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Dezember 11/1999
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INTERVIEW MIT HANS-PETER REPNIK FÜR BLICKPUNKT BUNDESTAG

"Gelegentlich kann schon mal Frust aufkommen"

Sein Büro in der Berliner Wilhelmstraße 60 ist geschichtsträchtig: Von hier aus indoktrinierte früher Margot Honecker als Volksbildungsministerin die DDR-Jugend. Und im 19. Jahrhundert, als dort das preußische Kulturministerium residierte, begann unter dieser Adresse Bismarcks Kulturkampf. Heute zieht hier der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Repnik, die Fäden. Im Rahmen der Interview-Reihe mit den Geschäftsführern der Fraktionen sprach Blickpunkt Bundestag mit dem "Stabschef" von Wolfgang Schäuble.

Hans-Peter Repnik, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion.
Hans-Peter Repnik, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion.

Blickpunkt Bundestag: Die CDU/CSU-Fraktion sonnt sich im Gesamterfolg der Union in diesem Jahr. Entspannte Zeiten auch für den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer?

Hans-Peter Repnik: Nicht unbedingt. Denn dieser Erfolg kommt ja nicht von ungefähr. Wir haben es mit einer Regierung zu tun, die seit einem Jahr chaotisch regiert, zugegeben, das kam uns zugute. Auf der anderen Seite haben wir unsere parlamentarische und parteipolitische Arbeit in diesem Jahr unter Wolfgang Schäuble neu organisiert. Wir haben neue Strukturen eingeführt, die eine schlagkräftige Opposition möglich machen. Von entspannten Zeiten im Sinne von arbeitsarm kann keine Rede sein: Wir haben genug um die Ohren.

Ist der Vorwurf berechtigt, die Union betreibe zwar eine durchaus schlagkräftige Oppositionspolitik, biete inhaltlich aber kaum Alternativen an?

Wir haben auf wichtigen Feldern ein überzeugendes Programm, das trägt; sei es im Bereich der Rente, der Gesundheitsreform, der Steuer oder des Arbeitsmarktes. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch.

Parlamentarische Geschäftsführer, zumal die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer, bestimmen vor allem die Verfahrensabläufe in Fraktion und Parlament. Wie weit sind Sie auch an der inhaltlichen Positionierung Ihrer Fraktion beteiligt?

Zu meinem Aufgabenfeld gehört nicht nur, Verfahrensabläufe zu organisieren. Dies ist sicherlich außerordentlich wichtig, aber genauso bin ich auch verantwortlich für die Vorbereitung der Fraktionsgremien - Geschäftsführender Fraktionsvorstand, Vorstand, Fraktion - und für die Koordinierung der Arbeit mit der Partei, den Landtagsfraktionen der Union mit Bundesländern und der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament. Da geht es überall nicht nur um politische Technik, sondern auch um Inhalte. Häufig ist das gar nicht zu trennen.

Die Unionsfraktion ist ja ein Zusammenschluss aus CDU- und CSU-Abgeordneten. Dabei empfindet sich die CSU als durchaus eigenständiger - bisweilen auch eigenwilliger Teil. Erschwert diese Sonderstellung die notwendige Koordination?

Sie erschwert sie nicht, aber sie bedingt einen erhöhten Gesprächsbedarf. Dennoch sehe ich die Tatsache, dass wir zwei Parteien sind - wobei die CSU ja eine außergewöhnlich erfolgreiche Regierungspartei in Bayern ist -, als Vor- und nicht als Nachteil oder gar Erschwernis an.

Wie charakterisieren Sie die Zusammenarbeit mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe Peter Ramsauer?

Sie ist sehr kollegial, freundschaftlich und deshalb konstruktiv.

Sie kennen die CDU/CSU als Regierungs- und jetzt als Oppositionsfraktion. Was ist für den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer in seiner Arbeit der gravierende Unterschied?

Während man in Regierungszeiten als Fraktion in erster Linie darauf zu achten hat, dass das, was in Regierung und Fraktion gemeinsam angedacht wird, auch mehrheitsfähig umgesetzt wird, kommt auf die Fraktion in der Opposition eine sehr viel stärker dominierende inhaltlich-politische Aufgabenstellung zu. Denn es gibt keine Zuarbeit aus den Ministerien, wir sind auf uns selbst, auf unser Fachwissen gestellt, und von daher tragen wir als Fraktion auch eine größere programmatische Verantwortung.

SPD und Grüne verfügen mit ihrer Mehrheit jederzeit über die Möglichkeit, Wünsche und Vorhaben der Opposition abzublocken. Ergibt sich daraus eine politische Frust-Situation?

