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Volker Riehl und Christiane Averbeck
Von allen guten Geistern verlassen
Das afrikanische Armageddon in Uganda
Während selbst der Sudan und die Demokratische Republik
Kongo Friedenskurs steuern, wird im Norden Ugandas seit 18 Jahren
weiterhin ein Krieg geführt, der bisher rund 100.000
Menschenleben forderte. Von den Rebellen wurden etwa 20.000 Kinder
entführt. 80 Prozent der Acholi, das sind fast 800.000
Menschen, wurden in so genannte Schutzlager umgesiedelt. Die Bauern
können ihre Äcker nicht mehr bestellen. Fast 90 Prozent
von ihnen werden durch die Welternährungsorganisation mit
Nahrung versorgt. Das Elend in Uganda ist unermesslich. Mit der
Ausdehnung des Krieges wird die Zahl der Binnenflüchtlinge im
Februar 2004 auf 1,4 Millionen geschätzt. "Norduganda ist die
größte vergessene Krisenregion der Welt", meinte Jan
Egeland, Koordinator der Vereinten Nationen für Nothilfe,
schon im vergangenen November.
Der international viel gelobte Präsident Ugandas, Yoweri
Museveni, der seinem Land eine weitgehende Demokratie, steigendes
Wirtschaftswachstum und eine erfolgreiche AIDS-Bekämpfung
bescherte, scheitert seit fast zwei Jahrzehnten militärisch im
Norden des Landes an einer Rebellengruppe, deren
Selbstverständnis sich einem Gemisch aus traditioneller
Religion und vermeintlich christlicher Lehre bedient. Der Konflikt
mit der Lord's Resistance Army (LRA), die sich vor allem aus
Mitgliedern der Ethnie der Acholi rekrutiert, ist militärisch
nicht zu lösen. Gleichzeitig torpediert die Regierung bewusst
Friedenskontakte der Kirchen zu den Rebellen. Aus dieser
überraschenden Konzeptlosigkeit und fatalen Anomie des
Präsidenten schließen Beobachter, dass die ugandische
Regierung kein Interesse hat, diesen Konflikt friedlich oder
militärisch beenden zu wollen. Der Krieg im Norden hat das
Potential, eine auf Ausgleich und Friedensentwicklung orientierte
Region zu destabilisieren. Bezeichnete Madeleine Albright die
Auseinandersetzungen in der Demokratischen Republik Kongo als
"Ersten Afrikanischen Weltkrieg", so gleicht der im Norden Ugandas
einem Afrikanischen Armageddon, in dem alle Seiten langfristig nur
verlieren können.
Abkehr von der "reinen Lehre"
Die Gründerin der Rebellengruppe, Alice Lakwena,
verkörperte noch die "reine Lehre" aus christlicher und
traditioneller Religion. Joseph Kony stutzte die spirituelle
Energie zu Gunsten einer effektiveren militärischen Doktrin
zurecht. So gab es unter seiner Führerschaft keine Steine
mehr, die sich in Handgranaten verwandelten. Auch Alice Lakwenas
biologisch-spirituelle Komponente änderte sich unter dem
"Hohepriester" Kony zu einer mehr zweckgerichteten, propheti-schen
Geheimlehre. Der Hauptfeind von Alice waren die Soldaten der
ugandischen Armee. Kony schuf 1994 zehn neue Gebote. Die Haltung
von Schweinen und weißen Hühnern war ebenso verboten, wie
die Fortbewegung auf Rädern. Häuser mussten mindestens
100 Meter von Straßen entfernt stehen, Schulbesuch war
untersagt. Damit schuf Kony sich die ideologische Legitimation
für eine konsequent terroristische Verfolgung der
Bevölkerung. Jeder Mensch, der gegen diese Regeln
verstieß, musste bestraft, getötet oder zur Umerziehung
entführt werden. Kony wurde zum Schlächter seines eigenen
Volkes.
Er verfügt über eine 3.000 bis 5.000 Soldaten starke,
fanatisch gedrillte Rebellentruppe, die überwie-gend aus
entführten und zwangsrekrutierten Kindern besteht. Im
Südsudan befinden sich große Trainingslager der LRA. Erst
ab Mitte 2003 hat Kony den Krieg erheblich über das
Acholigebiet in die Regionen der Ethnien der Langi und Teso
hinausgetragen.
Die Mehrheit der Acholi ist gezwungen, in Schutzdörfern zu
leben. Wer das Lagerleben verweigert, gilt als Kollaborateur der
Rebellen. Die Menschen sind von Hilfslieferungen des
Ernährungsprogramms der UN abhängig, die AIDS-Rate
schnellt in die Höhe, und Analphabetismus grassiert.
