Gerhard Fischer
Königliche Fettnäpfchen lauern
überall
Das Bekenntnis der schwedischen Bevölkerung
zur Monarchie ist nicht so leicht zu erschüttern
Selten gerät das schwedische Königshaus in die
Schlagzeilen der seriösen Tagespresse im eigenen Land. Doch
Anfang Februar dieses Jahres schallte ein empörter Aufschrei
durch alle Medien. Was hatte da der König, der keinerlei
politische Meinungen äußern darf, gesagt?
Carl XVI. Gustaf und Königin Silvia waren gerade zu Gast
beim Sultan von Brunei, um Schweden im knapp 400.000 Einwohner
zählenden Gas- und Ölstaat auf Borneo zu vertreten. Bei
einem Interview rutschte dann dem König jene politische
Formulierung heraus, die zu Hause zu einer ernsthaften Diskussion
über die Existenzberechtigung der schwedischen Monarchie
anwuchs.
Dabei sollte das Staatsoberhaupt in Brunei eigentlich nur das
tun, was dem Adelsgeschlecht der Bernadotte nach 200 Jahren
Regentenzeit in Schweden noch geblieben ist: Repräsentieren
und das Leiten von Zeremonien. Neben den Staatsbesuchen
eröffnet das schwedische Staatsoberhaupt traditionell den
Reichstag nach der Sommerpause, hat den Vorsitz im
außenpolitischen Ausschuss, empfängt und verabschiedet
Diplomaten, überreicht Nobelpreise. Seit 1973 schneidet Carl
Gustaf Bänder durch, hält Eröffnungsreden, feiert
das Mittsommerfest mit seinen Untertanen und reist durch die Welt
als Türöffner für Wirtschaftsdelegationen.
Zeitgemäßes Schweden
Als Carl Gustaf den Thron bestieg, formulierte er traditionell
einen Wahlspruch für seine Regentenzeit: "Für ein
zeitgemäßes Schweden". Er wollte den Anforderungen, die
ein moderner Industriestaat an ein Staatsoberhaupt stellt, gerecht
werden. Seitdem ist vieles geschehen: Der adelige König
heiratete 1976 die bürgerliche Silvia Sommerlath. 1980 wurde
im gleich- berechtigsten Land der Welt die männliche Erbfolge
abgeschafft, und das erstgeborene Kind, Victoria, wurde
Kronprinzessin. Den insgesamt drei Königskindern versuchten
die Eltern, ein so normal-schwedisches Familienleben zu bieten, wie
nur irgend möglich. Sie bekamen zum Beispiel keinen
Privatunterricht auf dem Schloss wie noch ihr Vater, sondern
besuchten eine ganz gewöhnliche Grundschule im Stockholmer
Stadtteil Bromma, in dem auch das Wohnschloss Drottningholm liegt.
Viele Eltern in Schweden fanden diesen Entschluss richtig, denn sie
mögen es, wenn die Adeligen bodenständig sind. Zu den
berühmtesten Fotos des Königshauses gehören daher
auch jene, die die Königin und ihre Kinder in der
Vorweihnachtszeit beim Pfefferkuchenbacken in der Küche
zeigen.
Eigentlich hatte man in Schweden schon seit Jahren nicht mehr
darüber diskutiert, ob man den überparteilichen Monarchen
durch einen Präsidenten ersetzen solle. Um so lauter war der
Aufschrei nach dem verbalen Fehltritt beim Staatsbesuch in Brunei.
Doch bald sollte sich zeigen: Hitzige Medienstimmen und
Untertanentreue sind nicht ein und dasselbe. Noch während der
heißesten Phase der Brunei-Debatte bestätigte dies eine
Umfrage. 72 Prozent der Befragten erwiesen sich Mitte Februar 2004
als treue Anhänger der schwedischen Monarchie. Selbst 49
Prozent der Mitglieder der Linkspartei, früher kommunistisch,
entpuppten sich als Royalisten.
Und das, obwohl der 58-jährige Throninhaber schon manches
Mal den Eindruck erweckt, er tue seine tägliche Arbeit zwar
pflichtbewusst, aber leicht gelangweilt. In einem Interview hatte
er einmal freimütig zugeben, er wäre eigentlich lieber
Bauer geworden. Nur wenn es zur Elchjagd geht oder um schnelle
Autos, blüht er auf. Jeden Herbst zieht er mit treffsicheren
Jagdgenossen aus Adel und Wirtschaft in die Natur, um dem
König des schwedischen Waldes den Garaus zu machen.
Bei schnellen Autos verlässt den König auch schon mal
das Pflichtbewusstsein. Angeblich haben seine Leibwächter
manchmal Probleme, ihrem Schützling zu folgen. Im April raste
er mit einem gelben Porsche und Königin Silvia auf dem
Beifahrersitz von Karlskoga nach Stock-holm. Gemunkelt wird von 150
bis 160 Kilometern pro Stunde. In Schweden sind aber nur 110
Kilometer pro Stunde erlaubt.
Obwohl und hoffentlich hochkonzentriert beim Autofahren, ist der
schwedische König manchmal leicht verwirrt seinen eigentlichen
Pflichten nachgekommen. Ab und zu wusste er bei öffentlichen
Auftritten nicht recht, wo er war oder worum es ging. 1985
eröffnete er zum Beispiel eine Ärztekonferenz über
Wundstarrkrampf mit den Worten: "Das Thema des Tages sind
Verbrennungen."
