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Helmut Hetzel
Albert II. von Belgien
Im Porträt:
Das Timing ist perfekt. Genau zum belgischen Nationalfeiertag am
21. Juli 2004, just an dem Tag an dem König Albert II. seinen
Landsleuten in einer TV-Ansprache die Lage der Nation
erläuterte, wurde das belgische Staatsoberhaupt an seine
Jugendsünden erinnert. Und das ausgerechnet im Nachbarland
Niederlande. Dort wandte sich nämlich seine angebliche,
uneheliche Tochter Delphine Boel in der größten
Tageszeitung des Landes, im Telegraaf, mit einem öffentlichen
Appel an ihren Vater: "Weise mich nicht länger ab, rede mit
mir," forderte die 36-jährige Delphine. Sie wollte nicht
länger hinnehmen, dass König Albert II. sie nicht als
seine Tochter akzeptiert. "Ich will mit ihm kein Eis auf dem Grand
Place in Brüssel essen, aber er sollte endlich etwas für
mich und meine Mutter tun," flehte sie.
Die in London lebende Malerin begründete ihre neuerliche
Sehnsucht nach ihrem Vater damit, "dass ich jetzt selbst Mutter
geworden bin". Das habe ihr Verlangen nach einem Wiedersehen mit
ihrem Vater stimuliert. Delphine Boel erinnerte sich: "Als ich
klein war, da kam er regelmäßig zu uns nach London.
Damals kümmerte er sich um mich." Im Jahr 1999, als sie
enthüllt habe, dass sie die uneheliche Tochter von König
Albert II. sei, kam es zum Streit zwischen ihr und ihrem Vater,
behauptete Delphine. Seither hätten sie keinen Kontakt mehr.
Ihre Mutter sei die "große Liebe" von Albert II. gewesen,
berichtete sie weiter. Die Beziehung habe von 1966 bis 1984
gedauert. Albert II. sei sogar bereit gewesen, sich von seiner Frau
Paola scheiden zu lassen. "Aber meine Mutter wollte das nicht. Das
hätte für ihn den totalen Bruch mit dem Königshaus
bedeutet."
Bis vor elf Jahren hat in Belgien fast niemand geglaubt, dass
Albert II. Herzog von Brabant, Prinz von Lüttich aus dem Hause
Sachsen-Coburg einst König der Flamen und Wallonen werden
könnte. Doch die Geschichte wollte es anders. Nach dem
plötzlichen Tod seines Bruders König Baudouin, der am 9.
August 1993 in seinem spanischen Feriendomzil völlig
unerwartet einem Herzleiden erlag, stellte sich die Frage der
Nachfolge ganz unerwartet. Zunächst blickte ganz Belgien auf
Prinzessin Astrid, die Tochter von Albert II., die im Volk viel
Symphathie genießt. Dann war Prinz Philip, der älteste
Sohn des heutigen Königs, im Gespräch für das
höchste belgische Staatsamt. Da König Baudouin und
Königin Fabiola kinderlos geblieben waren, lag dies auf der
Hand. Schließlich machte sich der am 6. Juni 1934 in
Brüssel auf Schloss Stuyvenberg geborene Albert II. selbst
auf, um seinen Bruder Baudouin auf dem Thron zu beerben.
Das hatte einen bizarren Nebeneffekt. Seither lebt Belgien
nämlich mit der Situation, von zwei Königinnen regiert zu
werden. Denn mit dem Amtsantritt von König Albert II. wurde
auch dessen aus Italien stammende Frau Donna Paola Ruffo di
Calabria Königin Belgiens. Königin Fabiola, die Witwe des
verstorbenen Königs Baudouin, durfte ihren Titel als
Königin jedoch behalten.
Prinz Albert II. kümmerte sich vor seiner Regentschaft vor
allem um die Entwicklung und Förderung des belgischen Exports.
Als Präsident des belgischen Außenhandelsamtes leitete er
zahlreiche Delegationen ins Ausland und wurde so zu einer Art
"Botschafter der belgischen Wirtschaft". Auch darüber hinaus
übernahm er, seit den 60er-Jahren schon, zahlreiche
Repräsentationspflichten. Er rief außerdem den nach ihm
benannten "Prinz Albert Fonds" für die Ausbildung von
Wirtschaftsfachleuten ins Leben.
Dennoch galt er als Lebemann, und so gab es zunächst etwas
Argwohn, Albert II. könne das von seinem als ernst und steif
geltenden Bruder Baudouin geerbte Staatsamt nicht
standesgemäß ausfüllen. Solche Zweifel hat er
längst beiseite gewischt. Sowohl während der
schrecklichen Affäre um den Kinderschänder und
-Mörder Marc Dutroux als auch nach der verheerenden
Gasexplosion in Ath im Juli diesen Jahres mit 18 Toten und
über 100 Verletzten, erwies sich der König als
mitfühlender Landesvater. Er lud die Angehörigen der
Opfer zur persönlichen Audienz in das Brüsseler Schloss.
Er widmete ihnen in einigen seiner zahlreichen Reden große
Aufmerksamkeit und spendete ihnen damit Trost. Kein Zweifel:
König Albert II. ist in seiner nunmehr elfjährigen
Amtszeit der König aller Belgier geworden. Es ist im gelungen,
das sprachlich und kulturell so zerklüftete Land, in dem die
flämische Mehrheit im Norden niederländisch parliert, der
Süden in der Wallonie frankophon ist und rund um Eupen und
Malmedy noch rund 70.000 deutschsprachige Belgier leben,
zusammenzuhalten. Und das, obwohl in Flandern der Wunsch nach
Unabhängigkeit immer lauter hörbar wird und der fragile
Bundesstaat Belgien mit jeder neuen Krise auf eine neue
Bewährungsprobe gestellt wird.
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