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Max Peschek
Männertypen im Wandel der Zeiten
Veränderung ist der Motor des
Fortschritts
Männer sind nicht gleich Männer - aber wie sind sie
wirklich? Eine Studie aus dem deutschsprachigen Raum
(Volz/Zulehner) entdeckte vier Männertypen: traditionelle,
pragmatische, neue und verunsicherte. Der "traditionelle" Mann (19
Prozent, Tendenz abnehmend) befürwortet konservative
Rollenmodelle - er verdient das Geld, sie sorgt für Kinder und
Haushalt. Der "pragmatische" Mann (25 Prozent) ist tolerant: Frauen
können auch erwerbstätig sein, wenn sie das wollen; wenn
sie sich lieber um Kinder und Haushalt kümmern, ist das auch
in Ordnung. Für den "neuen" Mann (20 Prozent, Tendenz
zunehmend) ist das Ziel eine Beziehung, in der die Verantwortung
für Erwerbs-, Familien- und Hausarbeit gerecht geteilt wird.
Für ihn ist die Elternzeit eine Bereicherung; Vereinbarkeit
von Familie und Beruf ist wichtig. Die größte Gruppe ist
allerdings die der "verunsicherten" Männer mit 37 Prozent.
Sind die hier beschriebenen Typen nun spezifisch männlich?
Eine Antwort finden wir bei Paul Ray, einem amerikanischen
Soziologen, der eine neue soziale Gruppe entdeckt hat: die
"kulturell Kreativen". Ray unterscheidet drei Gruppen in der
westlichen Kultur, jede mit einer eigenen Perspektive: Moderne,
Traditionalisten und kulturell Kreative. Die Modernen, mit etwa 48
Prozent die dominante - "normale" - Subkultur, sind eher
materialistisch orientiert, leben gerne in einer
wettbewerbsorientierten, kommerzialisierten, industriellen und
individualisierten Welt. Traditionalisten dagegen (rund 24 Prozent)
haben strikte Moralvorstellungen, würden gerne die
patriarchale Familie aufrechterhalten und lehnen den Feminismus ab.
Männer und Frauen sollten ihre traditionellen Rollen
beibehalten, Sexualität muss streng reguliert werden.
Kulturell Kreative wollen das leben, wovon sie überzeugt
sind, bringen das eigene Handeln mit ihren Überzeugungen und
Werten überein. Authentizität ist ein Schlüssel zum
Verständnis für diese Gruppe, deren erstaunlichstes
Merkmal darin besteht, dass sie sich nicht als solche empfindet,
obwohl sie (in den USA) inzwischen fast 24 Prozent der
Bevölkerung stellt - Tendenz steigend - mit einem Frauenanteil
von 60 Prozent. Intuition zählt genauso viel wie
Rationalität, Nachhaltigkeit und Ökonomie gehören
zusammen, die Spiritualität gewinnt zunehmend an
Bedeutung.
Wenn wir diese Ergebnisse zu denen der Männerstudie von
Volz und Zulehner in Beziehung setzen, sehen wir, dass diese drei
Werteperspektiven sowohl dem Verhalten von Männern wie auch
dem von Frauen zugrunde liegen; Geschlecht ist nur ein Faktor unter
vielen anderen, an denen die unterschiedlichen Werte sichtbar
werden. Jedoch bleibt auch bei Ray die Frage offen, woher diese
Typen stammen - wird man so geboren? Gibt es etwas, das wir tun
können, um mehr "neue" Männer zu bekommen? Diese Fragen
kann die Entwicklungspsychologie beantworten; insbesondere das
System der Spiraldynamics von Clare Graves, weiterentwickelt durch
Don Beck, der dieses Modell mit Erfolg als Berater von Nelson
Mandela in Südafrika einsetzte und so zum Ende der Apartheid
beigetragen hat.
Spiraldynamics beschreibt die menschliche Entwick-lung durch
sieben Werte-Ebenen, die Grundlage für Handeln und Wahrnehmung
sind und in jeder beliebigen Aktivität zum Ausdruck kommen
können: jede Ebene ein Kern-Werte-System, eine Weltsicht, ein
organisierendes Prinzip, welches Denken, Handeln, Entscheidungen
und kulturellen Ausdruck prägt. Die Ebenen sind mit Farben
benannt, um Bezüge zu politischen Richtungen und vor allem zu
Hautfarben zu vermeiden.
