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Datenschutz und innere Sicherheit – ein unlösbarer Konflikt?

Bild: Überwachungskameras
Kameraüberwachung als Sicherheitsmaßnahme.

Bild: Peter Schaar
Peter Schaar.

Ein Essay von Peter Schaar

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht, dies hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach bekräftigt. In der Grundrechtecharta der Europäischen Union und dem Entwurf der künftigen Europäischen Verfassung wird der Datenschutz als Grundrecht ausdrücklich genannt. Datenschutz hat somit Verfassungsrang. Einschränkungen dieses Grundrechts sind nur unter engen Voraussetzungen möglich. Warum hat der Datenschutz es dennoch häufig schwer, sich zu behaupten?

Zum einen schafft die rapide technologische Entwicklung Risiken und Gefahren für die Datensicherheit. Sie erleichtert sowohl bei öffentlichen als auch privaten Stellen die immer umfassendere Sammlung personenbezogener Daten und ermöglicht deren effektive Vernetzung. Nicht immer werden diese Datenbestände gezielt angelegt, sie fallen auch als Nebenprodukt ab, etwa beim Surfen im Internet oder beim mobilen Telefonieren. Sind Datensammlungen erst einmal entstanden, weckt dies Begehrlichkeiten und es dauert häufig nicht lange, bis sie zu unterschiedlichsten Zwecken genutzt werden sollen.

Zum andern steht der Datenschutz auch im Spannungsverhältnis zu anderen Zielen, die im Bewusstsein der Menschen ebenso wichtig oder gar vorrangig sind, wie etwa die Steuerehrlichkeit, der Kampf gegen Missbrauch sozialer Leistungen oder die innere Sicherheit. Eine Konkurrenz, die im Sinne eines „Entweder oder“ bei nüchterner Betrachtung gar nicht besteht und die sich häufig auflösen lässt. Dies gilt gerade auch für die innere Sicherheit. Hier sind Eingriffe in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vertretbar, wenn dadurch wesentliche Gefahren mit angemessenem Aufwand tatsächlich begrenzt oder vermieden werden können und andere Möglichkeiten, bei denen es zu keinen Grundrechtseingriffen kommt, ausgeschöpft wurden. Aber solche Maßnahmen müssen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und gegen mögliche Alternativen abgewogen werden.

Häufig bringen eine gründliche Problemanalyse und eine ergebnisoffene Prüfung von Lösungsalternativen an den Tag, dass die geforderten Gesetzesverschärfungen gar nicht die erhoffte Sicherheit bringen oder dass weniger einschneidende Maßnahmen ebenfalls Erfolg versprechen. So kann es wirkungsvoller und auch kostengünstiger sein, Gefährdungssituationen gar nicht erst entstehen zu lassen, als im Nachhinein mit hohem technischem, kostenmäßigem und personellem Aufwand Überwachungstechnologie einzusetzen. Zum Beispiel trägt die bessere Ausleuchtung von Unterführungen und U-Bahneingängen bisweilen mehr zur Kriminalitätsprävention und zum Sicherheitsempfinden der Bevölkerung bei als eine lückenlose Videoüberwachung. Mehr Bürgereinsatz, funktionierende Nachbarschaften, eine aktive Zivilgesellschaft insgesamt wirken stärker als blindes Vertrauen in immer ausgefeiltere technische Konzepte, die den Menschen oft nur die Illusion von Sicherheit vermitteln.

Wer hier Denkanstöße gibt und kritische Fragen stellt, tut dies in dem Bestreben, ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt zu verteidigen und mit anderen gleichwertigen Schutzgütern in Einklang zu bringen. Ich sehe hierin eine Aufgabe, die an Bedeutung weiter zunehmen wird.

Fotos: Picture-Alliance
Erschienen am 30. Mai 2005

Weitere Informationen:

PETER SCHAAR, Jahrgang 1954, ist seit dem 17. Dezember 2003 Bundesbeauftragter für den Datenschutz. Zudem ist er Vorsitzender der Hamburger Datenschutzgesellschaft (HDG) und engagiert sich in der Gesellschaft für Informatik, in der International Working Group on Data Protection in Telecommunications (IWGDPT) sowie in der Humanistischen Union.


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