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Hartmannn Wunderer
Beharrliche Unterminierung der pluralen
Gesellschaft
Netzwerke und Gefahrenpotenzial der Neuen
Rechten
Gemeinhin assoziiert man mit der "Neuen Rechten"
gefährliche, gewaltbereite, oft alkoholisierte, sozial
marginalisierte Jugendliche mit Springerstiefeln und Glatze, die
Passanten anpöbeln. Man denkt an "ewig Gestrige", die von
einem starken Staat mit einem starken Mann an der Spitze
träumen, der schlagartig und radikal mit allen sozialen
Problemen der Gegenwart aufräumt und Deutschland wieder
international zu einer Stellung führt, die der "deutschen
Rasse" zustehe...
Von diesem gewaltbereiten Rechtsextremismus ist in den beiden
Werken "Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie" und
"Rechte Netzwerke - eine Gefahr" kaum die Rede. Vielmehr geht es um
kleine, im Hintergrund agierende intellektuelle, politisch rechte
bis rechtsextreme Zirkel und um ihre Publikationen, die das Ziel
einer Meinungsführerschaft verfolgen und dabei insbesondere
die pluralistische Demokratie und die Wertvorstellungen einer
offenen Gesellschaft bekämpfen. Die Gefahr, die von derartigen
Gruppen ausgeht, sollte nicht unterschätzt werden, so die
wohlbegründete und auch empirisch erhärtete These, die in
den Sammelbänden mit 40 Beiträgen entwickelt wird. Die
beiden Bände sind nicht sehr trennscharf konzipiert. Sie
bearbeiten die gleichen Themenfelder, teilweise werden spezifische
Akzente gesetzt. Der Sammelband von Braun und Hörsch gruppiert
die Beiträge unter folgenden Kapiteln: "Worauf sich die
deutsche Rechte bezieht, wie sie arbeitet und Unterstützung
findet", "Beispiele rechter Netzwerke", "Gegenstrategien".
In den ersten beiden Kapiteln finden sich einige Einzelanalysen,
die belegen, dass die "intellektuelle Rechte" teilweise im
konservativ-rechten politischen Spektrum unauffällig als
Stichwort- und Ideologieschmiede agiert und einen politischen
Klimawandel, eine "kulturelle Hegemonie" anstrebt. Dabei sucht sie
die Trennlinien zwischen rechtsextremistischen und
demokratisch-konservativen Kräften zu verwischen. Zu Recht
spricht in diesem Zusammenhang der Verfassungsschutz von NRW von
einer "Erosion der Abgrenzung". Diese Beobachtung wird an
zahlreichen Fallbeispielen konkret entwickelt.
Weniger ergiebig sind die Aufsätze im Kapitel
"Gegenstrategien". Hier stehen neben instruktiven und konkreten
Fallanalysen etwa zum Onlinemagazin "haGalil onLine", das
mittlerweile zahlreiche Leser erreicht und erfolgreich eine
Gegenaufklärung gegen rechtsextreme Propaganda im Internet
betreibt, Beiträge, die sich in Allgemeinplätzen
erschöpfen: "Durch die Förderung von Toleranz und
Demokratiefähigkeit wird rechtsextremem Denken und Verhalten
vorgebeugt ... Neben der primären Prävention, also der
allgemeinen Kompetenzförderung, ist hier auch sekundäre
Prävention angezeigt".
Auch andere Beiträge - wie etwa der von Ute Vogt über
das "Bündnis von Demokratie und Toleranz" - enthalten zwar
gutgemeinte Vorschläge, wie man die politische Kultur in
Deutschland fördern könnte, aufschlussreicher wäre
aber die kritische Analyse von konkreten Projekten gewesen.
Ähnliches gilt für den Aufsatz "Pädagogische und
sozialarbeiterische Arbeiten ?gegen rechts'", der die Frage
beantworten will, wie weit die gängigen Konzepte reichen.
Genau diese spannende Problemstellung wird kaum verfolgt.
Der Sammelband von Gessenharter und Pfeiffer, hervorgegangen aus
einer Fachtagung "Die Neue Rechte - eine Gefahr für die
Demokratie?", die der Verfassungsschutz NRW im vergangenem Jahr in
Düsseldorf veranstaltet hat, bündelt seine Beiträge
unter folgenden Titeln: "Ideologie und Sprache der Neuen Rechten",
"Neurechte Einflüsse auf studentische Verbindungen",
"Internationale Schlaglichter" (hier gilt der Blick den "Neuen
Rechten" in Frankreich, Österreich und in den USA),
"Publizistik der Neuen Rechten".
Wie kompliziert und wenig eindeutig die Einschätzung des
Bedrohungspotenzials ist, macht der Beitrag von Roger Woods "Die
Leiden der jungen Werte" deutlich, der auf interne Fragmentierungen
im "neurechten" Denken verweist. Diesem Denken gelinge es kaum,
"neue, positive Werte zu artikulieren". Intellektuelle
Repräsentanten der "Neuen Rechten" spielten in ihren Zirkeln
nicht immer eine gestaltende, sondern auch eine dysfunktionale,
störende, kritische Rolle.
Die Vorstellung, in der "Neuen Rechten" gäbe es ein
kohärentes Weltbild, ist allenfalls ein Mythos. Der scharfe
Blick auf ihre Ideologieproduktion lässt so manche interne
Risse deutlich werden. Bereits die intellektuellen
Repräsentanten der Konservativen Revolution der Weimarer Zeit
waren untereinander heillos zerstritten. Gleichwohl waren sie
Wegbereiter des Nationalsozialismus, bisweilen auch Opfer des
"Dritten Reichs".
Die beiden Bände analysieren intensiv die "Neue Rechte" und
in ihre vielfältigen Netzwerke, die bis in das
demokratisch-konservative Lager reichen. Bedauerlicherweise
enthalten beiden Bände teilweise - mehr oder minder
umformuliert - ähnliche Beiträge. Vor allem der Band von
Gessenharter und Pfeiffer ist das erstaunliche Resultat einer
ungewöhnlichen, aber durchaus produktiven Zusammenarbeit
zwischen universitärer sozialwissenschaftlicher Forschung und
der Arbeit des Verfassungsschutzes. Traditionelle
Berührungsängste zwischen diesen beiden öffentlichen
Bereichen wurden offenbar mühelos überwunden.
Wolfgang Gessenharter/Thomas Pfeiffer (Hrsg.)
Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie?
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004; 251 S.,
19,90 Euro
Stephan Braun/Daniel Hörsch (Hrsg.)
Rechte Netzwerke - eine Gefahr.
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2004; 281
S., 19,90 Euro
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