Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 2002 > Deutscher Bundestag - Blickpunkt 8/2002 >
Oktober 10/2002
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

Die Mitglieder des Bundestages

Ihre Rechte, ihre Pflichten

Natürlich wissen alle, was ein Abgeordneter ist: Ein Vertreter des Volkes, durch allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl ins Parlament geschickt. Und dass sich der am 22. September gewählte 15. Deutsche Bundestag einschließlich der fünf Überhangmandate aus 603 Abgeordneten zusammensetzt, ist vielen auch bekannt. Aber was sind die Aufgaben eines Bundestagsabgeordneten? Welche Rechte hat er, welche Pflichten? Wie organisiert er sich? Wer unterstützt ihn bei seiner Arbeit? Der Abgeordnete – ein wichtiger Akteur in einem komplexen Umfeld.

MdB steht hinter dem Namen auf der Visitenkarte: Mitglied des Bundestages. Die Mitgliedschaft im Parlament erwirbt der Kandidat nach erfolgter Wahl durch eine Annahmeerklärung gegenüber dem Landeswahlleiter bzw. dem Kreiswahlleiter, jedoch nicht vor Ablauf der Wahlperiode des letzten Deutschen Bundestages, die mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestages endet.

Damit wird der Gewählte Teil des Verfassungsorgans Bundestag. Er bekleidet ein hohes öffentliches Amt, ohne jedoch Beamter zu sein. Denn er ist niemandem untergeordnet, sondern "Repräsentant des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur seinem Gewissen unterworfen" (Artikel 38 Grundgesetz).

Die Unabhängigkeit des Abgeordneten wird durch besondere Parlamentsrechte betont. So bewahrt die Immunität (1) den Abgeordneten vor strafrechtlicher Verfolgung, die Indemnität (2) schützt ihn davor, wegen seiner Äußerungen oder Abstimmungen im Parlament gerichtlich oder dienstlich belangt zu werden.

Materiell steht den Abgeordneten eine "angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung" (Artikel 48 Grundgesetz) zu. Da die Mandatsausübung längst zu einem Vollzeitjob geworden ist, der kaum Zeit lässt für den privaten Beruf, sind die so genannten Diäten häufig das einzige oder mindestens das wichtigste Einkommen der Abgeordneten.

Damit der Abgeordnete vernünftig arbeiten und seinen parlamentarischen Funktionen nachkommen kann, erhält er eine Amtsausstattung, zu der unter anderem die Bereitstellung eines eingerichteten Büros, die freie Benutzung aller staatlichen Verkehrsmittel und der Deutschen Bahn AG sowie die Benutzung der Fernmeldeanlagen des Bundestages gehören. Außerdem erhält er gegen Nachweis eine Mitarbeiterpauschale (3) von monatlich 8.769 Euro zur Erledigung der parlamentarischen Arbeit in Berlin und im Wahlkreis. Überdies stehen ihm die Parlaments- und Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages zur Verfügung.

Abgeordnetenbüros im Paul-Löbe-Haus des Bundestages.

Abgeordnetenbüros im Paul-Löbe-Haus des Bundestages.

Die Pflichten des Abgeordneten werden in der Verfassung nicht festgelegt. Sie ergeben sich aus der moralischen Verpflichtung, das Mandat nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle des ganzen Volkes auszuüben. Lediglich die Geschäftsordnung (GO) des Bundestages verpflichtet ihn zur Teilnahme an den Arbeiten des Parlaments und zu ordnungsgemäßem Verhalten während der Sitzungen.

In der politischen Praxis ist der Abgeordnete aber durchaus gewissen Regeln unterworfen, da er nicht als Einzelner, sondern als Vertreter einer Partei in den Bundestag gewählt wurde. Das Grundgesetz schreibt den Parteien ausdrücklich ein Mitwirkungsrecht an der politischen Willensbildung zu (Artikel 21 Grundgesetz) und setzt so dem freien Mandat des Abgeordneten Grenzen. Dennoch gibt es keinen Fraktionszwang, weil der Abgeordnete durch Artikel 38 der Verfassung geschützt ist. Sein Mandat kann ihm nicht genommen werden. Wohl aber gibt es eine Fraktionsdisziplin, die vom Abgeordneten in der Regel eine Einordnung in das Interesse der Gesamtfraktion erwartet.

