Das Parlament mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen
-
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen
-
Homepage des Bundestages | Startseite | Volltextsuche | Ausgabenarchiv | Abonnement | Impressum | Links
-

Volltextsuche
Das Parlament
Nr. 10 / 01.03.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

Zur Druckversion
Helmut Heinzlmeir

Zwischen Krieg und Hoffnung

Das Afrika-Jahrbuch 2002
Bundeskanzler Schröder besuchte im Januar 2004 Afrika, genauer, das Afrika südlich der Sahara. Diese Region zerfällt in 49 Staaten. Sie zählt weit über 600 Millionen Einwohner. Im Kanzleramt hieß es zu der Reise, mit ihr solle ein Zeichen gesetzt werden, dass Afrika "uns Europäer unmittelbar angeht". "Die Probleme Afrikas", so einer der Kanzler-Berater, "können sehr schnell auch unsere Probleme werden." Auch Deutschland müsse sich um die Stabilisierung des Nachbar-Kontinents kümmern.

Afrika ist ein Schwerpunkt deutscher Entwicklungshilfe. Im einzelnen lässt sich das in dem empfehlenswerten Afrika-Jahrbuch des renommierten Instituts für Afrika-Kunde in Hamburg nachlesen. Es enthält nicht nur Artikel zu jedem einzelnen schwarzafrikanischen Land sondern auch informative länderübergreifende Analysen. Deutlich wird dabei, wie sehr Politik in Schwarzafrika im Wesentlichen von Schwarzafrikanern zu verantworten ist.

Das schließt Einflussnahmen, nicht zuletzt der USA und der beiden einstigen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien, nicht aus. Ihre Interessen auf dem Kontinent sind weit größer als jene Deutschlands. Afrikas Anteil am deutschen Außenhandel liegt bei etwa zwei Prozent.

Britische Truppen sorgten in Sierra Leone, französische in der Elfenbeinküste dafür, dass es mit den dortigen Bürgerkriegswirren wenigstens ein vorläufiges Ende hatte. Westafrikanische Staaten werden - am augenfälligsten in Liberia - von Despotie und Krieg heimgesucht (Peter Körner/Andreas Mehler). Westafrika gewinnt aber auch als Ölproduzent - nicht nur von Nigeria bis hinab nach Angola, sondern auch im Golf von Guinea - an Bedeutung.

Wegen der politischen Risiken rund um den persischen Golf bemühen sich die USA um eine Diversifikation ihrer Bezugsquellen. Bereits heute beziehen die USA rund 15 Prozent ihrer Erdölimporte aus Afrika. Dieser Anteil soll auf 25 Prozent gesteigert werden. Neue Technologien erleichtern Off-Shore-Förderung insbesondere in den westafrikanischen Küstengewässern (Andreas Mehler).

Zur Linderung der Armut in Westafrika werden die Milliardenerlöse aus dem Ölgeschäft jedoch kaum beitragen. Die jeweiligen Regimes werden dies zu verhindern wissen. Nigeria und Angola - Stichwort Korruption - sind diesbezügliche Vorbilder (Peter Meyns). Während sich internationale Entwicklungshilfe im kriegszerstörten Angola um die Millionen Hungernden im Lande bemüht, schieben die Regierenden die Milliardenerlöse aus dem Ölgeschäft ins Ausland ab.

Nirgendwo auf der Welt stellt sich das Problem des Staatszerfalls so drängend wie in Afrika. Auf dem Kontinent ist vielerorts - nicht nur in Westafrika - das, was man als "nation-building" bezeichnet, gescheitert. In Afrika sind riesige Räume - von Angola bis zum Sudan, ungeachtet aktueller Friedensbemühungen - bar jeder staatlichen Kontrolle, es herrschen so genannte Warlords, Drogen-, Waffen- und Diamantenschmuggel blühen. Am augenfälligsten stellen sich diese Probleme in Zentralafrika, - in den Auseinandersetzungen in und um Kongo/Zaire.

Mehr als ein halbes Dutzend Nachbarstaaten - insbesondere Rwanda und Uganda, fokussiert auf die Kivu-Provinz - waren beziehungsweise sind darin verwickelt. Die Auseinandersetzungen haben mittlerweile zwischen drei und vier Millionen Menschenleben gekostet. Damit zählt der Kongo-Krieg mehr Todesopfer als jeder andere Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg (Denis Tull/Christiane Kayser). Und ein Ende der Auseinandersetzungen ist, trotz vielfältiger Vermittlungsbemühungen, nicht in Sicht. Es geht bei alledem nicht nur um seltene Bodenschätze und Geld, sondern auch um Macht an sich.

Mochte es nach dem Ende des Kalten Krieges scheinen, als ob Afrika weithin an weltpolitischer Bedeutung eingebüßt habe, so hatte es damit nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ein Ende. Insbesondere Ostafrika wurde für die USA wieder von Interesse. Dort leben - vom Sudan über Somalia und Kenia bis Tanzania - allenthalben substantielle muslimische Bevölkerungsgruppen (Rolf Hofmeier). Die Region kann als Zufluchtsort und Ausgangspunkt für Terrorismus nicht ausgeschlossen werden.

Die USA wollen Israel und den arabischen Ölquellen nahe sein. Washington vermittelt im sudanesischen Bürgerkrieg und zwischen den verfeindeten Nachbarn Äthiopien und Eritrea. Einen Staat Somalia gibt es seit runden fünfzehn Jahren ohnehin nicht mehr. Deutlich wird: auch eine Weltmacht tut sich schwer, am Horn von Afrika so etwas wie Frieden herzustellen (Ulf Terlinden/Tobias Debiel). Es sind insbesondere die länderübergreifenden Analysen, die dieses Jahrbuch lesenswert machen.

Institut für Afrika-Kunde, Rolf Hofmeier/ Andreas Mehler (Hrsg.)

Afrika Jahrbuch 2002.

Leske + Budrich Verlag, Opladen 2003; 467 S., 35,- Euro

Zur Inhaltsübersicht Zurück zur Übersicht