|
|
Reinhard Baumgarten
Das zähe Ringen um Frieden im Kampf um
Öl
Der Sudan: Das flächengrößte Land
Afrikas befindet sich im Umbruch
Die Zeichen stehen auf Frieden im Sudan. In Nordkenia versuchen
Rebellen und Regierung bei zähen Verhandlungen die letzten
großen Hindernisse für ein umfassendes Friedensabkommen
zwischen Nord und Süd aus dem Weg zu räumen. Offen ist
die Frage nach der künftigen Machtverteilung. Die Sudanesische
Volksbefreiungsbewegung (SPLM) fordert mehr Einfluss und Befugnisse
bei Regierung und Verwaltung des Landes. Ihr Führer John
Garang soll Vizepräsident des größten afrikanischen
Flächenstaates werden. Die Herrschenden in Khartoum sind indes
nur zögerlich willens, Macht und Pfründe zu teilen.
Offen sind auch die künftigen politischen und
administrativen Grenzen einiger Provinzen im Südsudan. Der
Grenzverlauf ist nicht unerheblich. Beide Seiten haben sich darauf
verständigt, dass die Menschen sechs Jahre nach Unterzeichnung
des Friedensabkommens über die mögliche staatliche
Unabhängigkeit des Südens abstimmen werden.
Geeinigt haben sich Regierung und Rebellen nun auf den
weitgehenden Truppenabzug des Nordens aus dem Süden. Von den
derzeit knapp 103.000 Soldaten wird Khartoum nach Friedensschluss
lediglich 12.000 im Süden belassen. Auch bei der
paritätischen Teilung der Öleinnahmen konnten sich Nord
und Süd verständigen. Der Erlös der täglich
geförderten 250.000 Fass Öl wird je zur Hälfte
zwischen Regierung und SPLM aufgeteilt.
Die insgesamt sehr positive Entwicklung im längsten
Bürgerkrieg auf dem afrikanischen Kontinent wird indessen
durch einen neuen blutigen Konflikt im Westen des Landes erheblich
getrübt. In den Provinzen Nord-, West- und Süddarfur tobt
seit knapp einem Jahr ein neuer Krieg. Die Lage ist dramatisch.
Rund 700.000 der rund 2,1 Millionen Menschen in den
Darfur-Provinzen sollen sich Berichten internationaler
Hilfsorganisationen zufolge auf der Flucht befinden. Felder bleiben
unbestellt, Ernten fallen aus, Vieh wird gestohlen, Menschen werden
entführt und getötet. Im Westsudan droht eine Hungersnot.
Die Gründe für den neuen Konflikt gleichen jenen im
Süden: Vernachlässigung, Verarmung, Diskriminierung,
Ausbeutung.
Es werde keinen umfassenden Frieden im Sudan geben, sagt Abdel
Waheed el-Nur, Chef der Sudanesischen Befreiungsbewegung SLM, wenn
die Regierung in Khartoum kein umfassendes Abkommen mit den
Aufständischen im Westen aushandle. Aber die Regierung zeigt
sich bislang taub. Mit den Rebellen im Süden setzt sie sich
wegen des massiven amerikanischen und internationalen Drucks ins
Benehmen. Die Aufständischen im Westen hingegen sind für
sie Banditen und Terroristen. Keine Gespräche, keine
Verhandlungen. Die Herrscher in Khartoum verfahren nach den alten
falschen Rezepten: Sie schicken Truppen und be-waffnen arabisierte
Viehzüchter.
Die Jamjaweed gehen mit großer Brutalität gegen
afrikanische Bauern vor und vertreiben diese von ihrem Land. "Die
Jamjaweed", so der aus Kutum in Norddarfur stammende Sa'id Fulan,
"überfallen Dörfer und raffen alles von Wert an sich. Was
sie nicht mitnehmen, das verbrennen sie. Danach töten sie die
jungen Leute." Die Jamjaweed durchziehen als Nomaden den in der
Sahelzone liegenden Nordwesten des Sudan. Jedes Jahr rückt die
Sahara hier bis zu acht Kilometer nach Süden vor und raubt den
Viehzüchtern kostbares Weideland. Diese versuchen sich an den
Ackerbauern schadlos zu halten.
