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Karl-Otto Sattler
Showdown im politischen Gleichklang mit ein paar
Fouls
Baden-Württemberg: Machtkampf zwischen
Oettinger und Schavan
Alle tun es, nur zwei nicht, Pech für
Annette Schavan. Günther Oettinger, Konkurrent der
Kultusministerin beim Machtkampf um die Nachfolge des Stuttgarter
CDU-Regierungschefs Erwin Teufel, erhält Unterstützung
zuhauf. Wolfgang Schäuble und Lothar Späth attestieren
dem Fraktionsvorsitzenden in einer Erklärung "die besten
Voraussetzungen und die breitesten Erfahrungen für das Amt des
Ministerpräsidenten". Teufels Vorgänger Späth legt
in einem Interview nach und lobt nicht nur, dass sein Favorit
"eloquent" sei und dass dessen "große Stärke das Denken
in Zusammenhängen ist": Nein, Oettinger habe sogar das Zeug
zum "Cleverle" - als solches firmierte Späth einst, worauf er
heute noch stolz ist.
Die meisten Unions-Landtagsabgeordneten
machen in den Wahlkreisen Stimmung für den 51-Jährigen.
Ein Kongress der Jungen Union (JU) bedenkt Schavan zwar mit
freundlichem Beifall, enthusiastisch gefeiert aber wird deren
Gegenspieler: "Oettinger for Ministerpräsident" steht auf
einem Transparent, das dessen Fans auch bei den Rededuellen der
Kontrahenten auf den sechs Regionalkonferenzen ausrollen.
Sozialausschüsse, Kommunalverband, Wirtschaftsrat, mehrere
CDU-Kreisvorstände: An Aufrufen pro Oettinger mangelt es
nicht.
Der Freundeskreis der Ministerin indes
hält sich offiziell zurück, über die Motive wird
gerätselt. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass
Teufel und Partei-Generalsekretär Volker Kauder auf der Seite
Schavans stehen und hinter den Kulissen Strippen ziehen. Vor allem
der Noch-Regent in der Villa Reitzenstein, der von den Frondeuren
des Fraktionschefs bei einer intrigranten Schlammschlacht zum
Rücktritt getrieben wurde und dessen Staatsminister Christoph
Palmer auf dem Höhepunkt des Grabenkriegs den
Bundestagsabgeordneten und Oettinger-Freund Joachim Pfeiffer
ohrfeigte, protegiert die Ministerin. Allein, der 65-Jährige,
den mit der von einer katholisch-konservativen
Intellektualität umwehten 49-Jährigen eine
Seelenverwandtschaft verbindet, ergreift öffentlich nicht
Partei, ja, er taucht nicht einmal bei den Regionalkongressen auf.
So bleibt es bei indirekten Signalen: Teufel berief nach dem
Rücktritt Palmers den bekennenden Schavan-Sympathisanten
Ulrich Müller zum neuen Staatsminister -- den er als
Umweltminister im Sommer entlassen hatte.
Die Befragung der 81.000 Mitglieder über
die Kür des künftigen Ministerpräsidenten, deren
Ergebnis am 2. Dezember verkündet wird, markiert für die
Südwest-CDU Neuland. Ein Parteitag Mitte Dezember und die Wahl
des neuen Regierungschefs durch die CDU/FDP-Mehrheit im Parlament
nach dem Ausscheiden des Amtsinhabers im April vollziehen den
Basisentscheid nur noch formell. Alles hängt also vom
Mitgliedervotum ab, und dabei spielen die Rededuelle mit Oettinger
und Schavan eine zentrale Rolle.
Aber sieht so ein harter Kampf um die Macht
aus? Die stets lächelnden Matadore vermeiden tapfer jede
Attacke auf den Konkurrenten, Oettinger spricht gar von einem
"Freundschaftsspiel". Beim JU-Konvent konstatiert ein Delegierter,
zwischen den beiden Aspiranten gebe es doch "vollkommende
Übereinstimmung". In der Tat sind politische Differenzen nicht
auszumachen.
