Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 1998 > Blickpunkt Bundestag - Juli 1998, Nr. 2/98, Seite 2, Inhalt >
Juli 02/1998
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

Kürzere Arbeitszeiten sind kein Allheilmittel für den Arbeitsmarkt

(as) Einen Antrag der PDS (13/10015), der darauf zielte, Überstunden abzubauen und die Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden zu begrenzen, hat der Bundestag am 24. Juni auf Empfehlung des Fachausschusses (13/11136) abgelehnt. Um ihr Ziel zu erreichen, wollte die Gruppe das Arbeitszeitgesetz beschäftigungsorientiert novellieren, damit die Tarifpartner bessere Rahmenbedingungen für die Verhandlung bekommen. Die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit sollte im Arbeitszeitgesetz von gegenwärtig 60 auf 40 Stunden gesenkt werden; die Jahresarbeitszeit sollte 1.540 Stunden nicht überschreiten dürfen.
Im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, der am Vortag einstimmig - mit Ausnahme der Gruppe - die Initiative ablehnte, hatte die PDS betont, ihr Antrag sei als erster Schritt zu verstehen, um Überstunden einzuschränken und die vorhandene Erwerbsarbeit besser zu verteilen. Auch sie sähen, daß mit dieser Initiative nicht alle Probleme des Arbeitsmarktes gelöst werden könnten, sondern daß dies nur ein kleiner Baustein sein könne. Die Aushandlung von Arbeitszeiten und Entlohnung sei zwar Sache der Tarifvertragsparteien, der Gesetzgeber könne jedoch durchaus bessere Rahmenbedingungen schaffen. Auf völlige Ablehnung stieß der Antrag bei den Koalitionsfraktionen. Die CDU/CSU erklärte, die gesamte Politik der PDS spiegele sich in dieser Initiative wider: wo ein Problem ist, müsse es durch staatlichen Zwang bekämpft werden. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen hätten sich in den letzten Jahren bemüht, die Arbeitszeiten möglichst flexibel zu gestalten und individuelle Lösungen zu finden. Die PDS-Initiative würde diese Politik rückgängig machen.
Im übrigen bedeute Arbeitszeitabbau auch Arbeitsplatzabbau. Schon jetzt fehlten eine große Anzahl von Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt. Dieses Problem werde sich durch einen Abbau von Überstunden noch erhöhen. Im übrigen, so die Union, müsse man von einem "Tortenmodell" ausgehen. Wenn die Arbeit auf möglichst viele verteilt werden solle, würden die einzelnen Stücke immer kleiner und die Entlohnung immer geringer. Auch sie habe ein Interesse daran, die Überstunden abzubauen, eine "von oben verordnete Zwangsbewirtschaftung von Arbeitsstrukturen" helfe aber nicht weiter.
Die Freien Demokraten erläuterten, der Prozeß der Produktivitätssteigerung und der Arbeitszeitverkürzung habe in der Bundesrepublik auch menschliche Arbeit freigesetzt. Der Versuch, diese Entwicklung mechanisch zu bekämpfen, reiche nicht aus. Notwendig sei ein Bündel von verschiedenen Strategien. Selbst die Gewerkschaften hätten erkannt, daß Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich Arbeit verteuere und langfristig Arbeitsplätze gefährde. Notwendig sei es, bei neuen Strategien auch den Arbeitgebern mehr Sicherheit zum Beispiel bei der Lohnentwicklung zu geben.
Bei der SPD-Fraktion stieß die Initiative der PDS ebenfalls auf wenig Gegenliebe. Die Aushandlung der Arbeitszeiten sei ureigenste Sache der Gewerkschaften. Initiativen in diesem Bereich seien eine Gratwanderung zwischen der gewerkschaftlichen Tarifhoheit und dem Arbeitszeitrecht als Rahmen. Auch die Sozialdemokraten seien für einen gesetzlichen Rahmen in diesem Bereich, eine gesetzlich vorgeschriebene 35-Stunden-Woche wie in Frankreich aber lehnten sie ab.
Bündnis 90/Die Grünen erklärten, sie sähen ebenso wie die PDS in der Umverteilung der Arbeit einen wesentlichen Schritt zur Lösung der Arbeitslosigkeit. Dies müsse jedoch flexibler erfolgen als in dem Antrag der Gruppe vorgesehen. Dieser sei zu starr. Die Koalitionsfraktionen müßten aufzeigen, wie sie die Erwerbslosigkeit ohne Umverteilung bekämpfen wollen. Auch das vielgelobte Modell in Holland basiere auf der Umverteilung. Mit dem Hinweis auf das Tortenmodell mache es sich die Union zu einfach. Es müsse gesehen werden, daß die Zahl der Arbeitsstunden in der Bundesrepublik von 56 Milliarden auf 44 Milliarden zurückgegangen sei, bei einem gleichzeitigen Wachstum von rund 2,5 Prozent und etwa 4,5 Millionen Menschen, die zusätzlich auf den Arbeitsmarkt drängten. Diese Zahlen machten deutlich, daß auch die Koalition um eine Umverteilungsdiskussion nicht herum komme.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9802/9802037a
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion