nach auch deshalb sehr
chancenreich, einen Konsens zu finden, weil er, und das ist auch
ein Verdienst von Gisela, erarbeitet worden ist in enger
Kooperation mit der Arbeitsgruppe "Subsidiarität" und der
letzten COSAC-Konferenz in Kopenhagen. Zusammen mit der
Arbeitsgruppe "Subsidiarität" wurde der Vorschlag entwickelt,
dass die nationalen Parlamente frühzeitig im
Gesetzgebungsverfahren gehört werden und - Kommissar Barnier
hat völlig Recht - auch am Ende, wenn es um das
Vermittlungsverfahren geht. Das Klagerecht, das hinter nicht
berücksichtigten Stellungnahmen nationaler Parlamente steht,
ist nach meiner Auffassung schon eine neue Qualität. Dann wird
eben ernster genommen, was die nationalen Parlamente zur
Subsidiarität sagen, und ihre Stellungnahmen wandern nicht in
den Papierkorb. Am Ende wird der Europäische Gerichtshof nicht
etwa die ganze Palette der Subsidiarität prüfen
können, sondern nur, ob dieses zugegeben überwiegend
politische Prinzip offensichtlich verletzt worden ist. Er wird also
- in der Rechtssprache - nur eine sogenannte Evidenzprüfung
durchführen können.
Was COSAC angeht, hatten manche gemeint, das sei nun das neue Forum
der nationalen Parlamente. Ich bin froh darüber, dass wir uns
in Kopenhagen darauf verständigt haben, dass es kein neues
Entscheidungsgremium gibt. Wichtig ist aber, die Information
zwischen den nationalen Parlamenten und dem Europäischen
Parlament zu verbessern. Dies wird von einer Arbeitsgruppe von
COSAC mit Vorschlägen formuliert werden. Da könnte es ein
kleines Sekretariat geben. Es wird auch, damit COSAC sich
äußern kann, nicht mehr den Zwang zur Einstimmigkeit
geben, um nur zwei praktische Ansätze zu nennen. Aber es geht
um Information, es geht nicht um ein neues Entscheidungs- oder
Mitentscheidungsgremium. In diesem Zusammenhang möchte ich
eine Bemerkung zum Kongress machen.
Der Bericht der Arbeitsgruppe sagt ja nur, dass dieser Gedanke
weiter zu prüfen sei. Er spricht sich also nicht dafür
aus. Ich finde, neue Gremien bedürfen, weil wir doch für
die Menschen verständlicher werden wollen, einer
Begründung, die bisher fehlt. Dieser Kongress sollte kein
Entscheidungsgremium werden, ich sehe auch keine Entwicklung dahin,
und wenn es darum geht, das Jahresprogramm der Kommission zu
diskutieren, dann ist das Sache des Europäischen Parlaments
als Gegenüber des Rates. Selbstverständlich wäre es
jedoch auch sinnvoll, wenn das in den nationalen Parlamenten
geschähe. Dass man dafür ein ganz neues Riesengremium
braucht, sehe ich bisher nicht.