Einer der Gründe für die Rebellion im Süden, das
hat Khartoums Außenminister, Mustafa Osman Ismail,
unlängst bei den Friedensverhandlungen in Naivasha betont, sei
die soziale Ungerechtigkeit bei der Teilung von Wohlstand und
Macht. Man dürfe diesen Fehler nicht in anderen Teilen des
Landes wiederholen. Doch genau das geschieht gegenwärtig im
Westen. Statt eines fairen Anteils an Wohlstand und Reichtum
bekommen die Menschen in Darfur Bomben auf ihre Dörfer.
Knapp zwei Milliarden Dollar nimmt der Sudan mittlerweile
jährlich durch Verkauf von Öl ein. Die Hauptstadt boomt -
davon zeugen Autohäuser, Villenviertel, Computerläden.
Der Sudan ist dabei, den Pariastatus abzustreifen und in die
Völkergemeinschaft zurückzukehren.
Bislang ist wegen des Krieges im Süden viel Geld in
Rüstung und Waffen geflossen. Große Summen, meint Alfred
Taban, Chefredakteur der zeitweilig verbotenen Oppositionszeitung
Khartoum Monitor, flössen durch unkontrollierbare Kanäle
in die Taschen der herrschenden Clique. Seit Jahren schon, so
Taban, rede Khartoum davon, den Provinzen mehr Mittel und Macht
zuzugestehen. Tatsächlich aber verarmten die Provinzen mehr
und mehr. Viele Erwachsene wandern auf der Suche nach Arbeit und
Einkommen ab. Die Gebildeten ziehen nach Khartoum. Wer sich mit dem
Regime nicht arrangieren kann, geht ins Aus-land. "In Darfur", sagt
Sa'id Fulan, "findest du nur noch Ungebildete, Alte und
Kinder."
Nicht Ideologie oder ein großer Plan stecken hinter dem
Vorgehen der Regierung, meint Joshua Dau Diu von der
oppositionellen Union der Sudanesisch-Afrikanischen Parteien. "Ihre
Kinder sind im Ausland und leben von dem großen Geld."
Sozialismus, Kapitalismus, Islamismus, so Dau Diu, seien
Ideologien, die von den Herrschenden in den vergangenen Jahrzehnten
lediglich als Staffage benutzt worden seien, um die eigenen Taschen
zu füllen. Der lange Krieg im Süden und der neue Krieg im
Westen, stellt der Politikwissenschaftler Omar Abdel Wadud (Name
geändert) fest, seien nur die augenfälligsten Merkmale
für die Zerrissenheit des Sudan.
Nial Diu, ein Flüchtlingslager am Gazellenfluss in der
Provinz Unity State - gut 1.000 Kilometer südlich der
Hauptstadt Khartoum. Die Deutsche Welthungerhilfe verteilt hier
Hilfsgüter wie Eimer, Zelte, Decken, Kleidung. In Unity State
wird noch gekämpft. Süd kämpft hier gegen Süd.
Rivalisierende Fraktionen der sudanesischen Volksbefreiungsarmee
(SPLA) wollen ihre Positionen festigen.
Eine Kuh wechselt die Front, läuft über vom Gebiet der
Lek zum Gebiet der Bul. Die Lek wollen sie wiederhaben. Aber Hirten
der Bul weigern sich, das Rindvieh zurückzugeben. Fäuste,
Steine, Speere fliegen. Dann greifen schwerbewaffnete
Milizionäre ein. Der Streit wird zur Schlacht, die Schlacht
zum Stammeskrieg, Tausende von Lek und Bul fliehen und leben nun
friedlich Seite an Seite im Flüchtlingslager. Die
Milizionäre aber schlagen noch immer aufeinander ein. Niemand
ist da, um sie zu entwaffnen. Freiwillig werden diese jungen
Männer, die nichts anderes gelernt haben, als zu kämpfen,
ihre Waffen kaum abgeben. Lek und Bul gehören zum Volk der
Nueer. Im Sudan leben knapp 600 Völker, Stämme und
Unterstämme, die mehr als 130 verschiedene Sprachen
sprechen.