Gelegentlich kann schon mal Frust aufkommen, wenn die Mehrheitsseite ihre Arroganz der Macht nicht zügeln kann oder will. Aber das überwiegt nicht. Zudem gibt es ja bestimmte Minderheitsrechte, die einer Opposition zustehen. Wir zumindest versuchen, in einem kollegialen Miteinander unter demokratischen Parteien die Rechte der Opposition nicht zu kurz kommen zu lassen. Und wir nehmen sie auch wahr.

Wie ist das Verhältnis der Geschäftsführer der Fraktionen untereinander? Stimmt das Wort von der "Gewerkschaft" der Geschäftsführer?

Ich halte in diesem Zusammenhang nicht viel von gewerkschaftlichen Begrifflichkeiten. Aber wahr ist: Wir tragen alle gemeinsam Verantwortung für das Parlament und für seine Würde in der Außendarstellung. Deshalb bemühen wir uns um ein ordentliches und konstruktives Arbeitsklima und versuchen, Dinge zu glätten und Streit nach außen zu vermeiden. Nicht immer gelingt dies.

Gefällt es Ihnen, wenn Parlamentarische Geschäftsführer als "Manager des Parlaments" bezeichnet werden?

Ja, weil es ihre Arbeit ziemlich genau charakterisiert.

Präjudizieren die Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer durch ihre Vorfestlegungen in Verfahrensfragen den Ältestenrat des Bundestages?

In der Regel wird im Ältestenrat hinsichtlich des Parlaments-Ablaufs in der Tat nachvollzogen, was die Geschäftsführer im Vorfeld vereinbart haben. Trotzdem ist der Ältestenrat das Gremium, das in letzter Instanz entscheidet.

Im Gegensatz zur SPD können sich Unionsabgeordnete nicht selbst als Parlamentarische Geschäftsführer bewerben, sondern werden vom Fraktionsvorsitzenden vorgeschlagen. Ergibt sich daraus eine größere Abhängigkeit?

Ich halte unsere Konstruktion für eine ideale. Um einen reibungslosen Ablauf der Arbeit zu gewährleisten, ist ein unbedingtes Vertrauensverhältnis zwischen Fraktionschef und Geschäftsführung vonnöten.

Wie viel Spielraum lässt Ihnen Ihr Fraktionsvorsitzender Schäuble, der - so heißt es allgemein - die Fraktion gerne an der kurzen Leine führt?

Das ist ein Trugbild. Wolfgang Schäuble hat klare politische Vorstellungen, zugleich fordert er aber Partei und Fraktion nachdrücklich zur Teilnahme am politischen Diskurs auf. Ich kann mich nicht beklagen, ich habe einen großen Spielraum, vielleicht auch deshalb, weil wir uns schon sehr lange kennen und einander vertrauen.

Wie wichtig ist für Sie die Rolle des "Einpeitschers", der für stete Präsenz und Geschlossenheit der Fraktion zu sorgen hat?

Diese Rolle tritt in der Opposition naturgemäß etwas zurück. Wir haben ein Stimmenverhältnis im Bundestag, das Rot-Grün eine relativ komfortable Mehrheit beschert. Natürlich achten wir darauf, dass wir gelegentlich die Regierung auch mit unserem Stimmenpotenzial in Verlegenheit bringen. Aber diese Rolle hat auf der Regierungsseite eine stärkere Bedeutung.

Einige Ihrer Vorgänger - etwa Wolfgang Schäuble, Rudolf Seiters und Friedrich Bohl - sind zu wichtigen Ministern aufgestiegen. Ist das Amt des Ersten Parlamentarischen Geschäftsführers eine Karriere-Schmiede?

Ich habe nicht unter diesem Aspekt die Aufgabe übernommen, als Wolfgang Schäuble sie mir angeboten hat. Sondern weil es sich um ein außergewöhnlich spannendes, interessantes, vielseitiges und mit einem hohen Gestaltungsgrad ausgestattetes Amt, auch in der Opposition, handelt. Und das macht mir bis heute sehr viel Freude.

 

Hans-Peter Repnik
Hans-Peter Repnik

Hans-Peter Repnik ist seit Oktober 1998 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er wurde 1947 in Konstanz geboren. Nach dem Abitur studierte der Hauptmann der Reserve Rechts- und Staatswissenschaften. Der Jurist arbeitete von 1976 bis 1978 im Finanzministerium Baden-Württemberg; 1978 bis 1980 war er als Parlamentarischer Berater im Baden-Württembergischen Landtag tätig. 1980 wurde er zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt. Repnik war von 1989 bis 1994 Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und zwischen 1994 und 1998 stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9911/9911012
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