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Juli 02/1998
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Einsatz für den Frieden

Die Kosovo-Krise und die SFOR-Mission in Bosnien

Kosovo

Der Balkan bleibt explosiv. Während der Friedensprozeß in Bosnien unter dem Schutz der SFOR-Friedenstruppe voranschreitet, wachsen in der jugoslawischen Provinz Kosovo die Spannungen zwischen Albanern und Serben. Der Bundestag hat der Verlängerung der SFOR-Mission in Bosnien mit großer Mehrheit zugestimmt (siehe Debattenbericht S. 17), aber schon beschäftigt eine mögliche Intervention im Kosovo die Außenpolitiker von Koalition und Opposition.

Die Kosovo-Krise gleicht fatal den Ursprüngen des Krieges in Bosnien. Auch im Kosovo stemmt sich die Regierung der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) gegen den weiteren Zerfall des Staates, indem sie die Autonomiebestrebungen der nichtserbischen Bevölkerung gewaltsam unterdrückt. Das stärkt auf der Gegenseite die radikalen Kräfte der "Befreiungsarmee Kosova" (UCK), die sich nicht mit der Autonomie begnügen wollen, sondern die völlige Loslösung von Jugoslawien fordern.
Wegen der Angriffe serbischer Sicherheitskräfte und Gegenschlägen der UCK steigt die Spannung im Kosovo zusehends. Plünderungen, Vertreibungen, Morde - das Szenario erinnert an fast schon wieder verdrängte Bilder aus Bosnien. Tausende demonstrieren in der Kosovo-Hauptstadt Pristina, die Rufe nach einem Eingreifen des Nordatlantikpaktes (NATO) wollen nicht verstummen, und Strom der Flüchtlinge steigt weiter an. Die Krise auf dem Kosovo steht daher bei den Vereinten Nationen und der NATO, aber auch bei den außen- und verteidigungspolitischen Gremien des Bundestages ganz oben auf der Tagesordnung.
Aber es gibt auch Hoffnung auf dem Balkan: Der Friedensprozeß in Bosnien kommt voran. Zu verdanken ist das vor allem der internationalen SFOR-Streitmacht (Stabilisation-Force), deren Mandat der Bundestag gerade verlängert hat.

Neues Mandat

Frieden schaffen, auch mit Waffen - so könnte man den Auftrag der SFOR-Truppe umschreiben. Im Bundestag legt man großen Wert auf die Feststellung, daß es sich um ein "neues" Mandat für die "Stabilisierungstruppe" - so die Übersetzung der NATO-Abkürzung SFOR - handelt. Aber klar ist doch, daß es sich um die Fortsetzung des vor eineinhalb Jahren begonnenen Einsatzes zur Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton handelt. Denn nicht ohne Grund wird die Bezeichnung SFOR beibehalten, auch der Auftrag bleibt derselbe. Die insgesamt 30.000 Mann starke internationale Streitmacht soll wie bisher in erster Linie das Wiederaufflammen von Feindseligkeiten zwischen den Volksgruppen verhindern, indem Übergriffe unterbunden und die Konfliktparteien auseinandergehalten werden. Hinzu kommt die Überwachung der Abrüstung, die Sicherung der Bewegungsfreiheit in ganz Bosnien und die Unterstützung des zivilen Wiederaufbaus.
Die Bundeswehr stellt dazu wie bisher rund 3.000 Soldaten aller Waffengattungen, die dieselben Aufgaben erfüllen wie ihre Kameraden aus anderen Nationen. Wie das jetzt abgelaufene Mandat ist auch der neue Auftrag befristet: Bis zum 21. Juni 1999 sollen die Friedenssoldaten in Bosnien bleiben, das legt das gerade erneuerte Mandat des UN-Sicherheitsrates fest.

