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Claudia Heine
Von Banausen und Bierdeckeln
Einstimmung auf das Superwahljahr 2004: Der
Politische Aschermittwoch
Mit Zurückhaltung, innerer Einkehr oder Buße hat der
Politische Aschermittwoch nichts zu tun. Schon gar nicht streut
sich die Polit-Prominenz Asche aufs eigene Haupt, sondern
schüttet kübelweise derbe Sprüche und Beschimpfungen
über die politischen Gegner aus. Das ist der Sinn dieses
jährlichen Spektakels, mit dem sich die Parteien verbal ihrer
selbst versichern. Mit dem religiösen Inhalt des Tages, der
den Beginn der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern
einläutet, verbindet den Politischen Aschermittwoch eher
wenig. Im Gegenteil. Martin Schulz, der sozialdemokratische
Spitzenkandidat für die Europawahl im Juni 2004, behauptete
gar am vergangenen Mittwoch: "Wir haben die demoskopische
Fastenzeit schon hinter uns. Ab heute beginnt die
Gewichtszunahme."
Im Superwahljahr 2004 warten 14 Einzelwahlen auf die
Wähler, und so galt es am 25. Februar, die eigene
Anhängerschaft mit optimistischen Parolen zu motivieren. Am
lautesten tönte es dabei von der CSU. Während seiner
zweistündigen Rede vor immerhin 8.000 Anhängern griff
CSU-Chef Edmund Stoiber Bundeskanzler Gerhard Schröder scharf
an: "Seine Reformpolitik ist gescheitert. Schröder ist
gescheitert", rief er unter tosendem Applaus in die Menge.
Während seiner Generalabrechnung mit der rot-grünen
Bundesregierung blieb kein Thema unerwähnt: Angesichts von
Schuldenrekord, Massenarbeitslosigkeit, Dosenpfand und
Praxisgebühr könne man nur noch deren Rücktritt
fordern: "Deutschland hat es nicht verdient, von solchen Banausen
regiert zu werden", so die parteipolitische Polemik Stoibers. In
ungewohnt deutlicher Form bekam auch die Wirtschaft ihr Fett weg,
der Stoiber vorwarf, bei der Umsetzung von Reformen zu feige zu
sein und den "Schwarzen Peter" an die Politik zu schieben.
Nicht ganz so polemisch präsentierte sich der designierte
SPD-Chef Franz Müntefering bei der Kundgebung seiner Partei in
Vilshofen. In seiner überwiegend sachlichen, staatstragenden
Rede fiel vor allem eine Verbalattacke gegen den CDU-Politiker
Friedrich Merz auf. Dessen Aussage, es müsse künftig
möglich sein, die Steuererklärung auf einem Bierdeckel zu
machen, kritisierte Müntefering als unrealistisch: "Das kann
man nur sagen, wenn man ganz lange vor dem Bierdeckel gesessen hat
und sich total besoffen hat." Weitere Steuersenkungen schloss er in
diesem Zusammenhang aus, da dadurch das Geld "verjubelt"
würde, das für Kindergärten, Schulen und Hochschulen
gebraucht würde, sagte der SPD-Fraktionschef und verteidigte
die Reformpolitik der Bundesregierung. Wenn die SPD die notwendigen
Weichen nicht stelle, würden Union und FDP "Kleinholz
schlagen".
Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach beim Politischen
Aschermittwoch seiner Partei in Düsseldorf der Opposition
jegliche Regierungsfähigkeit ab und bedachte dabei, ganz dem
Ritual angemessen, den bayerischen Ministerpräsidenten mit
Hohn und Spott: "Da kämpft einer um sich selbst und rennt der
eigenen Zukunft hinterher." Stoiber sei "nur noch
tiefenpsychologisch zu erklären", bemerkte der Kanzler.
Der Politische Schlagabtausch entstand Anfang des 20.
Jahrhunderts am Rande eines Hornvieh- und Rossmarktes im
niederbayerischen Vilshofen. Eine Gelegenheit, die die Bauern auch
nutzten, um die königlich-bayerischen Politik zu kritisieren.
1919 rief der Bayerische Bauernbund aus diesem Anlass erstmals zu
einer Kundgebung auf. Der Politische Aschermittwoch war geboren und
ist bis heute vor allem eine Bayerische Angelegenheit und ein
Heimspiel der CSU. Allein die Teilnehmerzahlen sprechen für
sich: Während Stoiber vor 8.000 Menschen sprach, bewegten sich
die Zahlen bei den anderen Parteien im dreistelligen Bereich.
Für die Grünen reichte in Passau ein Donauschiff, auf
dem Parteichef Reinhard Bütikofer vor 200 Anhängern die
Regierungspolitik verteidigte. Vor immerhin 500 Menschen erteilte
Fraktionschefin Krista Sager in Biberach einem möglichen
Bündnis mit der CDU nach der Wahl in Hamburg eine klare
Absage: "Wir sind keine grün angemalte FDP". Gemeinsamkeiten
mit den Liberalen, ebenfalls in Passau zu einem Politischen
Aschermittwoch versammelt, ließen sich allenfalls über
die Größenordnung herstellen. FDP-Parteichef Guido
Westerwelle sprach vor rund 150 Anhängern, kritisierte das
"chaotische" Steuersystem, forderte dessen Abschaffung und
bezeichnete die Ausbildungsabgabe als "bürokratisches
Monster".
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