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Das Parlament
Nr. 35-36 / 23.08.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Michael Hereth

Konsens und Koordination in einer sich wandelnden Gesellschaft

Staat, Parteien und Politik im globalisierten Deutschland

Das Buch behandelt Fragen der deutschen Innenpolitik und ein Problem der internationalen Ordnung, den Krieg. Die Einleitung geht von der politikwissenschaftlichen Dreiteilung "polity, policy und politics" als den Eigenarten des Politischen aus. Danach wird der Gegensatz der Verstaatlichung der Politik und der "Vereinnahmung des Staates durch die Parteipolitik" behandelt. Dem folgen Probleme der Personalpolitik, des Föderalismus, der Einigung Europas, der Hegemonialstellung der USA, der Stellung der Medien, der Globalisierung und des Krieges.

Austarierte Machtzentren

Ein erstes Kapitel behandelt Kooperations- und Steuerungsprobleme der verschiedenen Machtzentren in der Innenpolitik. Diese Probleme werden im zweiten Kapitel am Beispiel des kooperativen Föderalismus weiterbehandelt. Die Schwierigkeiten der Politik in der Mediendemokratie, die Macht der Medien, Desinformationsprobleme und Besonderheiten des Wahlkampfs in den Medien füllen das dritte Kapitel, dem ein viertes über besondere Eigenarten des Rechtsystems und seiner Kommunikationsmittel folgt. Im fünften Kapitel stellt Voigt dar, dass die Globalisierung keineswegs nur eine wirtschaftliche Erscheinung ist. Das Verschwinden von Staatsgrenzen, Technologietransfer und Mobilität der Bürger gehören ebenso zur Globalisierung.

Das Kapitel "Deutschland als globalisierter Nationalstaat" beschreibt deutsche Einzelprobleme der Immigration, der deutschen Einheit, der deutschen Identität, Multikulturalismus und die Rolle Deutschlands in Europa. Es folgt eine größere und über den Stand der Debatte informierende Abhandlung über die verschiedenen Erscheinungsformen der Gewaltsamkeit bei der Lösung oder Entfesselung von Ordnungsproblemen in und zwischen den Staaten. Voigt beschreibt Formen des Pazifismus, Erscheinungsformen des Krieges, Terror, geopolitische Probleme, Cyberwar.

Das Buch endet in einem Fazit, in dem eine neue Gestalt der Staatlichkeit und eine Intensivierung zwischenstaatlicher Zusammenarbeit für die Lösung der Probleme der Ökologie, der internationalen Kriminalität, eine Zurückdrängung des Einflusses der Parteien und eine stärkere bürgerliche Verantwortlichkeit gefordert werden.

Das Buch bietet letztlich wenig Neues. Die einzelnen Kapitel wurden alle schon als Aufsätze veröffentlicht. Lediglich Einleitung, Schluss und Einführungen einzelner Abschnitte sind neu. Seltsam ist - und nur durch die Tatsache erklärbar, dass Voigt an der Bundeswehruniversität München lehrt -, dass eines den Kriegskapiteln entsprechendes Kapitel über die internationale Ordnung und ihre Institutionen fehlt.

Erstaunlich ist auch, dass der Autor trotz des vielversprechenden Untertitels ("Die Geburt des Staates aus dem Geist der Politik") gegenüber dem Staat relativ hilflos erscheint. Voigt beruft sich auf Max Weber, um die Frage zu beantworten, wer denn die "staatlichen Akteure, die zum Beispiel Reformen initiieren", seien. Seine Antwort, "dass es eigentlich nur die Beamtenschaft, genauer genommen die Ministerialbürokratie sein kann".

Betrachtet man die Geschichte der Bundesrepublik und ihrer grossen Reformer wie Adenauer, Ehrhard, Katzer, Brandt, Schmidt und Schröder (um nur einige zu nennen: alles Parteipolitiker!), dann ist Voigts Antwort ebenso unverständlich wie sein Insistieren auf einer Veränderung beim Amt des Bundespräsidenten. Der soll nämlich vom Volk gewählt werden, wie überhaupt Plebiszite ebenso wünschenswert seien wie die Zurückdrängung des Einflusses der Parteien.

Diese Vorstellungen sind ebenso ungeklärt wie diejenige, die im folgenden Zitat sichtbar wird. Voigt fragt, wer den "Koordinations- und Konsensbedarf der Gesellschaft" decken könne. Seine Antwort: "Seitdem sie im Mittelalter den Kulminationspunkt ihrer Macht überschritten hat, kommt die Kirche vor allem in Deutschland nicht mehr in Betracht. In der Folge der Reformation stehen sich Protestanten und Katholiken gegenüber, deren unterschiedliche Auffassung vom Christentum auch ökumenische Gottesdienste nicht überspielen können. Neben Christen und Juden sind seit den ersten Anwerbemassnahmen für türkische Gastarbeiter Muslime in Millionenstärke hinzugekommen; Die ungeregelten Einwandererströme der 90er Jahre haben die religiöse Vielfalt noch verstärkt. Es bleibt eigentlich nur der Staat, der den Integrationsbedarf der Gesellschaft organisieren könnte."

Religionsersatz?

Auch wenn Voigt anschließend von der Skepsis anderer gegenüber dieser Forderung spricht, der Rezensent staunt. Will hier einer den Staat als Religionsersatz anpreisen? Der Rezensent entwickelt seinerseits Skepsis gegenüber einem offensichtlich nicht durchdachten Buch, das ihm zudem auf den Seiten 246 und 251 zweimal, teilweise wörtlich, die gleichen Gedanken präsentiert, allerdings unter Berufung auf verschiedene Autoren in den Fußnoten. Michael Hereth

Rüdiger Voigt

Phönix aus der Asche, Die Geburt des Staates aus dem Geist der Politik.

Nomos Verlag, Baden-Baden 2003;

359 S., 34,- Euro

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