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Günter Pursch
Köhler fordert neuen Aufbruch
Erste Auslandsreisen führen nach Polen und
Frankreich
Eine konsequente Fortsetzung der Reformpolitik
hat der neue Bundespräsident Horst Köhler nach seiner
Vereidigung in der gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat
am 1. Juli verlangt. Gleichzeitig forderte er von den Menschen
einen Mentalitätswandel. "Aus ureigenstem Interesse braucht
Deutschland einen neuen Aufbruch", hob er wörtlich hervor. Der
61-jährige ehemalige Direktor des Internationalen
Währungsfonds und frühere Staatssekretär im
Bundesfinanzministerium ist am 23. Mai von der Bundesversammlung
zum neunten Bundespräsidenten gewählt worden.
Bevor Horst Köhler den Amtseid mit der
Formel "So wahr mit Gott helfe" leistete, würdigten
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und
Bundesratspräsident Dieter Althaus das fünfjährige
Wirken des scheidenden Bundespräsidenten Johannes Rau. So
dankte Thierse ihm - aber auch dessen Ehefrau - "von Herzen"
dafür, was sie "für unser Land, für die Demokratie
und für die Menschen" getan haben. Das Wohl der Menschen habe
Rau als Maßstab gegolten, an dem sich seine Politik orientiert
habe. Thierse erinnerte an den "mutigen Schritt" Raus, als
deutscher Bundespräsident vor der Knesset, dem Parlament in
Israel in seiner Muttersprache zu reden. Rau habe dies damit
begründet, dass es weniger darauf ankomme, in welcher Sprache
man rede, als darauf, was man zu sagen habe.
Nach den Worten von Althaus habe Rau das
"höchste Amt in unserem Staat" mit "Humor und Bibelfestigkeit"
geprägt, er zähle zu den Persönlichkeiten, die das
politische Leben "in unserem Land über Jahrzehnte
maßgeblich" mitgestalteten. Althaus hob zudem hervor, dass Rau
stets ein "engagierter Verfechter des föderalen Prinzips"
gewesen sei.
Johannes Rau seinerseits wies darauf hin,
dass ihm die Freundschaft zu Israel "besonders am Herzen" liege. So
habe er vor der Knesset gesagt: "Die Mitverantwortung für
Israel ist ein Grundgesetz deutscher Außenpolitik seit der
Gründung unseres Staates." Zum Abschluss seiner Abschiedsrede
rief Rau die Deutschen zur Solidarität untereinander auf.
Diese sei "mehr als das Bündnis der Schwachen mit den
Schwachen". Solidarität bedeute, dass die "Starken für
die Schwachen einstehen".
Köhler, dessen etwa 40-minütige
Antrittsrede häufig von Beifall aus allen Fraktionen bedacht
wurde, würdigte zu Beginn seinen Vorgänger Johannes Rau
und dankte ihm für seine Amtsführung. Er forderte dann
sowohl von der Regierung als auch von der Opposition Mut zu neuen
Initiativen und das Aufzeigen von Alternativen: "Wir können
uns trotz aller Wahlen kein einziges verlorenes Jahr für die
Erneuerung Deutschlands mehr leisten." Außerdem sei es
erforderlich, die "Fähigkeit zu konstruktiven Kompromissen" zu
entwickeln. Auch im sozialen Bereich seien noch mehr Ideen gefragt.
Allerdings habe sich der "Sozialstaat heutiger Prägung"
übernommen: "Das ist bitter, aber wahr." Nun müsse auch
die Sozialpolitik nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit gestaltet
werden. Dabei müsse bewusst sein: "Der Umbau des Sozialstaates
verlangt schon jetzt vielen Menschen in Deutschland vieles ab."
Deshalb müsse darauf geachtet werden, dass alle Verantwortung
tragen und Opfer bringen, und zwar entsprechend ihrer
Leistungsfähigkeit." Er zitierte in diesem Zusammenhang die
katholischen Bischöfe: Man brauche eine "Entwicklungspolitik
für ein entwickeltes Land". Köhler weiter: "Entwicklung,
nicht Abriss oder Abbau; Entwicklung als Umbau."
Köhlers Rede stieß durchweg auf
Zustimmung. So lobte die CDU-Partei- und
CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Angela Merkel, der
Bundespräsident habe "Mut zu neuen Ideen", und er habe
deutlich gemacht, dass er "frischen Wind" in das Land bringen
könne. Von SPD-Partei- und Fraktionschef Franz
Müntefering kann Köhler Unterstützung erwarten.
Köhler habe mit der nötigen Souveränität, "aber
auch Lockerheit" gezeigt, wo die Chancen Deutschlands liegen.
Für die Grünen unterstrich Fraktionssprecherin Krista
Sager, sie hätte nicht erwartet, dass Köhler seinen
Anspruch auf Überparteilichkeit bereits in seiner Antrittsrede
"so deutlich" machen würde.
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