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Bert Schulz
Fast schon zu solide: Noch nicht mal eine Krone
besitzt der Herzog
Luxemburg: Das letzte Großherzogtum der
Welt
Es war ein Weihnachtsgeschenk der epochalen Art, das
Großherzog Jean seinem ältesten Sohn Heiligabend 1999
machte: Nach 35 Jahren als Staatsoberhaupt Luxemburgs kündigte
der damals 78-Jährige seinen Rücktritt zu Gunsten von
Henri an. Ganz unerwartet kam das nicht. Bereits knapp zwei Jahre
zuvor hatte er seinem Nachfolger einen Großteil der
Amtsgeschäfte übergeben. Als "Statthalter" konnte sich
Henri quasi im Herrschen üben. In Luxemburg - anders als in
vielen europäischen Monarchien - muss ein Regent nicht erst
sterben, damit ein Generationenwechsel ohne Gesichtsverlust
vollzogen werden kann.
Luxemburg ist eine parlamentarische (Erb-)Monarchie, und eine
der wenigen, in denen das Volk explizit seine Zustimmung zu dieser
Staatsform gegeben hat: 1919 entschieden sich in einem Referendum
77,8 Prozent der Luxemburger gegen eine Republik und für die
Monarchie. An dieser hohen Akzeptanz hat sich bis heute nichts
geändert: Gegenwärtige Umfragen liefern etwa das gleiche
Ergebnis. "Etwas Urdemokratisches" habe die Monarchie, weil sie dem
Volk nicht aufgezwungen wurde, begründete dies einmal
Jean-Claude Juncker, der Premierminister des Landes. Nicht einmal
die Sozialisten und die relativ starken Grünen stören
sich noch an ihr.
Die Beliebtheit der großherzoglichen Familie in der
Bevölkerung hat mehrere Gründe. So ist ihr Lebensstil
auffallend dezent - besonders im Vergleich mit den königlichen
Nachbarn in Holland und Belgien, den beiden anderen Benelux-Staaten
- und kommt weitgehend ohne die klassischen höfischen
Attribute aus. Der Großherzog trägt zwar den Titel
"Königliche Hoheit", besitzt aber nicht einmal eine Krone. Und
über das großherzogliche Palais "Grand Ducal" spotten
manche, Besucher des Landes könnten es mit dem
Geschäftssitz der Sparkasse verwechseln, so unspektakulär
sei es. Dazu kam, dass der von 1964 bis 2000 herrschende
Großherzog Jean mit seiner Familie zurückgezogen in
Schloss Berg, 40 Minuten von der Hauptstadt entfernt, lebte und
schon aus Tradition keine Interviews gab. Wer in bunten
Blättern nach Schlagzeilen über die Luxemburger Royals
suchte, wurde kaum fündig. Skandale? Fehlanzeige.
Unauffällig bleiben hieß die Devise.
Letzteres gilt auch für die Regentschaft von Henri,
allerdings mit Einschränkungen. Mit dem Generationenwechsel
hat sich der großherzogliche Stil ganz sanft und vorsichtig
verändert. Henri legt deutlich mehr Wert auf
Bürgernähe: Er mischt sich zusammen mit seiner Frau Maria
Teresa bei zahlreichen Gelegenheiten "unters Volk". Auch arbeitet
er enger mit der Presse zusammen: Der Großherzog will seine
rund 440.000 Untertanen mehr und besser über die Arbeit des
Palastes informieren. Dafür öffnet er für sie und
die Presse schon einmal dessen Tore und arbeitet überhaupt
stärker mit den Medien zusammen. Selbst Interviews gibt
Henri.
Unverändert blieb hingegen sein Arbeitsstil als formelles
Staatsoberhaupt des kleinsten EU-Landes: Auch der am 16. April 1955
geborene Katholik beschränkt sich auf seine
repräsentativen Aufgaben. In die aktuelle Politik, die der von
ihm bestellte Premierminister lenkt, mischt er sich nicht ein -
obwohl er dazu laut Verfassung in der Lage wäre. Das
Staatsoberhaupt darf Gesetze initiieren und kann sie mit einem Veto
blockieren; er könnte das Parlament für einen Monat
aussetzen oder es sogar ganz auflösen, etwa im Fall einer
gescheiterten Regierungsbildung. Er ist juristisch "unverletzlich",
das heißt, er untersteht keiner Gerichtsbarkeit. In der Praxis
sind dies jedoch vor allem formale Rechte: Die
Mehrheitsverhältnisse nach den Wahlen und die Absprachen der
Parteien untereinander legen den Großherzog bei der Ernennung
der Regierung fest; seine exekutiven Funktionen beschränken
sich in aller Regel auf die Bestätigung und Verkündung
der Gesetze. Eine Verweigerung seiner Unterschrift hätte
bereits Züge einer Staatskrise. Zwar vertritt der
Großherzog sein Land völkerrechtlich; von ihm
geschlossene internationale Verträge müssen jedoch vom
Parlament ratifiziert werden.
