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Debatte
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Wortlaut der Reden

Peter Harald Rauen, CDU/CSU Dr. Jürgen Schmude, SPD >>

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst ein Wort des Dankes loswerden. Ich danke dafür, daß die Diskussion hier so fair verläuft. Das Thema, das in den letzten Wochen und Monaten überhöht, überzogen dargestellt wurde, wird heute auf das zurückgeführt, was es ist: eine wichtige Entscheidung für Deutschland, aber nicht die lebenswichtige Entscheidung für die Zukunft.

Es wird auch deutlich, meine Damen und Herren: Jeder von uns muß selbst entscheiden. Er muß im Kern entscheiden, ob in der Zukunft Regierungs- und Parlamentssitz in Bonn oder in Berlin sein soll. Alle Konsensbemühungen bis in die letzten Stunden hinein, zwischen den konkurrierenden Interessen einen Kompromiß zu finden, der die von mir erwähnte Grundentscheidung nicht erforderlich gemacht hätte, bleiben erfolglos, und ich finde, das ist gut so. Sowohl die Trennung von Regierungs- und Parlamentssitz als auch eine Verschiebung der Grundentscheidung auf eine spätere Legislaturperiode wäre für beide Städte, sowohl für Berlin als auch für Bonn, aber insbesondere, so finde ich, für Deutschland und die parlamentarische Demokratie eine unbefriedigende Lösung gewesen.

Nachdem die Entscheidung getroffen ist -- egal wie sie ausgeht --, muß die unterlegene Stadt, ihren wechselseitigen unbestrittenen Verdiensten für unser Volk und unser Land entsprechend, herausragende repräsentative bzw. bedeutende Einrichtungen bekommen. Deshalb sind für mich weder der Geißler-Antrag noch die Anträge der Herren Schily und Gysi annehmbar. Bei den dann verbleibenden zwei Anträgen werde ich mich mit Überzeugung und gutem Gewissen für Bonn entscheiden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

Ich lasse mir von niemandem ein schlechtes Gewissen einreden.

Ich hatte wie viele hier im Saal das Glück, in den freiheitlichsten Rechtsstaat, den es je auf deutschem Boden gab, hineingeboren und in ihm aufgewachsen zu sein, in einem Bundesstaat, dem nach freien Wahlen die neuen Bundesländer beigetreten sind, einem Bundesstaat mit einer bewährten föderativen Grundordnung. Diese gehört zur demokratischen Erneuerung nach dem Zweiten Weltkrieg genauso wie die Unterscheidung zwischen Maximum und Optimum zur Sozialen Marktwirtschaft und sozialen Partnerschaft. Oder kürzer ausgedrückt: Dezentralisierung statt Gigantomanie war das moderne Erfolgsrezept, mit dem die Bundesrepublik Deutschland wieder zu großem Ansehen in der Welt kam. In Konsequenz dieser erlebten Erfahrung bin ich auch zukünftig für den Sitz von Regierung und Parlament im kleinen und überschaubaren Bonn, von dem -- hiervon bin ich überzeugt -- auch in ferner Zukunft keine zentralistischen Bestrebungen ausgehen werden, gegen eine Übersiedlung ins jetzt schon völlig überfüllte Berlin, das nach realistischen Einschätzungen in wenigen Jahren mehr Einwohner haben wird als viele deutsche Großstädte zusammen.

Darüber hinaus bin ich ein sehr praktisch denkender Mensch, der dazu erzogen wurde, die Mark zweimal umzudrehen, bevor sie ausgegeben wird. Das Geld, das wir für den Umzug nach Berlin ausgeben müßten, stecken wir viel sinnvoller, schnell und gezielt in den Ausbau der Infrastruktur in den neuen Bundesländern. Das kommt allen Menschen dort viel mehr zugute als ein Regierungs- und Parlamentssitz in Berlin und führt darüber hinaus für Berlin zu dem Ergebnis, wenn schnell gleiche Lebensverhältnisse in ganz Deutschland erreicht werden, daß Berlin zu einem Wirtschafts- und Kulturzentrum werden wird, wie es ohnehin kein zweites gibt. Dazu bedarf es nicht noch zusätzlich des Sitzes von Parlament und Regierung.

Viel wichtiger erscheint es mir, daß oberste Bundesbehörden möglichst rasch in Erfurt, Leipzig, Magdeburg und Rostock und in anderen Städten der neuen Bundesländer ihre Arbeit aufnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Berlin war und bleibt Symbol der Freiheit und Beständigkeit. Berlin ist und bleibt die Hauptstadt der Deutschen und repräsentiert zukünftig Deutschland als Ganzes. Bonn bleibt Sitzung von Parlament und Regierung und damit Zentrum einer stabilen Demokratie, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit Bonn als provisorischer Hauptstadt entwickelt hat.

Wir alle hier im Parlament sollten uns vor der bösen Unterstellung hüten, daß die Diskussion nach der heute zu treffenden Entscheidung, insbesondere wenn es eine knappe Entscheidung würde, dennoch weiterginge. Wir Parlamentarier würden uns damit selbst das schlechteste Zeugnis ausstellen. Wir sollten uns vielmehr in Erinnerung rufen, daß es viele wichtige Entscheidungen hier im Bundestag gegeben hat, die, wenn auch mit knapper Mehrheit gefaßt, dennoch von allen Demokraten mitgetragen wurden.

Ich habe mich deshalb in meinem Beitrag und meinem Werben für Bonn bewußt davor gehütet, überzogene Formulierungen zu gebrauchen.

Vizepräsident Hans Klein: Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Peter Harald Rauen (CDU/CSU): Ich komme sofort zum Ende.

Denn egal, wie die Entscheidung ausgeht, müssen wir, die wir heute mit der Mehrheit stimmen, morgen mit denen, die bei der Minderheit waren, zurechtkommen und umgekehrt. Die Worte »Sieger« und »Besiegte« sollten bei dieser Entscheidung aus diesem Grunde nicht verwandt werden. Die Entscheidung, egal, wie sie ausfällt, soll ein Sieg für die Demokratie und die Demokraten sein.

Schönen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

Vizepräsident Hans Klein: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jürgen Schmude.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_047
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