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Helmut Herles
Die Troikaner an der SPD-Spitze
Willy Brandt, Helmut Schmidt und Herbert
Wehner
Zu den politischen Legenden und Lebenslügen
der Bundesrepublik gehört die Troika der SPD: Der
Parteivorsitzende Willy Brandt, der Fraktionsvorsitzende Herbert
Wehner und der Bundeskanzler Helmut Schmidt. Die drei haben viel
gemeinsam erreicht. Mit ihnen ist aber nicht nur der Machtwillen
der SPD 1969, sondern noch mehr der Machtverlust des Bundeskanzlers
Helmut Schmidt im Jahr 1982 durch die
"Sowohl-für-ihn-als-auch-gegen-ihn-Politik" der eigenen Partei
und ihres Vorsitzenden Willy Brandt verbunden.
Auch der spätere Versuch, mit einer
Troika für die SPD zu werben, war mehr politisches Larifari.
Die Troika der 90er-Jahre mit Gerhard Schröder, Oskar
Lafontaine und Rudolf Scharping war noch weniger ein an einem
Strang ziehendes Dreiergespann.
Der "klassischen" SPD-Troika hat Martin Rupps
sein jüngstes Werk gewidmet. Der 1964 in Stuttgart geborene
Politologe und Historiker hat bereits zwei Bücher über
Helmut Schmidt veröffentlicht und für sein jüngstes
Werk einen hohen Maßstab angelegt. Er zitiert Golo Mann:
"Überhaupt mache ich der neuesten Historie den Vorwurf, dass
sie sich viel zu wenig um wirkliche Menschen aus Fleisch und Blut
kümmert, dass sie zu wenig Sympathien für Menschen hat
oder gar keine, dass sie also Hamlet ohne den Prinzen von
Dänemark spielt."
Voller Sympathie
Rupp ist voller Sympathie für seine drei
Helden. Er nennt sie schwärmerisch eine einzigartige
Konstellation, "dass hier der eine den anderen als Bundeskanzler
ablöst, nachdem ein Dritter beiden erst diese Möglichkeit
verschafft hat". Am liebsten würde er für sie ein
Triptychon im neuen Berliner Parteihaus der SPD malen
lassen.
Das ist von Rupps keineswegs ironisch
gemeint. Angesichts seiner Faszination und der tatsächlichen
Lebensleistung der drei so gegensätzlichen Charaktere wird
über Anspruch und Wirklichkeit der Troika jedoch zu
großzügig hinweggegangen. Rupps scheint dergestalt in das
Gelingen der Troika verliebt zu sein, dass er darüber ihr
Scheitern vernachlässigt. Andererseits kann jeder aus Rupps'
lebendigen Schilderungen und dem intensiven Quellenstudium des
Autors selbst beurteilen, dass die "Troikaner" zwar viel gemeinsam
erreichten, aber am Ende doch kein wirkliches "Triumphirat",
sondern ein Zweckbündnis waren, das jedoch selbst bei
Feindseligkeiten untereinander die SPD dominierte.
Keiner konnte und wollte die drei
stürzen, was Egon Bahr, einer ihrer besten Kenner und vor
allem Freund und Ratgeber Willy Brandts, bei seiner antithetischen
Vorstellung des Buches in Berlin festgestellt hat. Bahr lobte
indirekt Rupps, indem er ihm widersprach: "Das war keine Troika,
und schon gar nicht wider Willen." Bahr würde das Bild vom
"Triumphirat" der Troika vorziehen, denn "sie hatten keinen Lenker
über sich". "Sie bändigten sich durch die Eigenschaften,
die alle drei auszeichneten; ihr Sinn für Realitäten."
"Alle drei teilten das Wissen, das der alten großen SPD
fehlte, der Wille zur Macht."
Aber auch Bahr stützt letztlich die
Grundthese vom Scheitern der Troika (oder des "Triumphirats"):
"Wehner und Schmidt haben gar nicht versucht, Nachfolgern ihrer
Vorstellung den Weg zu ebnen, und Brandt hatte als
Parteivorsitzender auch keinen großen Erfolg, die Uhr Bebels
langfristig in stärkere Hände zu geben." Tatsächlich
sind vor allem die "Enkel" Brandts als Parteiführer
gescheitert: Björn Engholm, Rudolf Scharping. Oskar
Lafontaine, Gerhard Schröder. Der neue Parteichef
Müntefering gehört nicht in diese
Enkelgeneration.
30 Jahre nach dem Ende der Kanzlerschaft
Willy Brandts und seiner Ablösung durch Helmut Schmidt ist
Rupps um Gerechtigkeit für jeden der drei bemüht; dabei
fühlt er wohl am meisten mit Helmut Schmidt. Im Grunde gibt er
schon eine Antwort auf die politisch-historische Frage, in welcher
Folge er die Troika aufstellt: Er hat sich für die Reihe: "Wie
Brandt, Wehner und Schmidt die Republik regierten" entschieden und
widerspricht damit seiner eigenen These, dass Herbert Wehner der
Motor für die beiden anderen auf der Dienstfahrt ins
Kanzleramt war.
Was politischen Büchern heute oft fehlt,
darauf wurde diesmal von Autor und Verlag nicht verzichtet. Martin
Rupps nennt seine Primärquellen wie Briefe von Herbert Wehner,
Willy Brandt und Helmut Schmidt aus dem Privatbesitz von Greta
Wehner in Dresden und das Archiv der Sozialen Demokratie der
Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn. Dem Nutzen des Lesers dienen auch
die Auswahlbiographie und das Personenregister.
Martin Rupps
Troika wider Willen. Wie Brandt, Wehner und
Schmidt die Republik regierten.
Propyläen Verlag. Berlin
2004;
338 S., 24,- Euro.
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