Weil die Abgeordneten als Einzelpersonen wenig erreichen würden, schließen sie sich analog ihrer Parteizugehörigkeit in Fraktionen zusammen, ohne die der Bundestag weitgehend handlungsunfähig wäre, weil er in Hunderte von Einzelinteressen zerfiele. In der modernen, vernetzten Gesellschaft ist die Arbeit im Parlament äußerst umfangreich und höchst spezialisiert geworden. Ohne die Klammer der Fraktionen, die zwischen Parlament und Parteien, zwischen Staatswillensbildung und gesellschaftlicher Willensbildung handeln und die Arbeit im Bundestag ordnen, würde das Parlament kaum seinen vielfältigen Aufgaben gerecht werden. Die starke Stellung der Fraktionen wird auch dadurch sichtbar, dass sie über bestimmte parlamentarische Rechte verfügen – etwa Aktuelle Stunden, öffentliche Anhörungen, Große Anfragen oder die Einrichtung von Enquete-Kommissionen durchzusetzen.

Welche Rolle der Abgeordnete in seiner Fraktion spielt, hängt von verschiedenen Faktoren ab: ob er ein Neuling ist oder schon über lange parlamentarische Erfahrung verfügt; auf welchem Gebiet er ein Fachmann ist; wie hoch er in der fraktionsinternen Hierarchie aufgestiegen ist und natürlich von seiner eigenen Persönlichkeit. Auch wenn alle Abgeordneten formal gleich sind – in der Praxis kann eine Rolle spielen, ob er ein Direktmandat (4) erreicht hat oder "nur" über ein Listenmandat (5) oder Überhangmandat (6) in den Bundestag gekommen ist. Die direkte Zustimmung im heimischen Wahlkreis (7) gibt dem Parlamentarier eine eigene Legitimation und ein zusätzliches Gewicht.

Grafik: Wählerwanderungen (PDF-Datei)

Weil im modernen Parlament die Fraktionen und ihre Untergliederungen zu entscheidenden Faktoren wurden, sind dem einzelnen Abgeordneten nur noch wenig Rechte geblieben. Nach der Geschäftsordnung des Bundestages darf er Änderungsanträge in zweiter Beratung zu Gesetzentwürfen einbringen, mündliche oder schriftliche Fragen an die Regierung stellen, sich an Aussprachen und Abstimmungen beteiligen, Erklärungen zur Aussprache und Abstimmung abgeben, alle Akten einsehen, die sich in der Verwaltung des Bundestages befinden. In der Parlamentspraxis werden diese Befugnisse durch die Fraktion ausgeübt. Dies gilt insbesondere für das Rederecht in Debatten, deren Abläufe in hohem Maße von den Fraktionen geregelt werden: Welcher Abgeordnete zu welchem Thema reden darf, wird meist vorher in den Arbeitsgruppen der Fraktionen bestimmt.

Grafik: Direktmandate und Listenmandate (PDF-Datei)

Dennoch ist der einzelne Abgeordnete nicht machtlos. Seine Persönlichkeit, sein Selbstbewusstsein und sein taktisches Geschick können ihm Einfluss verleihen. Seine Wirkung entfaltet er bei der Willensbildung in seiner Fraktion und in den Gremien des Parlaments, vor allem in den Fachausschüssen, wo die eigentliche Gesetzesarbeit stattfindet. Häufig sind die Abgeordneten hier Spezialisten, auf deren Sachkompetenz und Urteil die Fraktion angewiesen ist. Und natürlich wirkt jeder Abgeordnete am Schluss im Plenum durch seine Stimmabgabe. Besonders bei knappen Mehrheitsverhältnissen kommt es bekanntlich auf jede Stimme an. Das verleiht Macht und Einfluss. Ist der Abgeordnete zudem ein guter Redner, kann er auch in den großen Plenardebatten auf sich aufmerksam machen. Deshalb gilt: Zwar unterliegen die Bundestagsabgeordneten vielen Sach- und Fraktionszwängen – innerhalb dieser Grenzen aber bestimmen sie selbst ihre Rolle. Niemand ist zum "Hinterbänkler" verurteilt.

Selbst einzelne Abgeordnete, die keiner Fraktion angehören, haben eine Reihe von Rechten, die ihnen keine Mehrheit – und sei sie noch so groß – nehmen kann. Sie können in Plenardebatten beispielsweise Geschäftsordnungsanträge stellen und begründen, eine Erklärung nach Schluss der Debatte abgeben oder ihre Position zu Abstimmungen am Ende einer Debatte kurz darstellen. Sie können mündliche und schriftliche Anfragen an die Bundesregierung stellen, in so genannten "Erweiterten öffentlichen Ausschussberatungen" das Wort verlangen und Anträge stellen und in Ausschüssen, in denen sie nicht Mitglied sind, Änderungsanträge an den federführenden Ausschuss stellen und insoweit mit beratender Stimme an der Sitzung des Ausschusses teilnehmen.