In keinem Land Afrikas wird länger gekämpft als im
Sudan - mit wenigen Jahren Unterbrechung seit der
Unabhängigkeit von Großbritannien 1956. Die jüngste
Runde der Gewalt zwischen Nord und Süd brach 1983 aus. Der
damalige Staatschef Ja'afar al-Numeiri sprach dem Süden die
zuvor blutig erkämpfte Autonomie ab, zog neue administrative
Grenzen und erklärte die Scharia (Islamisches Recht) zur
alleingültigen Ge-setzesgrundlage für den Sudan. Die
Menschen im Süden begehrten auf, Rebellen wehrten sich gegen
das Diktat aus dem Norden, der massiv zurückschlug. Gut zwei
Millionen Menschenleben haben dieser Krieg und seine Folgen bislang
gefordert, vier Millionen sind zu Flüchtlingen geworden.
Der Krieg zwischen dem afrikanischen Süden und dem
arabisierten Norden hat tiefe Wunden geschlagen. Gegenwärtig
ist es schwer vorstellbar, dass sich in sechs Jahren eine Mehrheit
im Süden für einen Verbleib im sudanesischen
Staatsverband finden wird. Jahrhunderte lang haben arabisierte
Nordsudanesen die Menschen im Süden ausgebeutet, versklavt und
unterdrückt. Die britischen Kolonialherren haben in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts versucht, diesem Treiben einen
Riegel vorzuschieben. Nach der Unabhängigkeit 1956 sind die
alten Konfliktlinien aber wieder aufgebrochen. Sie verschärfen
sich in den 80er-Jahren mit der Entdeckung und der
Erschließung großer Rohstoffvorkommen im Süden. In
den 90ern versuchten die regierenden Islamisten in Khartoum, ihren
Feldzug um Rohstoffe, Ressourcen und die Vormachtstellung als Jihad
(Heiliger Krieg) darzustellen.
Die Zukunftsaussichten im Süden sind alles andere als
rosig. Weite Teile des Landes sind vermint, die Infrastruktur ist
zerstört, intakte Schulen und Krankenhäuser finden sich
kaum noch. Ob der Norden tatsächlich die Hälfte der
Öleinnahmen an den Süden überweisen wird, ist
keineswegs sicher. Und ob das Ölgeld auch da ankommt, wo es am
dringendsten gebraucht wird - bei den einfachen Menschen, den
Flüchtlingen, Schulkindern - ist sehr fraglich.
Die Lebensumstände in den von der SPLA kontrol-lierten
Gebieten sind nicht besser als in den von der Regierung
beherrschten Landstrichen. Auch hier fehlt es an Sicherheit und
Arbeitsplätzen. Auch hier gibt es eine selbstherrliche
Herrscherriege, die sich darauf versteht, den eigenen Vorteil zu
suchen. Die Befreiungsbewegung steht nicht in geschlossener
Nibelun-gentreue hinter ihrem Führer John Garang. Er ist Dinka
und gehört zum Stamm der Bor. Zu offensichtlich, sagen seine
Kritiker aus dem SPLA-Lager, versuche er Leute seines Stammes und
Clans in einflussreiche Positionen zu hieven. Andere
Dinka-Stämme kommen zu kurz. Ganze Regionen - wie die im
äußersten Süd-osten gelegene Provinz Äquatoria
- fühlen sich über-gangen. Demokratische Strukturen wird
es nach Ein-schätzung von Chefredakteur Alfred Taban weder im
Norden mit Staatschef Omar Hassan el-Bashir noch im Süden mit
John Garang geben. Garang, meint Taban, habe großes Interesse
an Demokratie im Norden. Aber aufgrund der massiven
Menschenrechtsverletzungen, die seine Leute an der Bevölkerung
im Süden begangen hätten und aufgrund der Sicherung der
eigenen Machtansprüche, werde der Rebellenchef wohl kaum
Demokratie im Süden zulassen.
Das Friedensabkommen zwischen Nord und Süd wird kommen. Vor
allem, weil die USA Druck ma-chen. Schert Khartoum auf der
Zielgeraden aus, dann droht Washington mit massiver
Unterstützung der Rebellen im Süden. Ob mit dem Vertrag
auch der Frieden kommt, ist keineswegs ausgemacht. Viele Waffen,
Eigeninteressen, offene Rechnungen und ungesühnte Verbrechen
hat das blutige Wüten in den vergangenen zwei Jahrzehnten
hervorgebracht. Der Weg zur Aussöhnung im Sudan ist
steinig.
Reinhard Baumgarten ist ARD-Hörfunkkorrespondent in
Kairo.
Zurück zur
Übersicht
|