Das Parlament mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen
-
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen
-
Homepage des Bundestages | Startseite | Volltextsuche | Ausgabenarchiv | Abonnement | Impressum | Links
-

Volltextsuche
Das Parlament
Nr. 33-34 / 09.08.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

Zur Druckversion
Friedhelm Wolski-Prenger

Agenda 2010 - am Ende nur ein Vermittlungsproblem?

"Management of Change" - eine Dokumentation

Die Wirtschafts- und vor allem die Sozialpolitik der Bundesregierung ist nicht populär. Als vorerst letzte Warnung des Wahlvolkes an die sozialdemokratische Volkspartei, deren einstige Stammwähler in Massen zur Opposition, vor allem aber in die Wahlenthaltung abwandern, gilt die Wahl zum Europaparlament. Während für die Restbestände der SPD-Linken oder bei den Gewerkschaften die Richtung der Politik als revisionsbedürftig gilt, klammert sich die Mehrheit der sozialdemokratischen "Reformer" an die Hoffnung, der Wählerschwund sei eine Folge der "Vermittlung".

Hier nun bemüht sich die Gesellschaft für Programmforschung (GfP) um hilfreiche Ratschläge. Die GfP, gegründet 1978, ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung von Wissenschaft und Forschung über öffentliche Aufgaben und Programme. Ziel der GfP ist es ihrer Eigendarstellung zufolge, die Kommunikation zwischen öffentlicher Verwaltung und Vertretern der Forschung zu fördern. Dies geschieht nicht zuletzt durch wissenschaftliche Veranstaltungen.

Eine solche fand zum Thema "Management of Change" im zeitlichen Vorfeld der Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder im März 2003 in Berlin statt. Wissenschaftler verschiedener Disziplinen debattierten mit Praktikern aus Politik, Verwaltung und Unternehmen Ansätze und Erfolgsbedingungen politischer Reformstrategien. Den Diskutanten galt die Richtung der "Agenda 2010" als nicht hinterfragbar, als alternativlos. Es ging der GfP und ihrem Kooperationspartner Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) vielmehr um die Frage, wie der Wandel in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik so zu gestalten wäre, dass ein betrüblicher Wählerschwund zu vermeiden wäre.

Mit anderen Worten, es ging um "Politics"- Strategien. Dazu bemühte man einen betriebswirtschaftlichen Begriff, eben "Management of Change", der - entsprechend aufbereitet - die "Politikberatung" innovativ bereichern soll.

Um darzulegen, was unter dem Management des Wandels in der Industrie zu verstehen sei, eröffnete Jürgen Haase von der Volkswagen Coaching Gesellschaft, wie sein Unternehmen sich darum bemüht, betriebswirtschaftlichen Wandel bei VW und anderen Firmen zu begleiten. Dass die dargelegten Strategien kaum umstandslos in "die Politik" umzusetzen seien, merkte nicht nur der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Gerd Andres an. Auch Sabine Kropp von der Universität Potsdam entgingen die Unterschiede zwischen den Systemen "Großunternehmen" und "Staat" nicht.

Stefan Ramge, Regierungsdirektor im Bundeskanzleramt, stellte historische und gegenwärtige korporatistische Politikansätze in den Zusammenhang der Dis-kussion um "Management of Change". Letztlich stellt eRamge mit Karl Schillers "Konzertierter Aktion" und dem "Bündnis für Arbeit" gescheiterte Versuche dar, den Wandel in der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Tarifpolitik zu managen. Denn in der Politik geht es um Interessen und Macht, so dass korporatistische Ansätze nur in Phasen relativen Machtgleichgewichtes eine Chance haben. Angesichts der globalisierungsgestärkten Arbeitgeber und der aus gleichem Grund geschwächten Gewerkschaften kann derzeit davon keine Rede sein. Das Fragezeichen im Titel ist nur zu berechtigt.

Daher ist es wohl nicht realitätsfern anzunehmen, dass "Management of Change" kaum geeignet sein wird, die Opfer der neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik auch noch zur Stimmabgabe gegen ihre eigenen Interessen zu bewegen.

Die Tagungsdokumentation ist jedoch in anderer Hinsicht ein interessantes Dokument, nicht zuletzt für Akteure der politischen Bildung. Der Band zeigt, wie eine instrumentelle Richtung der Politikberatung, losgelöst von Zielen und Inhalten, meint, Ratschläge für eine bessere "performance" erteilen zu können. Prominente Opfer solcher Strategien heißen jüngst, parteiübergreifend, Rudolf Scharping und Walter Döring.

Friedhelm Wolski- Prenger

Stefan Ramge/ Günter Schmid (Hrsg.)

Management of Change in der Politik?

Reformstrategien am Beispiel der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik. Ein Werkstattbericht.

Waxmann- Verlag, Münster/New York/München/Berlin 2003; 165 S., 19,50, - Euro

Zur Inhaltsübersicht Zurück zur Übersicht