Mit Haken und Ösen
Im badischen Rust nicken sich die beiden
Gegner öfter zustimmend zu, wenn der andere am Mikrofon
für eine Energieversorgung auch mit Atomkraft, für die
Schonung der Polizei bei Stellenstreichungen, für die
Förderung von Existenzgründungen, für
Schuldenreduzierung, für Bürokratieabbau, für mehr
Ganztagsbetreuung und für manches mehr plädiert. Der
kämpferisch agierende Oettinger profiliert sich vor allem als
Wirtschaftspolitiker und fordert längere Arbeitszeiten ohne
Lohnausgleich, Schavan schwelgt ab und an im Grundsätzlichen,
verlangt eine "Politik aus christlicher Verantwortung" und wettert
gegen eine "Politik der Beliebigkeit". Pünktlich zum Start der
Regionalkonferenzen verkündete die Ministerin ihre Forderung,
in Moscheen müsse auf Deutsch gepredigt werden - ein
beifallumrauschter Knüller im parteiinternen
Wahlkampf.
Beim Umgarnen der jeweiligen regionalen Basis
mit landsmannschaftlicher Folklore lassen sich die Kontrahenten
nicht lumpen. In Rust trägt die Rheinländerin Schavan
besonders dick auf: "Tiefe Wurzeln" hat sie in Südbaden
geschlagen, in Freiburg hat sie ihre Doktorarbeit geschrieben, im
Schwarzwald urlaubt sie, ja, selbst Wein hat sie am Oberrhein schon
gekauft. Oettinger definiert sich als "Stuttgarter Schwabe", lobt
aber Baden als Deutschlands "schönsten Garten", was bei
Württemberg nur ein wenig der Fall sei.
Aber es wird auch mit Haken und Ösen
gekämpft. Organisiert reisen Oettinger-Fans in Bussen zu den
Regionalkonferenzen, um für ihr Idol zu powern: In Rust
besetzen sie die erste Stuhlreihe und stehen nach Oettingers Rede
beim Applaus auf, um das 1.000-köpfige Publikum
mitzureißen - was jedoch misslingt. Ein Griff in untere
Schubladen ist es dann, wenn ein CDU-Mitglied die Ministerin allen
Ernstes fragt, warum sie keine Kinder habe. Der
Fraktionsvorsitzende weist bei seinen Auftritten stets auf Ehe und
Sohn hin: "Kinder zu haben ist die Logik des Lebens
überhaupt", ruft er vor der JU aus. Ein böser Tiefschlag
gegen Schavan dann bei der Regionalkonferenz in Tuttlingen: Ein
Besucher unterstellt der Politikerin eine Neigung zu
Homosexualität. Die weist diesen Angriff als "schäbig,
absurd und Rufmord" zurück.
Andererseits lässt Schavan ein Faltblatt
verteilen, in dem allerlei Unterstützer von einer Freiburger
Diplombraumeisterin bis zu BDI-Präsident Michael Rogowski die
Ministerin mit Lob überschütten, sie habe eine "enorme
Ausstrahlung", "weibliches Einfühlungsvermögen", einen
"nüchternen Blick", sei "liebenswürdig", eine "starke
Frau". Peinlich nur, dass ein Renommier-Unternehmer wie Berthold
Leibinger überhaupt nicht erbaut war, sich ohne sein Wissen
auf dieser Liste wiederzufinden. Arbeitgeber-Präsident Dieter
Hundt sagte einen Schüler-Besuch in seiner Uhinger Firma ab,
nachdem auch Schavan dabei publicityträchtig aufkreuzen
wollte.
Nach einer Umfrage liegt in der
Bevölkerung Oettinger knapp vor Schavan, hat bei den
CDU-Wählern jedoch mit 47 zu 29 Prozent die Nase vorn. In Rust
hält sich der Applaus für beide die Waage. In Heilbronn,
so die Messung von Journalisten, rangiert Oettinger mit 110
Sekunden vor Schavan mit 50 Sekunden. Auch dieses Spiel gehört
dazu.
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