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Das Parlament
Nr. 10 / 01.03.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Konrad Watrin

Hoffnung auf neue Einheit

Die Afrikanische Union

Um den inneren Konflikten des Kontinents Einhalt zu gebieten und die wirtschaftliche Zu-sammenarbeit voranzutreiben, haben sich die Staaten 2001/2002 ein wenig nach dem Vorbild der Europäischen Union in Afrikanische Union (AU - www.africa-union.org) umbenannt. Dies geschah 38 Jahre nach ihrem Zusammenschluss zur ineffizienten Vorgänger-Organisation, der Organisation Afrikanischer Einheit (OAU). Die Charta der in Addis Abeba ansässigen AU sieht ein pan-afrikanisches Parlament, einen gemeinsamen Gerichtshof und eine Zentralbank vor. Ihr gehören die 52 unabhängigen afrikanischen Staaten sowie die Demokratische Arabische Republik Sahara an, weshalb Marokko nicht dazu zählt.

Von Einheit ist der durch Katastrophen, Kriege und Armut geplagte schwarze Kontinent auch zu Beginn des 3. Jahrtausends weit entfernt. Zum Zeitpunkt der AU-Gründung tobten mindestens ein halbes Dutzend Bürgerkriege oder blutige Konflikte, während allein im reichen, aber völlig maroden Kongo ein knappes halbes Dutzend Staaten intervenierten. Zynisch-resigniert merkte ein Äthiopier an: "Afrika ist längst eine Union der AIDS-Kranken und der AIDS-Toten."

Einer der maßgeblichen Betreiber, mit dem manch westlicher Beobachter das Projekt gleich in die utopische Ecke drängte, war Libyens Revolutionsführer Muammar al Gaddafi. Er hatte es nach seiner nahezu restlosen Desillusionierung über die arabische Welt und das Scheitern der eigenen pan-arabischen Einheitsträume mit viel Aufwand und langjähriger finanzieller Unterstützung mit auf den Weg gebracht. Im Juni 2000 einigten sich die Außenminister der OAU im libyschen Tripolis auf die Gründung der AU. Auf dem OAU-Gipfel im togoischen Lomé im Juli verabschiedeten 33 afrikanische Staats- und Regierungschefs das Gründungsdokument. Vertreter der 53 OAU-Mitglieder stimmten im März 2001 auf einem Sondergipfel im libyschen Sirte dem neuen losen Staatenbund zu, dessen formelle Gründung im Juli 2002 im südafrikanischen Durban stattfand. Die Umwandlung soll bis 2004 vonstatten gehen und liegt in Händen des Interimsvorsitzenden, Malis Präsidenten Alpha Oumar Konaré. Gaddafi, der in jüngster Zeit durch offizielle Eingeständnisse und Aufgabe des Terrors eine erstaunliche Wendung gen Westen machte, sprach in Sirte gar von den "Vereinigten Staaten von Afrika". Der angeblich "irre" Revolutionsführer hatte für Afrika ein Modell nach amerikanischem Vorbild vorgeschlagen.

Der Haushalt 2003 der neuen AU liegt bei ver-gleichsweise bescheidenen 66 Millionen Dollar. Doch weisen einige Staaten hohe Beitragsrückstände auf. Hauptorgane der AU sind die jährliche Versammlung der Staats- und Regierungschefs und der halbjährliche Exekutivrat der Außenminister. Vorgesehen sind ferner ein Friedens- und Sicherheitsrat aus 15 Staaten, je dreien aus jeder der fünf Regionen Afrikas, sowie eine Afrikanische Eingreiftruppe. Der Sicherheitsrat soll einmal im Rahmen der Konfliktprävention tätig werden und bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder Völkermord ein begrenztes Interventionsrecht mit seiner Friedenstruppe haben.

Die Vorgängerin OAU hatte sich ohne Zweifel Verdienste bei der Unabhängigkeit erworben, zumal durch Unterstützung der Befreiungsbewegungen, war aber kein Militärbündnis und arbeitete strikt nach dem völkerrechtlichen Grundsatz der Nichteinmischung, was die Respektierung der von den Kolonialherren gezogenen Staatsgrenzen bedeutete. Die Apartheid-Politik Südafrikas - das 1993 nach deren Überwindung beitrat - wurde mit diplomatischen Mitteln bekämpft. Vor allem westliche Kritiker warfen der OAU daher Einseitigkeit und Unfähigkeit insbesondere bei der Realisierung von Menschenrechten vor.

Als Folge des 11. September schlug der Senegal am 17. Oktober 2001 einen "afrikanischen Pakt gegen den Terrorismus" vor. Eine Woche später stimmten zahlreiche Staatschefs in der nigerianischen Hauptstadt Abuja der "Neuen Afrika Initiative" zu, einer Wirtschaftsoffensive zur Belebung des stagnierenden inner-afrikanischen Handels sowie zur besseren Integration in den Welthandel. Der von der EU und den USA begrüßte Plan ging vor allem auf eine Initiative des südafrikanischen Präsidenten Tabo Mbeki zurück.

Nach Vermittlungen etwa bei einer Armeerevolte in der Zentralafrikanischen Republik Ende 2001 engagierte sich die AU an der Jahreswende 2001/2002 im Machtkampf um das Präsidentenamt auf der seit 1960 von Frankreich unabhängigen Insel Madagaskar. Im Januar 2003 beschloss die AU ihren ersten Militärein-satz. 2.800 Mann wurden zum Schutz des Abkommens zur Beendigung des Bürgerkrieges nach Burundi entsandt. Auf einem Sondergipfel in Addis Abeba im Februar 2003 stellte sich Afrika gegen den drohenden Irakkrieg und beschloss die Einrichtung des Friedens- und Sicherheitsrates. Doch dieser wurde auf der 2. Versammlung der Staats- und Regierungschefs im Juli 2003 in Maputo (Mosambik) wieder auf Eis gelegt. Der Exekutivrat beschloss im März desselben Jahres in N'Djamena (Tschad) zudem ein Anti-Korruptions-Übereinkommen zur Stärkung der Zivilgesellschaft sowie Maßnahmen gegen illegale Parteienfinanzierung.

Die Zukunft des Afrikanischen Gerichtshofes und des Pan-Afrikanischen Parlaments sind ebenso offen wie die Frage der Errichtung einer AU-Kommission nach Brüsseler Vorbild. Immerhin zeigte das auf dem Kontinent schwergewichtige Südafrika, dass so etwas wie ein neues "nation-building" gelingen kann. In einigen Ländern wie Nigeria, Madagaskar und Kenia erfolgten unblutige Machtwechsel. Doch UN-Generalsekretär Kofi Annan dämpfte allzu hoch fliegende Hoffnungen: Afrikas Staatsmänner müssten "immense Hindernisse überwinden, um einen Kontinent aufzubauen, der durch Frieden, Zusammenarbeit, wirtschaftlichen Fortschritt und die Herrschaft durch das Gesetz charakterisiert ist". Die AU muss erst zeigen, ob sie mehr ist als ein Papiertiger. Konrad Watrin

Konrad Watrin ist Journalist, freier Autor und Lehrer in Aumühle bei Hamburg.

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