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Das Parlament
Nr. 43 / 18.10.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Manuel Frey

Der Sinn königlicher Schenkungen für die bürgerliche Gesellschaft

Ende der Großzügigkeit? Seit dem Ende der Monarchie in Deutschland fehlt der Anreiz zum Geben

Sind Könige nützlich? Die aktuelle mediale Inszenierung der europäischen Monarchien verweist auf ein wesentliches, für die Geschichte und Gegenwart der deutschen Zivilgesellschaft wichtiges Moment. Gemeint ist der verschwenderische Glanz der königlichen Hochzeitsfeste und die darin sich zeigende Großzügigkeit ("Largesse") als königliche Geste. Dem Aufklärer Johann Heinrich Campe war dieser Zusammenhang geläufig, als er im August 1789 durch das revolutionäre Paris streifte. Für Campe zählten nicht die Monumente der Monarchie im öffentlichen Raum, die Denkmäler und öffentlichen Einrichtun-gen, welche damals als königliche Geschenke galten. Stattdessen war die einzig gültige Sehenswürdigkeit die freie Versammlung der Bürger auf den Straßen.

Seit dem Ende der Monarchien fehlt der Anreiz zum Geben, es fehlt das große Beispiel. Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf den Zustand der vom Bürgertum geprägten Zivilgesellschaft.

Bereits in der Antike waren Herrscherstiftungen als Weihgeschenke oder Gebäudestiftungen üblich gewesen. Seit dem Mittelalter gab es in Europa diese monarchische Geste des Gebens, daneben das starke bürgerschaftliche Stiftungswesen. Diese königliche "ars donandi" hatte friedenstiftende Wirkung. Wertvolle Geschenke dienten zur Gründung und Festigung von Allianzen, der Treuebindung zwischen Gleichgestellten, oder sie gewährten königlichen Schutz, kurz: die fürstliche Largesse zielte auf die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung.

Zeitgenossen des Umbruchs wie der jüdische Intellektuelle Norbert Elias begrüßten deshalb nicht nur den Zerfall der "satisfaktionsfähigen" Gesellschaft des Kaiserreichs, sondern beklagten auch den Verlust der Monarchie als Integrationsmodell. Der historisch argumentierende Soziologe Elias war sensibilisiert für soziale Ambivalenzen. Das Ende des Kaiserreichs bedeutete für ihn auch das Ende für die Assimilationsbemühungen des deutschen Judentums. Zeit seines Lebens hatte Elias auf die aristokratische Höflichkeit als Mit-tel der Distanzierung hingewiesen. Distanz war unabdingbar zur Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität. Das Frankreich unter König Ludwig XIV. war ihm als nie wieder erreichte Form zivilisierter Machtausübung und zugleich als Höhepunkt des guten Geschmacks erschienen. Elias argumentierte gegen das kurze Gedächtnis der aufgeklärten Bürger und die revolutionären Gründungsmythen der Demokratie, indem er das Schicksal der deutschen Juden mit den Wurzeln des höfischen Lebens verknüpfte. Er sprach sogar von einer "Strukturverwandtschaft" zwischen wilhelminischem Bürgertum und französischem Hofadel.

Mit der königlichen Zivilisiertheit verschwand auch die Großzügigkeit als aristokratische Geste. Die 1920er-Jahre brachten in Deutschland nicht nur eine bis dahin beispiellose Krise des Stiftungsbereichs, sondern auch das Ende der Zivilgesellschaft, wie sie sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hatte. Zwar war in vielen Kommunen das Stiftungswesen eine bürgerliche Angelegenheit. Aber es war eben eine der typischen Ambivalenzen jener Zeit, dass sich die großen bürgerlichen Stifter des Kaiserreichs immer auch an den kleineren und größeren Monarchen orientierten. Die Auszeichnung durch den Kaiser und durch die Könige und Fürsten in den einzelnen Deutschen Ländern hatte das bürgerliche Mäzenatentum und Stiftungswesen in dieser Größenordnung erst hervorgebracht. Der Zwang zum Prestigekonsum wuchs bei den wohlhabenden Bürgern im 19. Jahrhundert mit den sozialen Zwängen. Der Monarch kontrollierte den sozialen Aufstieg und die Anerkennung wirtschaftlichen Erfolgs durch die Vergabe von Orden und Titeln. Das wilhelminische Auszeichnungssystem bot prestigeträchtige Dekorationen und Titel bis hin zur Nobilitierung. Die oft geübte Wohltätigkeit der Bürger war also zugleich eine Form des Statuskonsums.

Umgekehrt waren die Könige auch auf das Engagement wohlhabender Wirtschaftsbürger angewiesen. Der König schenkte nicht nur, sondern er nutzte seine soziale Spitzenposition auch zur Wirtschaftsförderung und damit zur Erhöhung des Steueraufkommens in seinem Land. Daneben diente das Geschenk der Selbstbestätigung des Monarchen. Dieser "Königsmechanismus" funktionierte reibungslos, wie sich an einem österreichischen Beispiel zeigen lässt: Zunächst wurde ein aufwendig gearbeitetes Möbelstück auf der Weltausstellung präsentiert. Wurde es dort als preiswürdig eingestuft, wurde das Qualitätsobjekt Kaiser Franz Josef I. geschenkt. Dieser gab es dann in ostentativer Generosität an das von ihm gestiftete Kunstgewerbemuseum weiter, oder er schenkte es an befreundete Königshäuser. Dort gelangte das Geschenk dann ebenfalls ins jeweilige Landesmuseum. Die Gegengeschenke nahmen den gleichen Weg vom Unternehmen über die Weltausstellung und das Königshaus ins Museum.

Königliche Geschenke dienten also nach zwei Seiten hin als Beglaubigungsinstanz für neue Landesprodukte, und Königshäuser waren gewissermaßen die Auratisiermaschinen des Industrialisierungsprozesses. Nur die Gabe besonderer Provenienz stiftete eine besondere Beziehung. In der Frühzeit der Moderne waren die Monarchen Vorbilder für bürgerliche Gemeinwohlorientierung. Darin lag ihr Nutzen für die Zivilgesellschaft. Auch heute noch sind die Mitglieder der Königshäuser "Meister der Sichtbarkeit" (Heinz Reif). Gegenwärtig bilden Unternehmer die weitaus größte Berufsgruppe unter den Stiftern. Eine Gruppe, die Macht eher auf diskrete Weise zu üben gewohnt ist. Die Folge ist, dass es dem bürgerschaftlichen Engagement häufig genug an Aufmerksamkeit fehlt - von der gelegentlichen Skandalisierung des Schenkens wie im Fall der Sammlung Flick einmal abgesehen. Die "Zivilität als Kultur" kann jedoch ohne öffentliche Aufmerksamkeit ihre Vorbildwirkung nicht entfalten. Wohlhabende Bürger müssen sich deshalb an das Geldausgeben in großem Maßstab und vor großem Publikum gewöhnen. Und sie können von den einstigen und jetzigen Königen lernen, wie man Großzügigkeit als öffentliche Geste inszeniert.

Dr. Manuel Frey ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte der Technischen Universität Berlin.

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