K. Rüdiger Durth
Das "Grüne Herz Deutschlands" für die
Zukunft fit machen
In Thüringen soll mehr
entbürokratisiert und dereguliert werden
100 Tage ist sie nun im Amt, die neue Regierung des Freistaates
Thüringen unter Ministerpräsident Dieter Althaus. Wie
kaum ein anderer Regierungschef eines Bundeslandes hat es der
45-jährige ehemalige Gymnasiallehrer geschafft, innerhalb
kurzer Zeit bundespolitischen Einfluss zu gewinnen. Zu Hilfe kam
ihm dabei der Umstand, dass er zugleich bis zum 31. Oktober
Präsident des Bundesrates war und diese Funktion konsequent
für ein eigenes politisches Profil nutzte - als Reformer und
Bewahrer, als Interessenvertreter der neuen Bundesländer und
gewichtige Stimme innerhalb der CDU. Dennoch gelang es ihm nur
knapp, im "Grünen Herz Deutschlands" (wie sich der Freistaat
gern in der Tourismuswerbung nennt) die absolute Mehrheit zu
behaupten.
Zusammen mit Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz hat sich
Althaus in die Diskussion um den Aufbau Ost mit einem
Zehn-Punkte-Papier eingeschaltet, das unter dem Thema "Was jetzt zu
tun ist" steht. Dabei geht er davon aus, dass die Beseitigung der
teilungsbedingten Lasten auch in naher Zukunft eine gesamtdeutsche
Aufgabe ist. Das Schüren von Neid im Blick auf die hohen
Transferleistungen von West nach Ost bringe nicht weiter und
verkenne außerdem die große Aufbauleistung der neuen
Bundesländer. Dreh- und Angelpunkt sei weiterhin die hohe
Arbeitslosigkeit, die im Osten mehr als doppelt so hoch sei wie im
Westen.
Mit Nachdruck sprechen sich Althaus und Reinholz gegen einen
Reformstop auf Bundesebene aus. Die "Agenda 2010" der
rot-grünen Bundesregierung ist für sie nur ein Anfang.
Notwendig seien ein transparentes Steuerrecht, das nur mit einer
"großen Steuerreform" erreichbar sei und mit dieser müsse
2005 begonnen werden. Ferner seien die Flexibilisierung des
Arbeitsrechts und die dauerhafte Senkung der Lohnnebenkosten
erforderlich. In diesem Zusammenhang stellt sich die
Landesregierung von Thüringen hinter das von der
CDU-Vorsitzenden Angela Merkel propagierte Prämienmodell zur
Reform der Krankenversicherung aus.
Die Förderung der Infrastruktur in den jungen Ländern
muss Vorrang vor der Subvention der Steinkohle haben. Die
Strukturförderung der EU solle auch nach 2006 auf dem
bisherigen Niveau bleiben. Das "verfehlte Instrument der
Ökosteuer" solle mittelfristig wieder ganz abgeschafft werden.
Auch eine weitere Subvention der Windenergie wird abgelehnt. Ebenso
fordert man mehr Freiräume für die jungen Länder, um
wirtschaftlich endlich mit den alten aufschließen zu
können. Überhaupt ist man für mehr
Entbürokratisierung und Deregulierung.
Soweit die wichtigsten Aussagen aus dem Zehn-Punkte-Papier, die
vor allem die ostdeutschen Interessen insgesamt im Blick haben. Was
Thüringen betrifft, hat Althaus seine Regierungsarbeit
für die nächsten fünf Jahre unter das Motto
gestellt: "Die Chancen der Freiheit nutzen". Notwendig ist vor
allem die Konsolidierung des Haushalts (gegenwärtig rund 9,2
Milliarden Euro. Allerdings wird zurzeit heftig um einen
Nachtragshaushalt gestritten, weil vor allem die Steuereinnahmen
weggebrochen sind. Wirtschaft, Bildung und Familie müssen in
Zukunft stärker gefördert werden als bisher. Nur so
könne das "Grüne Herz Deutschlands" fit für die
Zukunft gemacht werden.
Dabei macht Althaus immer wieder deutlich: "Eine
Mentalität, die durch ein ausgeprägt etatistisches
Denken, durch ein Klammern an gescheiterte sozialistische
Denkweisen gekennzeichnet ist, bringt uns in Deutschland nicht
weiter. Auch die Klagekultur - ein in Deutschland weit verbreitetes
Phänomen, das von politischen Scharlatanen auf dem rechten und
linken Spektrum gefördert und auch ausgenutzt wird - schafft
keinen einzigen neuen Arbeitsplatz. Im Gegenteil: Jammern kostet
Kraft, die an anderer Stelle viel besser eingesetzt werden
könnte."
Die Forderung nach einer strafferen öffentlichen Verwaltung
stieß bei Althaus auf offene Ohren. So wird es in
Thüringen künftig statt 35 nur noch acht
Katasterämter mit neun Außenstellen geben. Das
Landesvermessungsamt wird 2005 in das Thüringer
Landesverwaltungsamt integriert. Es wird künftig statt 46 nur
noch 28 Forstämter geben. Die Zahl der Amtsgerichte soll von
30 auf 25 verringert werden. Eines der vier Landgerichte wird
aufgelöst, ebenso eine von vier Staatsanwaltschaften. Die Zahl
der Finanzämter soll bis 2007 von gegenwärtig 20 auf
zwölf reduziert werden. Auch werden das Landesamt für
Denkmalpflege und das Landesamt für archäologische
Denkmalpflege zusammengefasst. Die Forstfachhochschule Schwarzburg
ist bereits nach Gotha zum 1. September 2004 verlagert worden. Doch
nicht genug damit. Die Staatlichen Umweltämter werden
aufgelöst. Ihre Aufgaben werden zum Teil vom
Landesverwaltungsamt übernommen, zum Teil kommunalisiert oder
privatisiert. Auch das Landesjugendamt, das Landesamt für
Soziales und Familie sowie einige weitere Landesämter werden
aufgelöst. Zentralisiert werden auch einige fachschulische
Bereiche. Althaus denkt ebenso daran, das weit über die
Grenzen Thüringens hinaus bekannte "Panaroma Bad
Frankenhausen" zu privatisieren. In wenigen Jahren soll es in
Thüringen auch nur noch ein Studentenwerk geben.
Althaus: "Ich bin überzeugt: Diese Straffung der Strukturen
führt nicht nur zu mittelfristigen Einsparungen, sondern
schafft auch mehr Deregulierung und Transparenz für die
Bürgerinnen und Bürger." Bis 2009 sollen insgesamt 400
Stellen in den obersten Landesbehörden und in den Ministerien
eingespart werden. Im nachgeordneten Bereich fallen im gleichen
Zeitraum 7.000 Stellen weg. Das entspricht einem Personalabbau von
13 Prozent. Landesbedienstete, deren Aufgaben entfallen, werden
über eine Jobbörse auf unbesetzte Dienstposten in der
Landesverwaltung vermittelt. Dadurch sollen soweit wie möglich
externe Nachbesetzungen vermieden werden.
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