|
|
Bert Schulz
Aufgekehrt...
Die Deutsche Bahn hat es wirklich nicht leicht: Sie ist ein
einsamer So-Gut-Wie-Monopolist, was sie regelmäßig in
Versuchung führt, unüberlegt schreckliche Dinge zu tun.
Die Entrüstung, die danach über den Massenbeförderer
hereinbricht, lässt die Bahn sich nur noch verlorener
fühlen. Wie ein immer poröser werdender Fels in der
Brandung steht die Aktiengesellschaft inzwischen da und weiß
nicht mehr so recht, wie lange sie den Wellen der Kritik
überhaupt noch Paroli bieten möchte.
In den vergangenen Jahren hat sich die große deutsche
Lokomotive alle Mühe gegeben, ihr sowieso schon angeknackstes
Image weiter zu ruinieren. Mit überwältigendem Erfolg:
Innovatives Preissystem, überarbeitete
Geschäftsstrukturen, neues Logo, Streckenstillegungen - das
sind einige der Begriffe, die bei Bahnkunden sofort Assoziationen
wecken wie planmäßige Verspätungen, rüde
Behandlung, undurchsichtige Kosten und überfüllte, aber
trotzdem eiskalte Züge. Kein Wunder, dass das verbale
Herumhacken auf dem noch gänzlich in Staatsbesitz befindlichen
Unternehmen (modern "bahn-bashing" genannt) schon zum guten Ton
gehört. Erst vergangene Woche erhielt der
Groß-Transporteur, der sich so gern "Carrier" nennen
lässt, bei einer Umfrage unter 1.000 Verbrauchern nur noch die
Schulnote "ausreichend minus", sprich 4,3. Damit ist eine
Versetzung in die nächste Klasse nicht mehr möglich. Die
Deutsche Bahn bliebe sitzen. Verkehrter Verkehr.
Umso erfreuter dürfte der oberste Zugführer Hartmut
Mehdorn gewesen sein, als ihn Kanzler Schröder mit auf seine
Reise in die Türkei nahm - nicht nur, weil Mehdorn dorthin den
Flieger nehmen durfte. Der Bahnchef unterzeichnete in Istanbul ein
Abkommen mit der türkischen Eisenbahngesellschaft, welches
besagt, dass die deutschen Eisenbahner den türkischen bei der
Modernisierung helfen werden. Mehdorn wörtlich: "Wir wollen
unsere positiven Erfahrungen mit der Bahnstrukturreform in
Deutschland unseren türkischen Kollegen zur Verfügung
stellen." War das eine Drohung? Noch dazu eine, die ganz ins
Konzept der von der CDU angepeilten Außenpolitik
gegenüber der Türkei passt? Ist Mehdorn ein U-Boot der
Opposition im Flugzeug des Kanzlers?
Wir erinnern uns: In der aktuellen Diskussion über einen
eventuellen EU-Beitritt der Türkei sagt der deutsche
Regierungschef "ja", der deutsche Staatschef "vielleicht" und die
deutsche CDU-Chefin "nein", oder vielmehr: "privilegierte
Partnerschaft". Nun ist eine Zusammenarbeit der türkischen
Eisenbahn mit dem deutschen Schienenmonopolisten das beste Beispiel
für eine solche Kooperation: Wir Deutschen helfen euch gerne,
können dabei aber sicher sein, dass ihr Türken (wenn
überhaupt) erst mit einer gehörigen Verspätung
ankommen werdet - im Zielbahnhof wie in der EU.
Wenn es um die Modernisierung eines NATO-Partners geht, sollte
der Kanzler künftig vielleicht lieber die Chefs der deutschen
Automobilkonzerne mitfliegen lassen - und sie verpflichten, ja kein
Mautsystem verkaufen zu wollen.
Zurück zur
Übersicht
|