Caroline Kosel, dpa
Mit der Bahn zur Hasenjagd
Urlaub im DDR-Regierungszug
Walter Ulbricht benutzte den DDR-Regierungszug, weil er
Flugangst hatte, und Erich Honecker schickte damit das
diplomatische Corps zur Hasenjagd. Heute kann man in einen Teil der
einst "staatstragenden" Waggons Urlaub machen. Lehrlinge und
Langzeitarbeitslose haben die vormals blassgrünen Wagen im
vorpommerschen Pasewalk zur Jugendherberge umgebaut und
knallig-bunt angemalt.
Die Waggons stehen auf einem riesigen ehemaligen
Bahngelände, auf dem ABM-Beschäftigte in den vergangenen
sechs Jahren ein Paradies für Eisenbahnfans geschaffen haben:
alte Dampfloks, nostalgische Fahrkartenschalter, Bahn-Uniformen,
Gleisbau-Werkzeuge, 100 Jahre alte Eisenbahnpläne und eine
Mitropa-Geschirr-Sammlung zählen zu den
Ausstellungstücken des Museums, das dort und in einem
früheren Lokschuppen eingerichtet wurde.
Von Luxus waren die Regierenden nicht umgeben. Die engen Abteile
sind mit braunem Mobiliar aus Sprelacard - mit Kunststoff
überzogene Holzplatten - eingerichtet. Die Polstersitze sind
schmutzig-rot. Gehobenen Standard gab es für die prominenten
Passagiere nur in technischer Hinsicht: Jede Schlafkabine hatte
fließendes warmes und kaltes Wasser, manche auch eine
Dusche.
Die in der Regierungszeit Walter Ulbrichts gebauten 40
Eisenbahn-Wagen wurden wechselweise als Regierungszug, Stabszug der
DDR-Armee oder vom Minister für Verkehrswesen genutzt.
"Ulbricht litt unter Flugangst", erzählt Joachim Breuninger
vom DB-Museum in Nürnberg. Honecker sei lieber geflogen oder
mit dem Auto gefahren. "Der Zug wurde schließlich fast nur
noch für den Transport des diplomatischen Corps zu der
alljährlich von der DDR veranstalteten Hasenjagd in den
Bezirken Erfurt und Magdeburg verwendet", berichtet der
Bahnexperte.
In Pasewalk haben Lehrlinge und Arbeitslose mehrere der
ausrangierten Wagen aufgepeppt. Entstanden ist ein rund 200 Meter
langer Zug aus Disco-, Speise- und Schlafwagen.
Einen Kontrast bietet der Blick in einen Salonwagen des DDR-
Regierungszuges im Museum: In der Küche stehen DDR-Produkte
wie Tempolinsen oder Trinkfix. Im Gang hängen Kopien von
Briefen an Erich Honecker, darunter das berühmte Schreiben des
westdeutschen Rocksängers Udo Lindenberg. Auf der
Plastiktischdecke im Tagungsraum liegen ein "Banner der Arbeit",
eine Honecker-Biografie und der Einsatzbefehl zum 17. Juni 1953.
Die braunen Schränke sind voller Literatur von Marx, Engels,
Lenin, Gorbatschow.
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