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Das Parlament
Nr. 10 / 01.03.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Bert Schulz

Aufgekehrt...

Die Deutsche Bahn hat es wirklich nicht leicht: Sie ist ein einsamer So-Gut-Wie-Monopolist, was sie regelmäßig in Versuchung führt, unüberlegt schreckliche Dinge zu tun. Die Entrüstung, die danach über den Massenbeförderer hereinbricht, lässt die Bahn sich nur noch verlorener fühlen. Wie ein immer poröser werdender Fels in der Brandung steht die Aktiengesellschaft inzwischen da und weiß nicht mehr so recht, wie lange sie den Wellen der Kritik überhaupt noch Paroli bieten möchte.

In den vergangenen Jahren hat sich die große deutsche Lokomotive alle Mühe gegeben, ihr sowieso schon angeknackstes Image weiter zu ruinieren. Mit überwältigendem Erfolg: Innovatives Preissystem, überarbeitete Geschäftsstrukturen, neues Logo, Streckenstillegungen - das sind einige der Begriffe, die bei Bahnkunden sofort Assoziationen wecken wie planmäßige Verspätungen, rüde Behandlung, undurchsichtige Kosten und überfüllte, aber trotzdem eiskalte Züge. Kein Wunder, dass das verbale Herumhacken auf dem noch gänzlich in Staatsbesitz befindlichen Unternehmen (modern "bahn-bashing" genannt) schon zum guten Ton gehört. Erst vergangene Woche erhielt der Groß-Transporteur, der sich so gern "Carrier" nennen lässt, bei einer Umfrage unter 1.000 Verbrauchern nur noch die Schulnote "ausreichend minus", sprich 4,3. Damit ist eine Versetzung in die nächste Klasse nicht mehr möglich. Die Deutsche Bahn bliebe sitzen. Verkehrter Verkehr.

Umso erfreuter dürfte der oberste Zugführer Hartmut Mehdorn gewesen sein, als ihn Kanzler Schröder mit auf seine Reise in die Türkei nahm - nicht nur, weil Mehdorn dorthin den Flieger nehmen durfte. Der Bahnchef unterzeichnete in Istanbul ein Abkommen mit der türkischen Eisenbahngesellschaft, welches besagt, dass die deutschen Eisenbahner den türkischen bei der Modernisierung helfen werden. Mehdorn wörtlich: "Wir wollen unsere positiven Erfahrungen mit der Bahnstrukturreform in Deutschland unseren türkischen Kollegen zur Verfügung stellen." War das eine Drohung? Noch dazu eine, die ganz ins Konzept der von der CDU angepeilten Außenpolitik gegenüber der Türkei passt? Ist Mehdorn ein U-Boot der Opposition im Flugzeug des Kanzlers?

Wir erinnern uns: In der aktuellen Diskussion über einen eventuellen EU-Beitritt der Türkei sagt der deutsche Regierungschef "ja", der deutsche Staatschef "vielleicht" und die deutsche CDU-Chefin "nein", oder vielmehr: "privilegierte Partnerschaft". Nun ist eine Zusammenarbeit der türkischen Eisenbahn mit dem deutschen Schienenmonopolisten das beste Beispiel für eine solche Kooperation: Wir Deutschen helfen euch gerne, können dabei aber sicher sein, dass ihr Türken (wenn überhaupt) erst mit einer gehörigen Verspätung ankommen werdet - im Zielbahnhof wie in der EU.

Wenn es um die Modernisierung eines NATO-Partners geht, sollte der Kanzler künftig vielleicht lieber die Chefs der deutschen Automobilkonzerne mitfliegen lassen - und sie verpflichten, ja kein Mautsystem verkaufen zu wollen.

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