Diese politische Zurückhaltung hat historische Gründe.
Erst im Zuge des Wiener Kongresses wurde das lange zwischen
mehreren europäischen Mächten hin- und hergeschobene Land
zum Großherzogtum erhoben und dem niederländischen
Königshaus übereignet. 1867 wurde Luxemburg mit der
Auflösung des Deutschen Bundes ein eigenständiger Staat
mit einer konstitutionellen Monarchie; die Verfassung aus dem
folgenden Jahr, die auch eine immerwährende Neutralität
festschrieb, gilt in ihren Grundzügen noch heute. Aber erst
1890 endete die Personalunion mit den Niederlanden. Seitdem ist die
Krone erblich in einer katholischen Linie des Hauses Nassau und die
Monarchie ein nationales Symbol der Unabhängigkeit.
Den monarchistischen Sündenfall beging kurz nach Ende des
Ersten Weltkrieges, während die Deutschen das Land besetzten,
die damalige Großherzogin Marie Adelheid. Wegen ihrer
offensichtlichen Sympathien für die Deutschen musste sie auf
massiven Druck der Bevölkerung zur Abdankung gezwungen werden;
sie ging in ein Kloster. Die souveränen Rechte des Monarchen
wurden daraufhin 1919 deutlich beschnitten und das Prinzip der
Volkssouveränität in die Verfassung aufgenommen. Seitdem
beschränkt sich das Staatsoberhaupt auf seine
repräsentativen Aufgaben. Insbesondere Marie Adelheids
Nachfolgerin, der Großherzogin Charlotte, gelang dies in
überzeugender Weise: Während des Zweiten Weltkrieges -
und einer erneuten Besetzung Luxemburgs durch die Deutschen - wurde
sie zu einer nationalen Ikone. Ihr Sohn und Nachfolger Jean nahm
als Offizier in der britischen Armee an den Invasionskämpfen
in Frankreich und Belgien teil. Noch heute trägt der hoch
dekorierte Kriegsheld deutliche Züge eines britischen
Militärs. Als Lehre aus der zweimaligen Besatzung
kündigte Luxemburg seine Neutralität auf und wurde
früh Mitglied der NATO.
Henri, der im Oktober 2000 vereidigt wurde und damit offiziell
die Nachfolge seines Vater antrat, verkörpert indes eher den
Typ eines seriösen und gebildeten Geschäftsmannes - jenes
Schlages also, der an einem Finanzplatz von Weltbedeutung, wie es
Luxemburg ist, am liebsten gesehen wird. Zwar hat auch er eine
Offiziersausbildung in England absolviert - schließlich ist er
als Großherzog offiziell Oberbefehlshaber der possierlichen
Armee seines Landes. Seit seinem Studium der Politikwissenschaften
in Genf Mitte bis Ende der 70er-Jahre und zahlreichen Bildungs- und
Informationsreisen über den ganzen Erdball, ist er aber eher
in der zivilen Welt zu Hause. Henri spricht fließend Deutsch,
Englisch, Französisch und Luxemburgisch (das
Moselfränkische hat in Luxemburg den offiziellen Status einer
Nationalsprache). Bereits als Erbgroßherzog hatte er eine
große Anzahl von Ehrenämtern übernommen. Heute ist
der 49-Jährige unter anderem Mitglied des Internationalen
Olympischen Komitees und Schirmherr des luxemburgischen
UNICEF-Komitees. Seit 1981 ist er mit der Exilkubanerin Maria
Teresa Mestre verheiratet, die er während seiner Studienzeit
in Genf kennen gelernt hatte. Die Großherzogin ist
Sonderbotschafterin der UNESCO. Das Paar hat fünf Kinder, vier
Söhne und eine Tochter.
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