Manuel Frey
Der Sinn königlicher Schenkungen für
die bürgerliche Gesellschaft
Ende der Großzügigkeit? Seit dem Ende
der Monarchie in Deutschland fehlt der Anreiz zum Geben
Sind Könige nützlich? Die aktuelle mediale
Inszenierung der europäischen Monarchien verweist auf ein
wesentliches, für die Geschichte und Gegenwart der deutschen
Zivilgesellschaft wichtiges Moment. Gemeint ist der
verschwenderische Glanz der königlichen Hochzeitsfeste und die
darin sich zeigende Großzügigkeit ("Largesse") als
königliche Geste. Dem Aufklärer Johann Heinrich Campe war
dieser Zusammenhang geläufig, als er im August 1789 durch das
revolutionäre Paris streifte. Für Campe zählten
nicht die Monumente der Monarchie im öffentlichen Raum, die
Denkmäler und öffentlichen Einrichtun-gen, welche damals
als königliche Geschenke galten. Stattdessen war die einzig
gültige Sehenswürdigkeit die freie Versammlung der
Bürger auf den Straßen.
Seit dem Ende der Monarchien fehlt der Anreiz zum Geben, es
fehlt das große Beispiel. Diese Entwicklung hat Auswirkungen
auf den Zustand der vom Bürgertum geprägten
Zivilgesellschaft.
Bereits in der Antike waren Herrscherstiftungen als
Weihgeschenke oder Gebäudestiftungen üblich gewesen. Seit
dem Mittelalter gab es in Europa diese monarchische Geste des
Gebens, daneben das starke bürgerschaftliche Stiftungswesen.
Diese königliche "ars donandi" hatte friedenstiftende Wirkung.
Wertvolle Geschenke dienten zur Gründung und Festigung von
Allianzen, der Treuebindung zwischen Gleichgestellten, oder sie
gewährten königlichen Schutz, kurz: die fürstliche
Largesse zielte auf die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung.
Zeitgenossen des Umbruchs wie der jüdische Intellektuelle
Norbert Elias begrüßten deshalb nicht nur den Zerfall der
"satisfaktionsfähigen" Gesellschaft des Kaiserreichs, sondern
beklagten auch den Verlust der Monarchie als Integrationsmodell.
Der historisch argumentierende Soziologe Elias war sensibilisiert
für soziale Ambivalenzen. Das Ende des Kaiserreichs bedeutete
für ihn auch das Ende für die
Assimilationsbemühungen des deutschen Judentums. Zeit seines
Lebens hatte Elias auf die aristokratische Höflichkeit als
Mit-tel der Distanzierung hingewiesen. Distanz war unabdingbar zur
Aufrechterhaltung der sozialen Stabilität. Das Frankreich
unter König Ludwig XIV. war ihm als nie wieder erreichte Form
zivilisierter Machtausübung und zugleich als Höhepunkt
des guten Geschmacks erschienen. Elias argumentierte gegen das
kurze Gedächtnis der aufgeklärten Bürger und die
revolutionären Gründungsmythen der Demokratie, indem er
das Schicksal der deutschen Juden mit den Wurzeln des
höfischen Lebens verknüpfte. Er sprach sogar von einer
"Strukturverwandtschaft" zwischen wilhelminischem Bürgertum
und französischem Hofadel.
Mit der königlichen Zivilisiertheit verschwand auch die
Großzügigkeit als aristokratische Geste. Die 1920er-Jahre
brachten in Deutschland nicht nur eine bis dahin beispiellose Krise
des Stiftungsbereichs, sondern auch das Ende der Zivilgesellschaft,
wie sie sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hatte. Zwar war in
vielen Kommunen das Stiftungswesen eine bürgerliche
Angelegenheit. Aber es war eben eine der typischen Ambivalenzen
jener Zeit, dass sich die großen bürgerlichen Stifter des
Kaiserreichs immer auch an den kleineren und größeren
Monarchen orientierten. Die Auszeichnung durch den Kaiser und durch
die Könige und Fürsten in den einzelnen Deutschen
Ländern hatte das bürgerliche Mäzenatentum und
Stiftungswesen in dieser Größenordnung erst
hervorgebracht. Der Zwang zum Prestigekonsum wuchs bei den
wohlhabenden Bürgern im 19. Jahrhundert mit den sozialen
Zwängen. Der Monarch kontrollierte den sozialen Aufstieg und
die Anerkennung wirtschaftlichen Erfolgs durch die Vergabe von
Orden und Titeln. Das wilhelminische Auszeichnungssystem bot
prestigeträchtige Dekorationen und Titel bis hin zur
Nobilitierung. Die oft geübte Wohltätigkeit der
Bürger war also zugleich eine Form des Statuskonsums.
Umgekehrt waren die Könige auch auf das Engagement
wohlhabender Wirtschaftsbürger angewiesen. Der König
schenkte nicht nur, sondern er nutzte seine soziale Spitzenposition
auch zur Wirtschaftsförderung und damit zur Erhöhung des
Steueraufkommens in seinem Land. Daneben diente das Geschenk der
Selbstbestätigung des Monarchen. Dieser
"Königsmechanismus" funktionierte reibungslos, wie sich an
einem österreichischen Beispiel zeigen lässt:
Zunächst wurde ein aufwendig gearbeitetes Möbelstück
auf der Weltausstellung präsentiert. Wurde es dort als
preiswürdig eingestuft, wurde das Qualitätsobjekt Kaiser
Franz Josef I. geschenkt. Dieser gab es dann in ostentativer
Generosität an das von ihm gestiftete Kunstgewerbemuseum
weiter, oder er schenkte es an befreundete Königshäuser.
Dort gelangte das Geschenk dann ebenfalls ins jeweilige
Landesmuseum. Die Gegengeschenke nahmen den gleichen Weg vom
Unternehmen über die Weltausstellung und das Königshaus
ins Museum.
Königliche Geschenke dienten also nach zwei Seiten hin als
Beglaubigungsinstanz für neue Landesprodukte, und
Königshäuser waren gewissermaßen die
Auratisiermaschinen des Industrialisierungsprozesses. Nur die Gabe
besonderer Provenienz stiftete eine besondere Beziehung. In der
Frühzeit der Moderne waren die Monarchen Vorbilder für
bürgerliche Gemeinwohlorientierung. Darin lag ihr Nutzen
für die Zivilgesellschaft. Auch heute noch sind die Mitglieder
der Königshäuser "Meister der Sichtbarkeit" (Heinz Reif).
Gegenwärtig bilden Unternehmer die weitaus größte
Berufsgruppe unter den Stiftern. Eine Gruppe, die Macht eher auf
diskrete Weise zu üben gewohnt ist. Die Folge ist, dass es dem
bürgerschaftlichen Engagement häufig genug an
Aufmerksamkeit fehlt - von der gelegentlichen Skandalisierung des
Schenkens wie im Fall der Sammlung Flick einmal abgesehen. Die
"Zivilität als Kultur" kann jedoch ohne öffentliche
Aufmerksamkeit ihre Vorbildwirkung nicht entfalten. Wohlhabende
Bürger müssen sich deshalb an das Geldausgeben in
großem Maßstab und vor großem Publikum
gewöhnen. Und sie können von den einstigen und jetzigen
Königen lernen, wie man Großzügigkeit als
öffentliche Geste inszeniert.
Dr. Manuel Frey ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut
für Geschichte der Technischen Universität Berlin.
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