Seit vielen Jahren wird daher unter den treuen Anhängern
der Monarchie die Hochzeit mit der in Heidelberg geborenen Silvia
Sommerlath als ein Glücksfall betrachtet. Die schwedische
Königin, beliebt trotz deutlich deutschem Akzent, scheint dem
König den gebührenden Glanz von Rechtschaffenheit und
Würde zu verleihen. Sie setzt sich für Behinderte ein,
fördert die Forschung und Behandlung von Senilität und
gründete 1999 die World Childhood Foundation, welche die
Lebensbedingungen für Kinder in aller Welt verbessern will. Zu
ihren Aufgaben gehört auch, den schwedischen König auf
seinen Staatsbesuchen zu begleiten. Vor dem Debakel in Brunei
konnte ihn jedoch auch seine Herzenskönigin nicht retten.
Aber was hatte die schwedische Öffentlichkeit so in Rage
gebracht?
Wenn König Carl XVI. Gustaf Staatsbesuche vornimmt,
gehört es zur Aufgabe des schwedischen
Ministerpräsidenten, den König vorher über die
Innen- und Außenpolitik des betreffenden Landes sowie
über die Haltung Schwedens zu informieren. Insofern
dürfte das Staatsoberhaupt gewusst haben, dass sein Gastgeber,
Sultan Haji Hassanal Bolkiah, ein Diktator ist, der seit fast 40
Jahren sein reiches Land mit Ausnahmegesetzen und eiserner Hand
regiert.
Vom Schwedischen Rundfunk vor Ort befragt, ob er Probleme gehabt
hätte, mit einem solchen Machthaber Umgang zu pflegen,
antwortete der König: "Ich erlebe das eher umgekehrt. Er hat
eine kolossale Nähe zum Volk. An seinem Geburtstag zum
Beispiel empfängt er 40.000 Menschen in seinem Palast. An zwei
Tagen drückt er 20.000 Hände pro Tag. So gesehen ist das
wohl ein offeneres Land als jedes andere."
Die Pressestelle des Hofstaates, die auch seriösen Medien
nur sparsam königliche Zeiteinheiten zuteilt, hatte nun alle
Hände voll zu tun. Die Antwort des Monarchen sei keine
politische gewesen, er hätte lediglich ausgedrückt, was
er als Gast erlebt hätte. Der König entschuldigte sich
beim Volk und beim Ministerpräsidenten - und Schweden bleibt
eine Monarchie.
Aber ganz ungeschoren ist Carl XVI. Gustaf trotzdem nicht
davongekommen. Es wurde nämlich nicht nur seine
blauäugige Beschreibung des Sultanats von Brunei in den Medien
wiederholt und seziert. Es kamen auch Fragen auf: Wie viel kostet
eigentlich die Monarchie dem Steuerzahler? Was macht der König
mit dem Geld?
Insgesamt erhält das Königshaus vom Staat umgerechnet
ungefähr 9, 7 Millionen Euro pro Jahr. Etwa die Hälfte
davon wird für die Verwaltung der Schlösser und
Kunstschätze ausgegeben. Der andere Teil ist dem Reichstag
seit langem ein Dorn im Auge. Über den verfügte der
Monarch nämlich bisher ohne die Einsicht der Volksvertreter.
Gedacht ist die Summe für Kosten, die durch Staatsbesuche
entstehen, für 62 Dienststellen wie die des Hofmarschalls und
den Hofstaat von Königin Silvia. Da in Schweden das
Öffentlichkeitsprinzip eine starke Tradition ist, stellte sich
Verwunderung ein, als bekannt wurde, dass der Staatschef selbst die
Wirtschaftsprüfer bestimmt, die seine Kostenbilanz
kontrollieren. Nach dem Besuch beim Sultan hat der schwedische
Reichstag beschlossen, das Staatsoberhaupt müsse die
Verwendung aller staatlichen Gelder offen legen.
Dass der König auch eigenen Besitz hat, war den Schweden
allerdings Dank des offenen Umgangs mit Registern bei den
staatlichen Behörden bekannt. Seine Familie besitzt Güter
wie zum Beispiel das Sommerschloss Solliden auf der Insel
Öland. Im vorigen Jahr meldeten die inzwischen erwachsenen
Kinder insgesamt ein Vermögen von rund einer Million Euro, das
Königspaar von umgerechnet rund 38,5 Millionen Euro beim
Finanzamt an. Denn - da wird auch keine Ausnahme bei Königs
gemacht - Steuern zahlen sie wie alle anderen neun Millionen
Einwohner Schwedens auch.
Um eine politische Panne wie die in Brunei zukünftig zu
vermeiden, reisen nun immer ein Minister oder eine Ministerin mit
dem Königspaar zu den Staatsbesuchen, um die politischen
Gespräche zu führen - ohne den König. Dem bleiben
wieder nur die Zeremonien und die Tischrede. Und natürlich die
persönlichen Gespräche mit anderen
Staatsoberhäuptern. Vielleicht hat sich der König ja auch
bei Sultan Haji Hassanal Bolkiah wohlgefühlt, weil der seine
Leidenschaft für schnelle Autos teilt. Könige sind eben
auch nur Menschen.
Gerhard Fischer ist Korrespondent der "Süddeutschen
Zeitung" in Stockholm.
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