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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Hartmut Soell, SPD Bärbel Sothmann, CDU/CSU >>

Wie viele von uns, habe ich mir die heutige Entscheidung nicht leichtgemacht. Ich bin am Rhein geboren, habe einen Wahlkreis, der direkt an den Rhein grenzt -- mit einer mindestens ebenso großen Kilometerlänge wie der Abschnitt des Rheins, der sich innerhalb der Bonner Gemarkung befindet.

Schon früher -- vor einem Vierteljahrhundert -- habe ich hier in Bonn gelebt und gearbeitet, als spätberufene Bonn-Befürworter noch über das angeblich provinzielle Bonn ihre Witzchen gemacht haben. Meine persönliche Sympathie gehört nach wie vor den Menschen und der Landschaft am Rhein, ihrer Geschichte, ihrer Kultur. Ganz nebenbei: Sehr viel bequemer wäre es für mich auch, blieben Bundestag und Bundesregierung in Bonn. Meine Entscheidung für Berlin gründet sich auf Überlegungen einer langfristig angelegten praktischen Vernunft. Uns haben in den letzten Wochen Gutachten über Gutachten, Briefe über Briefe erreicht. Wenn Betroffene ihre Interessen geltend machen, ist dies legitim. Wenn solche Interessen mit vermeintlich wissenschaftlichen Begründungen ausstaffiert werden, ist Vorsicht geboten.

Ein Beispiel: Aus Düsseldorf wurde uns das Ergebnis einer Tagung von Regionalökonomen zugesandt. Die dortigen Ergebnisse haben mit realen Erfahrungen der letzten 40 Jahre in der alten Bundesrepublik kaum etwas zu tun.

Unsere Erfahrungen mit den dynamischsten Regionen und ihrer Entwicklungsgeschichte -- Großraum München, Stuttgart und mittlerer Neckarraum, Düsseldorf-Kölner Raum, Hannover, Hamburg, Frankfurt im Rhein-Main mit der Bundesbank -- zeigen, daß dort, wo die politischen Entscheidungszentren sind, sich auch die privatwirtschaftlichen Entscheidungszentren immer stärker angelagert haben.

In den östlichen Ländern -- Berlin eingeschlossen -- gibt es noch keine vergleichbaren Zentren, weder politisch noch wirtschaftlich. Die genannten westlichen und süddeutschen Zentren -- Bonn eingeschlossen -- bleiben auch mit ihrem riesigen Vorsprung in der westeuropäischen Wohlstandszone im Vieleck von London über Kopenhagen-München-Mailand-Paris.

Kurz zusammengefaßt: Eine Entscheidung gegen Berlin kostet wahrscheinlich die Steuerzahler langfristig erheblich mehr, weil private Investitionen, die ausbleiben, durch die öffentlichen Haushalte ausgeglichen werden müssen.

Das gilt nicht nur für das deutsch-deutsche Zusammenwachsen, sondern auch für das Zusammenwachsen des östlichen Mitteleuropas, aber auch für das Zusammenrücken des europäischen Nordens mit Mittel- und Westeuropa.

Ärgerlich finde ich die Überschrift des Pro-Bonn-Antrages »Bundesstaatliche Lösung«, als ob die Vitalität des Föderalismus vom Standort Bonn abhinge. Solche Monopolansprüche taugen nichts.

In Bonn gibt es Plakate mit dem Porträt Adenauers und dem Text »Adenauer-Grundgesetz-Bonn«. Wir kennen alle Sprüche über Adenauers Abneigung gegenüber Berlin während der Jahre vor 1933. Manche Zitate mögen stimmen, andere sind fragwürdig. Dennoch spricht manches dafür, daß sich Adenauer, wenn er es erlebt hätte, wie diese Einheit zustande gekommen ist, auf eine Art, wie sie in den kühnsten Träumen auch wohl von ihm nicht erwartet werden konnte, in Frieden und Freiheit und mit der Zustimmung aller unserer Nachbarn, ebenfalls für Berlin entschieden hätte.

Auch wenn dies Spekulation bleiben muß; keinen Zweifel gibt es, wie Kurt Schumacher, Ernst Reuter, Erich Ollenhauer, Fritz Erler, Alex Möller, aber auch Carlo Schmid, Erwin Schoettle, Martha Schanzenbach gestimmt hätten, wenn sie die Chance dazu gehabt hätten.

Niemand kann ehrlicherweise sagen, daß er nicht durch die Ereignisse seit Sommer und Herbst 1989 überrascht, durch die Wucht des Vereinigungsprozesses verunsichert, ja gelegentlich erdrückt worden wäre. Insoweit ist diese Debatte auch eine Art Nachbereitung, für manche auch eine Art Fluchtversuch zurück in die Idylle, die seit dem Herbst 89 von vielen in der alten Bundesrepublik erst als Idylle entdeckt worden ist. Vorher wurde sie häufig von rechts her als zu liberal, zu wenig nach der starken Hand, der harten Entscheidung verlangend eingeschätzt -- von links her gesehen, häufig als zu kapitalistisch, zu wenig demokratisch, zu wenig ökologisch.

Ich habe Verständnis für diesen Blick zurück; nur politisch ist das nicht, und vor allen den Nöten der Menschen in den neuen Ländern nicht angemessen. Sie brauchen nicht nur materielle Zuwendungen, sondern noch stärker unsere direkte Zuwendung durch unsere dauernde und baldige Präsenz in Berlin.

Bärbel Sothmann, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_193
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