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Peter Burghardt
Im Zweifel gegen das Protokoll
Die spanische Monarchie als Geburtshelfer der
Demokratie
Die Welt sah zu, als Spanien am 22. Mai die
Hochzeit des Jahres beging, wie Thronfolger Felipe de Borbon y
Grecia und die vormalige Nachrichtensprecherin Letizia Ortiz
Rocasolano vor den Traualtar traten und anschließend im
Rolls-Royce durch Madrid fuhren. Am Ort litt die Stimmung zwar
unter dem Dauerregen, der erst aufhörte, als der alte Prinz
von Asturien und die neue Prinzessin von Asturien mit 1.400
Monarchen, Präsidenten, Regierungschefs und sonstigen
Auserwählten im Königspalast das Festessen einnahmen.
Nach monatelangen Vorbereitungen mit umfangreichem Marketing
erlebte das Königshaus und mit ihm die Gesellschaft dennoch
einen Höhepunkt.
Einige Spanier kritisierten den immensen
Aufwand des Spektakels, dessen Kosten von mindestens 20 Millionen
Euro zum Teil Staat und Kommune übernahmen. "Ich war auch
nicht zu der Hochzeit eingeladen, habe sie aber mitbezahlt", stand
auf schwarzen T-Shirts verärgerter Steuerzahler.
Erzmonarchisten wiederum zweifeln an der Eignung der gelernten
Journalistin Letizia, die obendrein schon einmal verheiratet war
und sich erst mit dem katholischen Glauben befassen musste. Die
meisten Interessenten allerdings waren zufrieden, manche sogar
erleichtert, dass nach seinen Schwestern Elena und Cristina nach 36
Jahren endlich auch Kronprinz Felipe in den Hafen der Ehe einlief.
Seine letzte Freundin, ein norwegisches Dessous-Modell, hatten
seine Eltern ja entsetzt abgelehnt. Der Festakt bewies, dass die
königliche Familie beim Volk einen hervorragenden Ruf
genießt. Das gilt vor allem für Juan Carlos. Nach
Umfragen halten ihn 84 Prozent der Spanier für einen guten bis
sehr guten König.
Das Image musste sich der Bourbone
mühsam erkämpfen. Zunächst war er der
Schützling des Diktators Francisco Franco, der im
Bürgerkrieg 1936 bis 1939 die Republik gestürzt hatte.
Der kleine Prinz war zwar im Exil aufgewachsen, kehrte aber als
Jugendlicher nach Spanien zurück und wurde von Franco
später zum Nachfolger nach seinem Tod bestimmt. Zwei Tage,
nachdem der Caudillo am 20. November 1975 entschlief, wurde der
Erbe im Parlament gekrönt, als erster König nach seinem
Großvater Alfonso XIII., den 1931 die Republik vertrieben
hatte. "Willst du eine franquistische Monarchie retten?" fragte
sein Vater Don Juan, dem der Thron dynastisch zugestanden
hätte und der erst 1977 seinen Verzicht erklärte. Der
Sohn wollte - nur anders, als Franco es vorgesehen hatte. "Die
Institution, die ich personifiziere, integriert alle Spanier",
erklärte Juan Carlos I. bei seiner Antrittsrede, dabei war
damals und ist heute noch gelegentlich von "den zwei Spanien" die
Rede, dem linken und dem rechten, dem progressiven und dem
konservativen.
Der König war Geburtshelfer der
Verfassung, die am 6. Dezember 1978 per Referendum angenommen
wurde, und ist seit mehr als 25 Jahren ihr oberster Verteidiger.
Die größte Gefahr bannte er, als am 23. Februar 1981
wildgewordene Militärs putschten. In einer dramatischen
Fernsehansprache rief Seine Hoheit als Oberbefehlshaber die
Streitkräfte die Meuterer in die Kasernen zurück. Prinz
Felipe, damals 13, soll jene Nacht in Papas Arbeitszimmer verbracht
haben, auf dass er in jungen Jahren Krisenmanagement lerne.
Über die gescheiterte Revolte gibt es unterdessen allerhand
Verschwörungstheorien, der beherzte Einsatz für die
Demokratie jedenfalls überzeugte seinerzeit auch Kritiker. Der
König habe das republikanische Exil und die Opposition
für sich gewonnen, lobte Kommunistenführer Santiago
Carrillo. Anfangs hatte Carrillo noch gespottet, Juan Carlos (1,90
Meter) werde als "der Kurze" in die Geschichte eingehen.
