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Karl-Otto Sattler
Erzwungene Nachhilfe in Sachen Demokratie
In Monaco herrscht der einflussreichste Monarch
Europas / Von Karl-Otto Sattler
So ein kleines Land und so viel Furore auf der
internationalen Bühne. Die flotten Jungs des AS Monaco lassen
nicht selten die Starkicker der "Grande Nation" alt aussehen und
holten schon sieben Mal den Titel des französischen
Fußballmeisters in das Fürstentum am Mittelmeer. Wenn
Michael Schumacher beim Großen Preis von Monaco mit seinem
Formel-1-Rennwagen im Rekordtempo über die Piste jagt, wird er
in Europa von Millionen TV-Zuschauern bewundert. Der Ruf des
Spielcasinos Monte Carlo ist Legende, das Flair des Reichtums
gehört zu dem wohlhabenden Mini-Staat, einem Banken- und
Finanzplatz.
Und natürlich waren und sind die
Grimaldis - zuständig für Glanz, Gloria und Herzschmerz -
in der Inszenierung der Jetset-High-Society wie für das
gemeine Volk in den Klatschmedien des globalen Dorfs stets
präsent: Fürst Rainier III., die Prinzessinnen Caroline
und Stéphanie, Erbprinz Albert, deren Mutter Grace Kelly, die
Filmgröße, die bei einem Unfall tragisch ums Leben kam.
Die Grimaldis: Stoff für Stories ohne Ende.
Monaco mit seinen 32.000 Einwohnern macht
aber nicht nur wegen sportlich-gesellschaftlicher Events weit
über seine Grenzen hinaus etwas her: In dem felsigen Sprengel
herrscht mit Staatsoberhaupt Rainier III. der einflussreichste
Monarch in Europa - ob dessen opulenter Machtfülle selbst
Liechtensteins Fürst Hans Adam II. neidisch sein dürfte,
dessen Regentschaft auch nicht frei von absolutistischen Tendenzen
ist. Und neben Rainier III. mischt noch eine zweite Macht mit:
Aufgrund historischer Bindungen stellt Frankreich den
Regierungschef, den Innenminister und mehrere hohe
Funktionsträger wie etwa den Polizeichef oder den
Generalstaatsanwalt. Zudem hat Paris jahrzehntelang die
außenpolitische Souveränität des Fürstentums
eingeschränkt.
Verblüfft nahmen die internationale
Öffentlichkeit und die Monegassen selbst erst mit dem Beitritt
des Landes zum Europarat im Oktober dieses Jahres wahr, dass diese
Besonderheiten eigentlich nicht unbedingt den politischen Standards
auf dem Kontinent entsprechen. Vor der Integration Monacos ins
Straßburger Palais d'Europe waren deshalb Reformen nötig.
Peter Schieder (Österreich), Präsident der
Parlamentarischen Versammlung des Staatenbundes, sagt über
diese Bestrebungen: "Wir haben die Politik Monacos
parlamentarisieren können, zudem wurde die
Souveränität des Fürstentums gegenüber
Frankreich gestärkt." Immerhin musste sechs Jahre zwischen
Straßburg und Monaco verhandelt werden, bis der Europarat der
Aufnahme der nunmehr 46. Mitgliedsnation zustimmte. Der
komplizierte Annäherungsprozess hat am Mittelmeer für
gewisse Irritationen gesorgt, die Erbprinz Albert diplomatisch in
diese Worte kleidete: "Das lange Verfahren hat
überrascht."
Nach den Verfassungsreformen und dem
Abschluss eines neuen Vertrags mit Frankreich gab sich Albert indes
überzeugt, dass Monacos politisches System jetzt "authentisch
demokratisch ist". Regierungssprecher Francois Chantrait betont
ebenfalls, dass die Politik demokratisch gestaltet werde, "auch
wenn das Land keine klassische parlamentarische Demokratie
ist".
Nun, über solche Urteile lässt sich
streiten. Jedenfalls firmiert Monaco nicht als parlamentarische
Monarchie, sondern als "konstitutionelle Erbmonarchie". Als
Staatsoberhaupt amtiert das jeweilige Oberhaupt des Hauses
Grimaldi, das in dem Fürstentum seit 1297 das Sagen hat. 1949
bestieg Rainier III. den Thron, als Monarch wird er assistiert vom
Kronrat und vom Staatsrat, zwei Konsultativorganen.
Die praktische Politik obliegt einer
vierköpfigen Regierung. An dessen Spitze steht Staatsminister
Patrick Leclercq, ein Franzose: Wie Francois Chantrait
erläutert, unterbreitet Paris dem Fürsten für diesen
Posten die Namen mehrerer französischer Politiker, unter denen
er seine Wahl trifft. Regierungsräte nennen sich die drei
Minister Philippe Deslandes (Inneres), Franck Biancheri (Wirtschaft
und Finanzen) sowie José Badia (Soziales und öffentliche
Arbeiten). Die drei Regierungsräte werden vom Fürsten
bestimmt - wobei der Innenminister traditionell ein Franzose ist,
auch wenn dies zwischen Monaco und Paris nicht formell vereinbart
ist. Richter werden ebenfalls vom Monarchen eingesetzt, wobei die
Verfassung im Sinne der Gewaltenteilung deren strikte
Unabhängigkeit vorschreibt.
