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Das Parlament
Nr. 28 / 05.07.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Günter Pursch

Köhler fordert neuen Aufbruch

Erste Auslandsreisen führen nach Polen und Frankreich
Eine konsequente Fortsetzung der Reformpolitik hat der neue Bundespräsident Horst Köhler nach seiner Vereidigung in der gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat am 1. Juli verlangt. Gleichzeitig forderte er von den Menschen einen Mentalitätswandel. "Aus ureigenstem Interesse braucht Deutschland einen neuen Aufbruch", hob er wörtlich hervor. Der 61-jährige ehemalige Direktor des Internationalen Währungsfonds und frühere Staatssekretär im Bundesfinanzministerium ist am 23. Mai von der Bundesversammlung zum neunten Bundespräsidenten gewählt worden.

Bevor Horst Köhler den Amtseid mit der Formel "So wahr mit Gott helfe" leistete, würdigten Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Bundesratspräsident Dieter Althaus das fünfjährige Wirken des scheidenden Bundespräsidenten Johannes Rau. So dankte Thierse ihm - aber auch dessen Ehefrau - "von Herzen" dafür, was sie "für unser Land, für die Demokratie und für die Menschen" getan haben. Das Wohl der Menschen habe Rau als Maßstab gegolten, an dem sich seine Politik orientiert habe. Thierse erinnerte an den "mutigen Schritt" Raus, als deutscher Bundespräsident vor der Knesset, dem Parlament in Israel in seiner Muttersprache zu reden. Rau habe dies damit begründet, dass es weniger darauf ankomme, in welcher Sprache man rede, als darauf, was man zu sagen habe.

Nach den Worten von Althaus habe Rau das "höchste Amt in unserem Staat" mit "Humor und Bibelfestigkeit" geprägt, er zähle zu den Persönlichkeiten, die das politische Leben "in unserem Land über Jahrzehnte maßgeblich" mitgestalteten. Althaus hob zudem hervor, dass Rau stets ein "engagierter Verfechter des föderalen Prinzips" gewesen sei.

Johannes Rau seinerseits wies darauf hin, dass ihm die Freundschaft zu Israel "besonders am Herzen" liege. So habe er vor der Knesset gesagt: "Die Mitverantwortung für Israel ist ein Grundgesetz deutscher Außenpolitik seit der Gründung unseres Staates." Zum Abschluss seiner Abschiedsrede rief Rau die Deutschen zur Solidarität untereinander auf. Diese sei "mehr als das Bündnis der Schwachen mit den Schwachen". Solidarität bedeute, dass die "Starken für die Schwachen einstehen".

Köhler, dessen etwa 40-minütige Antrittsrede häufig von Beifall aus allen Fraktionen bedacht wurde, würdigte zu Beginn seinen Vorgänger Johannes Rau und dankte ihm für seine Amtsführung. Er forderte dann sowohl von der Regierung als auch von der Opposition Mut zu neuen Initiativen und das Aufzeigen von Alternativen: "Wir können uns trotz aller Wahlen kein einziges verlorenes Jahr für die Erneuerung Deutschlands mehr leisten." Außerdem sei es erforderlich, die "Fähigkeit zu konstruktiven Kompromissen" zu entwickeln. Auch im sozialen Bereich seien noch mehr Ideen gefragt. Allerdings habe sich der "Sozialstaat heutiger Prägung" übernommen: "Das ist bitter, aber wahr." Nun müsse auch die Sozialpolitik nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit gestaltet werden. Dabei müsse bewusst sein: "Der Umbau des Sozialstaates verlangt schon jetzt vielen Menschen in Deutschland vieles ab." Deshalb müsse darauf geachtet werden, dass alle Verantwortung tragen und Opfer bringen, und zwar entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit." Er zitierte in diesem Zusammenhang die katholischen Bischöfe: Man brauche eine "Entwicklungspolitik für ein entwickeltes Land". Köhler weiter: "Entwicklung, nicht Abriss oder Abbau; Entwicklung als Umbau."

Köhlers Rede stieß durchweg auf Zustimmung. So lobte die CDU-Partei- und CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Angela Merkel, der Bundespräsident habe "Mut zu neuen Ideen", und er habe deutlich gemacht, dass er "frischen Wind" in das Land bringen könne. Von SPD-Partei- und Fraktionschef Franz Müntefering kann Köhler Unterstützung erwarten. Köhler habe mit der nötigen Souveränität, "aber auch Lockerheit" gezeigt, wo die Chancen Deutschlands liegen. Für die Grünen unterstrich Fraktionssprecherin Krista Sager, sie hätte nicht erwartet, dass Köhler seinen Anspruch auf Überparteilichkeit bereits in seiner Antrittsrede "so deutlich" machen würde.

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