Erst vor solchen Hintergründen
erschließt sich die aktuelle Bedeutung der Monarchie, die in
Spanien eine Jahrhunderte lange Tradition hat und nur 44 Jahre
unterbrochen war. Die unmittelbaren Befugnisse sind ja
beschränkt. "Die politische Form des spanischen Staates ist
die parlamentarische Monarchie", heißt es in Artikel 1, Absatz
3 der Verfassung. Artikel 56 macht den König als Staatschef
zum "Symbol von Einheit und Kontinuität", allerdings auch zu
einer Art Schiedsrichter der Institutionen und obersten
Repräsentanten in den internationalen Beziehungen. Er ist
Anführer der Armee, billigt und verkündet die vom
Parlament beschlossenen Gesetze, schreibt Wahlen aus, kann das
Parlament auflösen, schlägt den Regierungschef vor und
ernennt die Mitglieder des Kabinetts. Das sind jedoch nur
Formalitäten. El Rey, die Nummer eins von 398 spanischen
Granden und 2.723 weiteren Adligen, mischt sich kaum ins
Tagesgeschäft ein. Die Entscheidungen fällen der Premier,
nunmehr der Sozialist Jose Luis Rodriguez Zapatero, seine Minister
und das Parlaments. Auch die Entsendung von Truppen durch den
damaligen Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar in den Irak
hielt er nicht auf, obwohl 90 Prozent der Spanier dagegen waren.
Dennoch haben sein Wort und seine Gesten Gewicht, vor allem in
schweren Zeiten.
Juan Carlos eilte nach der Tankerkatastrophe
an die galicische Küste, nicht Aznar. Er war der wichtigste
Tröster nach Eta-Attentaten, dem Absturz von Soldaten und vor
allem den Madrider Bomben vom 11. März, dem schlimmsten
Terroranschlag der europäischen Geschichte mit 191 Toten und
mehr als tausend Verletzten. "Der König leidet mit euch
allen", verkündete er bei seinem TV-Auftritt. Beim
Gottesdienst in der Almudena-Kathedrale liefen ihm, Königin
Sofia und den Kindern Tränen übers Gesicht, nach der
Zeremonie schüttelten sie den Angehörigen der Opfer lange
die Hände. Die bewegenden Szenen festigten seinen Ruf als
Vater der Nation, der auf Protokolle im Zweifel keinen Wert
legt.
König als Kumpel
Ansonsten ist die Casa Real ein Unternehmen,
das der Staat jährlich mit offiziell ungefähr sieben
Millionen Euro aus dem Haushalt finanziert. Angeblich steht
dahinter auch ein umfangreiches Vermögen. Residenz ist das
Jagdschloss Palacio de Zarzuela am Rande Madrids, in der Nähe
wohnt Felipe, der seinen Vater zur täglichen Besprechung
trifft. Staatsakte finden im Königspalast oder den
Sommerpalästen statt. Die Rollen und Aufgaben der
Familienmitglieder sind exakt verteilt. Felipe und Letizia tragen
den Titel Prinzen von Asturien, wobei Letizia nach
anfänglichen Versuchen der Emanzipation mittlerweile brav
hinter dem Gemahl zurück steht. Elena und Jaime de Marichalar
sind die Herzöge von Lugo, Cristina und Inaki Urdangarin
(wohnhaft in Barcelona) die Herzöge von Palma de Mallorca, in
der Verfassung kommen die Königskinder aber nicht vor. Die
Organisation der Firma Königshaus leitet ein vormaliger
Staatsekretär aus dem Außenministerium. Skandale werden
anders als in Großbritannien von den Medien weitgehend
verschwiegen und kompromittierende Fotos in der Regel nicht
gedruckt, dabei galt der Hausherr früher als Freund der Nacht.
Bekannt sind außerdem seine Leidenschaften für schnelle
Motorräder und Schiffe.
Die meisten Spanier schätzen seine
unkomplizierte, zuweilen sehr direkte Art, es gibt darüber
Anekdotensammlungen. Allerdings wirkte der Kumpel König, 66
Jahre alt, zuletzt mitunter müde. Gerüchte über
vermeintliche Krankheiten machen insgeheim immer wieder das Thema
Thronfolge aktuell. Dynastisch ist dies eindeutig geregelt,
Nachfolger wird der ausgezeichnet ausgebildete und polyglotte
Kronprinz Felipe, der dann Felipe VI. hieße - als erster
Bourbone hatte 1701 Felipe V. den Thron bestiegen. Nummer zwei
wäre die Infantin Elena, seine ältere Schwester. Das
wollen die Sozialisten ändern, indem sie das Recht des
Erstgeborenen einführen. Dazu müsste jedoch die
Verfassung reformiert werden, was kompliziert wird. Vorläufig
wartet die Nation darauf, dass Prinzessin Letizia bald einen
künftigen Kronprinzen zur Welt bringt.
Peter Burghardt ist Korrespondent der
"Süddeutschen Zeitung" in Madrid.
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