Jahrzehntelang hatte die monegassische
Volksvertretung, der 24-köpfige Nationalrat, gegenüber
Monarch und Regierung eine sehr schwache Machtposition. Auf Druck
des Europarats wurden der Deputiertenkammer mehr
Mitbestimmungsrechte eingeräumt. Der Nationalrat
beschließt die Gesetze und den Haushalt, auch bei anderen
Fragen wie etwa der Außenpolitik oder der Einbürgerung
entscheiden die Abgeordneten mit. Allerdings: Das Recht zu
formellen Gesetzesinitiativen hat nur der Fürst, die konkreten
Entwürfe arbeitet die Regierung aus, von sich aus können
die Volksvertreter lediglich Vorschläge machen. Und: Absetzen
kann der Nationalrat eine Regierung nicht, Misstrauensvoten sind
nicht möglich. In einer Entschließung zur Mitgliedschaft
Monacos im Europarat hat denn auch die Parlamentarische Versammlung
des Straßburger Staatenbunds das Fürstentum aufgefordert,
in den nächsten fünf Jahren die Befugnisse der
Abgeordnetenkammer weiter auszubauen, etwa bei der Kontrolle der
Regierungspolitik und bei Gesetzesinitiativen.
Mittlerweile hat Monaco das Wahlalter von 21
auf 18 Lenze herabgesetzt, zur Urne gehen dürfen inzwischen
auch eingebürgerte Monegassen. Wegen eines gestärkten
Verhältniswahlrechts kommen im Nationalrat die
Kräfteverhältnisse der Parteien besser zum Ausdruck.
Früher wurde meist nur über eine Liste abgestimmt.
Konkret sieht es im Moment so aus: 21 Sitze hat die "Union für
Monaco", die politisch mit der CDU zu vergleichen ist, drei Mandate
entfallen auf zwei Kleinparteien. Regierungssprecher Chantrait:
"Alle politischen Formationen in Monaco sind für die
Monarchie."
Nach einem Vertrag zwischen Paris und Monaco
aus dem Jahr 1918 war Europas kleinstes Land außenpolitisch de
facto eine Art Protektorat Frankreichs. Das neue Abkommen von 2002
basiert nun "auf der Gleichheit zweier souveräner Staaten",
wie Francois Chantrait unterstreicht. Die Verteidigung liegt weiter
in den Händen von Paris, Monaco hat keine eigene Armee,
Rainier III. untersteht lediglich eine Palastwache. Das
Fürstentum unterhält mit Frankreich eine Zoll- und auch
eine Art Währungsunion: An dem schmalen Küstenstreifen
wird mit Euro bezahlt, obwohl Monaco kein EU-Mitglied ist.
Grenzkontrollen existieren nicht: Autofahrer wechseln von
französischem auf monegassisches Territorium, ohne es so recht
zu bemerken.
Nicht hinnehmbar für den Europarat ist
eine aus dem Jahr 1930 stammende Konvention zwischen Paris und
Monaco, nach der Frankreich zentrale Positionen im Staatsapparat
des Fürstentums mit Franzosen besetzt: So wird den
Bürgern des Landes der uneingeschränkte Zugang zu
politischen Ämtern verwehrt. In Zukunft sollen aber alle
Funktionen auch den Monegassen offenstehen: So sieht es eine neue
Vereinbarung mit Paris vor - die aber bislang nur paraphiert und
noch nicht formell unterschrieben und ratifiziert ist.
Zu den Eigenarten des Fürstentums
zählt, dass Einheimische bei der Arbeits- und Wohnungssuche
gewisse Vorrechte gegenüber Ausländern genießen.
Hintergrund dieser Regelung: In dem 200 Hektar kleinen Gebiet
stellen die 6.000 Monegassen nur noch eine Minderheit unter den
32.000 Einwohnern, 10.000 sind Franzosen, 6.000 Italiener, der Rest
verteilt sich auf verschiedene Nationalitäten. Die
Privilegierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt soll
sicherstellen, dass die Monegassen nicht zur Auswanderung gezwungen
werden. Angesichts der besonderen Lage akzeptiert der Europarat
diese Argumentation, obwohl die Straßburger Prinzipien eine
Gleichbehandlung von In- und Ausländern in den
Mitgliedsnationen verlangen.
Andererseits müssen die Monegassen
ihrerseits eine echte Benachteiligung in Kauf nehmen: Während
sich Fürstentum die Wohlhabenden der Welt tummeln, dürfen
sie noch nicht mal im Casino von Monte Carlo spielen - dieses
Vergnügen gönnt Ihro Gnaden Fürst Rainier III.
seinen Untertanen nicht.
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