Kontrolle durch das Parlament

Doch im Parlament ist allen Beteiligten klar, daß die SFOR-Soldaten so lange vor Ort bleiben, wie der Friedensprozeß gefährdet ist. Wenn die Friedensmission trotzdem immer wieder befristet wird, dann aus einem, vor allem im Bundestag mit Argusaugen beobachteten Grund: Einen Automatismus soll es für Militäreinsätze nicht geben, die Kontrolle des Parlaments muß gewahrt bleiben. Und dazu gehört die Möglichkeit, den Einsatz zu einem festgelegten Überprüfungstermin zu beenden. Auch deshalb soll der Einsatz alle sechs Monate, zum ersten Mal schon nach den Bundestagswahlen im September, überprüft werden, mit dem Ziel, bei einer Stabilisierung der Lage die Truppenzahl zu reduzieren. Deshalb auch hat Bundesverteidigungsminister Volker Rühe ausdrücklich zugesagt, den Verteidigungs- und den Auswärtigen Ausschuß des Bundestages regelmäßig über den Stand der Operation zu unterrichten.
Dabei hat SFOR schon beachtliche Fortschritte erzielt. Die Streitkräfte der früheren Konfliktparteien sind getrennt und kaserniert, schwere Waffen in Sammellagern zusammengezogen und die Abrüstung vorangebracht. Gleichzeitig scheint der Wiederaufbau von Infrastruktur und demo- kratischen Institutionen auf gutem Wege. Warum also die SFOR-Verlängerung? Ganz einfach: Die Fortschritte gibt es nur unter den wachsamen Augen der Friedenstruppe, deren Abzug könnte das Erreichte wieder zunichte machen. Verteidigungsminister Rühe: "Es konnte bisher keine selbsttragende Stabilität erreicht werden, die es erlaubt, auf eine militärische Absicherung zu verzichten." Beides - die schon deutlich sichtbaren Erfolge und die immer noch drohende Gefahr - ist denn auch der Grund, warum es im Parlament weitgehende fraktionsübergreifende Zustimmung zum SFOR-Mandat gab.
Die Erfahrungen mit SFOR haben dazu beigetragen, daß sich im Bundestag ein weitgehender Konsens über internationale Friedensmissionen entwickelt hat. Noch beim Einsatz in Somalia und bei der Unterstützung der UN-Blauhelm-Truppe in Bosnien vor drei Jahren war die Beteiligung der Bundeswehr äußerst umstritten. Doch inzwischen erkennen alle Fraktionen an, daß die NATO - mit der deutschen Beteiligung - in Bosnien hilfreich gewirkt hat.
Dabei mag mitspielen, daß die Truppe neben ihren militärischen Aufgaben auch zivile Aufbauhilfe leistet. So schützen die Soldaten nicht nur private Hilfsorganisationen, sondern packen auch selbst mit an, etwa beim Bau von Brücken, Ausbessern von Straßen und ähnlichem. Diese Fortschritte beim Wiederaufbau Bosniens spürt man auch in Deutschland selbst. Von 320.000 Bosnienflüchtlingen konnten 130.000 schon in halbwegs sichere Verhältnisse in ihrer Heimat zurückkehren.

Vorbildfunktion

Auch für die NATO und die deutsche Außenpolitik ist die SFOR-Mission von weitreichender Bedeutung: Die Zusammenarbeit von NATO-Mitgliedern mit Staaten, die dem Bündnis nicht angehören, gilt in Bonn und Brüssel als Vorbild für eine umfassende Kooperation zur Sicherung des Friedens in Europa. Besondere Bedeutung kommt der Einbeziehung Rußlands zu, das in der Bosnien-Kontaktgruppe wie in der SFOR-Truppe gleichberechtigt dabei ist. In Moskau ist nämlich die Furcht vor einer Isolation durch die NATO - genährt durch die Osterweiterung des Bündnisses - verbreitet, so daß die praktische Zusammenarbeit in Bosnien die Entstehung eines neuen Ost-West-Konflikts verhindern helfen kann.

Nato
Tausende Kosovo-Albaner fordern immer wieder ein Eingreifen der NATO.
Patrouille
Einsatz in Bosnien: Deutsche SFOR-Streitkräfte auf Patrouille
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9802/9802014
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