(1) Immunität

Ein Abgeordneter darf nur mit Genehmigung des Bundestages wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Verantwortung gezogen und verhaftet werden, es sei denn, dass er bei der Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird. Auch bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten oder zur Einleitung eines Verfahrens gegen ihn ist die Genehmigung des Bundestages erforderlich. Strafverfahren sind auf Verlangen des Bundestages auszusetzen. Allerdings genehmigt der Bundestag zu Beginn einer jeden Wahlperiode die Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen MdB wegen Straftaten, es sei denn, dass es sich um Beleidigungen politischen Charakters handelt.

(2) Indemnität

Das Wort kommt vom lateinischen indemnitas und bedeutet "Schadloshaltung". Niemand soll den Abgeordneten, weil er sich im Parlament auf bestimmte Art geäußert oder abgestimmt hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgen können. Dieser Schutz gilt zu aller Zeit, sogar nach dem Ausscheiden aus dem Parlament. Ausgenommen sind aber verleumderische Beleidigungen.

(3) Mitarbeiterpauschale

Mit dieser Pauschale kann der Abgeordnete wissenschaftliche Mitarbeiter, Sekretäre und/oder Bürohilfskräfte in seinem Abgeordnetenbüro oder im Wahlkreis beschäftigen. Voraussetzung sind ordentliche Arbeitsverträge. Die Abrechnung erfolgt über die Bundestagsverwaltung. Was großzügig wirkt, relativiert sich, wenn man dem Bundestag, der Legislative, die über 25.000 Mitarbeiter gegenüber stellt, die im Ministerialapparat der Bundesregierung, der Exekutive, beschäftigt sind.

(4) Direktmandat

Das Direktmandat wird direkt vom Wähler an einen Bewerber im eigenen heimischen Wahlkreis vergeben. Und zwar geht der Auftrag immer an denjenigen Kandidaten, der vor Ort die meisten Erststimmen bekommt. Er ist automatisch gewählt, unabhängig vom Abschneiden seiner eigenen Partei. Das verhilft ihm in der Bundestagsfraktion zu einer relativ unabhängigen Stellung. Stärker als der "Listenabgeordnete" ist der direkt gewählte Volksvertreter Ansprechpartner für Interessen seines Wahlkreises.

(5) Listenmandat

Abgeordnete, die über die Landesliste ihrer Partei in den Bundestag eingezogen sind, nennt man "Listenabgeordnete". Sie sind keineswegs zweitrangig und verfügen über die gleichen Rechte wie ihre direkt gewählten Kollegen. Vor allem kleinere Parteien können zumeist ihre Abgeordneten nur über die Landeslisten ins Parlament schicken. Häufig betreuen die Listenabgeordneten auch einen oder mehrere Wahlkreise.

(6) Überhangmandat

Überhangmandate kommen dann zu Stande, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erringt, als ihr nach ihrem Anteil an Zweitstimmen dort zustehen würden. Zum Beispiel: Wenn einer Partei in einem Bundesland nach ihrem Anteil an Zweitstimmen 15 Mandate zustehen, sie aber mit den Erststimmen in 17 Wahlkreisen ihre Kandidaten durchbringt, dann erhält sie zwei Überhangmandate. Denn einem direkt gewählten Abgeordneten kann man das Mandat nicht wieder wegnehmen.

(7) Wahlkreis

Damit das Verfassungsgebot der "gleichen" Wahl eingehalten wird und alle Stimmen gleich viel Gewicht haben, ist das Bundesgebiet in 299 Wahlkreise eingeteilt, in denen stets annähernd gleich viel Wahlberechtigte wohnen. Das sind jeweils rund 200.000, wobei gewisse Abweichungen nach oben und unten möglich sind. Faktisch gibt es aber zwischen den Wahlkreisen erhebliche Unterschiede, die sich auch in der Betreuung durch die Abgeordneten niederschlagen: Ein Flächenwahlkreis mit großer Ausdehnung erfordert allein zeitlich mehr Fahr- und Organisationsaufwand als ein auf wenige Kilometer beschränkter Großstadtwahlkreis.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2002/bp0208/0210018a
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion