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Das Parlament
Nr. 49 / 29.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Johanna Metz

Das Plädoyer eines Optimisten

Zeithistoriker Timothy Garton Ash diskutiert über die Krise des Westens

Timothy Garton Ash ist ein optimistischer Mensch. Der britische Zeithistoriker träumt von einer freien Welt voller liberaler Demokratien. Wenn sich Europa und Amerika einig seien, hofft er, könnten sie gemeinsam die Ausbreitung von Massenvernichtungswaffen verhindern, den Nahen Osten befrieden und demokratisieren, die Klimaerwärmung stoppen, das Gefälle zwischen Arm und Reich beseitigen und den unaufhaltsamen Aufstieg des Pazifischen Raumes kontrollieren. So visionär, so gut.

Als der Autor am vergangenen Mittwoch zusammen mit Bundesaußenminister Joschka Fischer und dem Wegbereiter der Neuen Ostpolitik, Egon Bahr, im Beamtenbund-Forum in Berlin über sein neuestes Buch "Freie Welt. Europa, Amerika und die Chance der Krise" diskutiert, ist sich die Runde einig, dass seit dem Fall des Eisernen Vorhangs, spätestens aber seit dem 11. September 2001, der Westen in der Krise steckt: Amerika, als einzige verbliebene Supermacht nach Ende des Kalten Krieges, überschätzt seine militärische und ökonomische Macht - eine Hybris mit unabsehbaren Folgen nicht nur für die USA. Das transatlantische Bündnis ist tief gespalten, seit mit dem Irakkrieg die Gegensätze zwischen den USA und Europa noch deutlicher geworden sind. Und auch die Europäische Union ist nicht in der Lage, in wichtigen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik gemeinsame Positionen zu beziehen.

Garton Ash sieht die Ursache darin vor allem in der jahrhundertelangen Rivalität zwischen dem traditionell euroskeptischen England und dem eurogaullistisch geprägten Frankreich. Deutschland falle die Vermittlerrolle zu, wolle man diesen Gegensatz in Europa auflösen. Dann beginnt er, auf einem kleinen Tischchen mit Selters-Flaschen umherzurücken. "Hier steht Frankreich. Hier England. Und da in der Mitte befindet sich Deutschland." Deutschland sei doch schließlich die Zentralmacht Europas, bekräftigt er, aber leider, und da schwingt in seiner Stimme Bedauern mit, nehme Deutschland diese Schlüsselrolle im Moment nicht ganz wahr - "oder Herr Fischer?"

Da schraubt sich auch Egon Bahr aus seinen Stuhl, in dem er bislang eher lässig gelehnt hatte: "Ja, Herr Fischer, sollten wir nicht mehr politisieren?" Fischer, verdutzt, sagt "nö", was, verständlicherweise, die Fragenden nicht zufrieden stellt. Deshalb fügt er nach einer Pause hinzu, nicht die Tatsache, dass es gegensätzliche Positionen in Europa gebe, finde er schlimm, vielmehr sei das Problem die fehlende Institution in der Außen- und Sicherheitspolitik. "Sorry to say so, Timothy", entschuldigt Fischer seinen Widerspruch; ein Satz, den er gern und oft an diesem Abend wiederholt. Wenn die EU-Verfassung in Kraft trete, könne Europa mit einem EU-Außenminister auch Einigkeit demonstrieren. Bahr ist da skeptischer. Wie wolle man denn mit 25 Mitgliedern zu gemeinsamen Lösungen kommen, wenn das vor 30 Jahren nicht mal mit sechs Mitgliedern funktioniert habe, fragt er.

Doch Garton Ash ist zuversichtlich, dass diese Probleme lösbar sind. Es gebe schließlich in den langfristigen vitalen Interessen zwischen Amerika und Europa und innerhalb Europas keine fundamentalen Unterschiede.

Allen müsse außerdem klar sein, dass weder Europa noch Amerika allein die Herausforderungen der Zukunft meistern könnten. Europa solle sich daher nicht als Rivale zu den USA positionieren, das Ziel solle eher eine "operative Wir-Gemeinschaft" sein, die neben Europa und den USA auch Länder und Kontinente wie Indien, Südamerika oder Australien umfassen müsse.

Mit einem derart gestärkten Bündnis könnte aus der Krisenentwicklung und wachsenden Entfremdung zwischen den westlichen Mächten in den vergangenen Jahren die Chance erwachsen, die globalen Probleme in Zusammenarbeit zu lösen.

Den Weg zu einer gemeinsamen Politik finden - für den Optimisten Garton Ash ist das keine leere Formel, sondern eine Verpflichtung .

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