Die verschiedenen Stufen der Spiraldynamics-Ebenen bauen
aufeinander auf und entwickeln sich dann, wenn die dafür
geeigneten Lebensbedingungen gegeben sind. Sowohl Menschen wie
Kulturen haben ihren Schwerpunkt in einer Ebene. Die erste Ebene -
"Beige" - beschreibt die archaisch-instinktive Ebene des
Überlebens: Nahrung, Wasser, Wärme, Sex. "Purpur" legt
Wert auf Sicherheit durch Mitgliedschaft in einer Familie oder
Gruppe und bevorzugt animistisches Denken und magische Geister. Im
nächsten Schritt - "Rot" - entwickelt sich zum ersten Mal ein
individuelles Ich: impulsiv, egozentrisch und heroisch. Diese Ebene
liebt feudale Imperien, Macht und Ruhm. Gezähmt werden die
Impulse durch die Ebene "Blau": Das Leben hat Sinn und Richtung,
wird bestimmt durch einen allmächtigen Anderen, eine Ordnung
und einen höheren Sinn. Mit der Betonung von Familie und
Religion, einem Misstrauen gegenüber Veränderungen, von
Problemen mit der Komplexität der Welt, die durch klare
moralische Regeln gelöst werden sollen, finden wir hier die
Traditionalisten mit etwa 40 Prozent der Menschheit.
Die Modernen - mit der Farbe "Orange" machen sie rund 30 Prozent
der Menschheit - suchen Wahrheit und Sinn auf individualistischem
und wissenschaftlichem Weg. Die Welt wird als eine rationale
Maschine mit natürlichen Gesetzen gesehen, die erlernbar und
benutzbar sind. Der moderne Staat entsteht, leistungsorientiert und
materialistisch. Als Reaktion auf die Pathologien von "Blau" und
"Orange" entsteht anschließend "Grün" (zehn Prozent) mit
einer Wertschätzung von Beziehungen, ökologischer
Le-bensweise und engagierter Teilnahme an der Welt, das Zuhause
für Pluralismus, Postmoderne, humanistische Psychologie,
Feminismus und ökologischen Aktivismus, mit allen Kennzeichen
der kulturell Kreativen: Selbstverwirklichung, Offenheit für
fremde Kulturen und Spiritualität, antihierarchisch,
egalitär, empfindsam. Die siebente Ebene, "Gelb", seit etwa 30
Jahren im Entstehen, ermöglicht schließlich die
Anerkennung aller Vorgänger und ihre flexible, an konkreten
Gegebenheiten orientierte Handhabung. Eine integrale,
multi-perspektivische Weltsicht, die einen weiten Horizont bei der
Lösung anstehender Herausforderungen ermöglicht.
Wenn wir nun die Typen der Männerstudie den einzelnen
Werte-Ebenen zuordnen (traditionell - blau; pragmatisch / modern -
orange; neu / kulturell kreativ - grün), dann entwickeln
Männer und Frauen sich in genau dieser Reihenfolge, wie aus
Langzeitstudien ersichtlich wird.
Die Schlussfolgerung: Dem Faktor "Bewusstsein", der
Persönlichkeitsentwicklung, kommt in Bezug auf
Chancengleichheit und Geschlechterdemokratie eine höhere
Bedeutung zu als der Geschlechtszugehörigkeit. Männer und
Frauen mit einem Schwerpunkt in der gleichen Werte-Ebene haben mehr
miteinander gemeinsam als mit Angehörigen des gleichen
Geschlechts, die ihren Schwerpunkt in einer entfernten Werte-Ebene
haben.
Der Geschlechterkampf - ursprünglich als Auseinandersetzung
zwischen Männern und Frauen gedacht - wird damit als
historischer Irrtum erkennbar: Der Hauptwiderspruch liegt im Kampf
zwischen Werte-Ebenen (hier: kulturell kreativ gegen traditionell
und modern, beziehungsweise "Grün" gegen "Blau" und "Orange"),
und wird in der Integration der positiven Aspekte aller Ebenen
(integral beziehungsweise "Gelb") gelöst. Dies bedeutet jedoch
keineswegs, dass Geschlecht als Thema ausgedient hat: Mit einem
integralen Ansatz wird deutlich, dass die biologischen und
kulturellen Prägungen durchaus zu männlichen und
weiblichen Verhaltensweisen und Eigenheiten bei Männern und
Frauen führen. Diese Unterschiede wahrzunehmen und kritisch zu
reflektieren, bleibt deshalb weiterhin ein wichtiges Thema im
kulturellen Gender-Diskurs.
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