Währenddessen akquiriert der Halbbruder des Präsidenten,
Salim Saleh, unter dem Deckmantel eines Sicherheits- und
Entwicklungsprogramms die zwangsvakanten Äcker und lässt
die Notleidenden Getreide auf ihrem vormals eigenen Land anbauen.
Dieses System der Unterdrückung, Ausbeutung und verkappten
Neo-Kolonisierung funktioniert nur, solange der Krieg
weitergeführt wird und die Armee faktisch die neue Landnahme
sichert, anstatt eine friedliche Beendigung anzustreben.
Für die Lösung des Konflikts ist unerheblich, ob die
ugandischen Machthaber den Krieg nicht beenden wollen oder
können. Für die Fortsetzung des Krieges spielt es keine
Rolle, dass die LRA von einer spirituell verwirrten jedoch
militärisch versierten und enigmatischen Erscheinung
geführt wird. Das von der Regierung weiterhin gültige
Amnestieangebot für die LRA-Kämpfer würde nur bei
einer geschwächten Rebellenarmee Wirkung zeigen. Entscheidend
ist, dass die LRA seit 18 Jahren stärker ist als je zuvor. Mit
ihrem Terror metzelt sie die Menschen und verwüstet das
Land.
Die sudanesische Regierung unterstützt die LRA und nutzt
sie für die Realisierung eigener Ziele aus. Dies tut auch die
ugandische Regierung. Durch den seit Jahrzehnten schwelenden
Konflikt sichert sich die ugandische Armee eine fortlaufende
Aufrüstung und einen wachsenden Anteil am ugandischen Haushalt
- die Berechtigung der eigenen Existenz. Durch den Konflikt
bereicherte Offiziere können dem Präsidenten nicht
gefährlich werden. Für Aufsehen sorgten kürz-lich so
genannte "Geisterdivisionen" in der ugandischen Armee, deren Sold
in die Taschen hoher Militärs abfloss.
Einige Hundert Millionen US-Dollar gehen jährlich in den
ugandischen Wehretat - mit steigender Tendenz. Mehr als die
Hälfte des Haushalts bezahlt die Official Development
Assistance (ODA), auch Deutschland. Rein rechnerisch finanziert die
internationale Gemeinschaft den Krieg im Norden. Damit trägt
auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zur Verlängerung
des Krieges bei, indem sie freiwerdende Budgetkapazitäten im
ugandischen Haushalt schafft.
Das Acholi-Volk aber wird zwischen LRA und Regierung
aufgerieben. "Die beinharte Haltung der ugandischen Regierung
lässt keine Hoffnung auf einen Friedensschluss zu. Das
Resultat von brutalem Rebellenterror und militärischer
Regierungsantwort ist ein ostafrikanischer Völkermord!" So
umschreibt der katholische Erzbischof der Diözese Gulu, John
Baptist Odama, im Februar 2004 die Situation. Bei
Entwick-lungshilfeministerin Wieczorek-Zeul, im Auswärtigen
Amt, im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung sowie im Ausschuss für Menschenrechte warb er
für eine stärkere Einbindung und Einflussnahme von EU und
UN für eine friedliche Lösung.
Moralisches Dilemma
Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit steht vor einem
moralischen Dilemma und hat doch eine echte Chance, es zu
lösen. Es gilt, eine demokratische Regierungsführung und
die wirtschaftliche Weiterentwicklung zu fördern. Wenn jedoch
ein Entwicklungsprozess im Süden des Landes gleichzeitig mit
der Verelendung des Nordens einhergeht, darf die bilaterale
Entwicklungszusammenarbeit nicht länger bedingungslos weiter
fließen. Zudem sollte in Übereinstimmung mit den
europäischen Partnern ein von allen Seiten akzeptierter
neutraler Vermittler Verhandlungen über einen Waffenstillstand
aufnehmen. Die Bereitschaft der ugandischen Regierung, einen
Waffenstillstand in Friedensverhandlungen weiterzuführen,
sollte mit nachhaltigen Entwicklungsanstrengungen für den
Norden verbunden sein. Vermittlung, Überwachung und
Friedensimplementierung sollten nach einer road map von
afrikanischen Institutionen und Regionalvertretungen
durchgeführt werden. Wenn die u-gandische Regierung nicht
ernsthaft an Vermittlung und Verhandlungen interessiert ist, sollte
dieses Verhalten nicht länger von der internationalen
Gebergemeinschaft honoriert werden.
Dr. Volker Riehl ist entwicklungspolitischer Beauftragter des
Hilfswerks MISEREOR und Dr. Christiane Averbeck Referentin des Rats
für Nachhaltige Entwicklung.
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