Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 2000 > Deutscher Bundestag - Blickpunkt 07/2000 >
Juli 07/2000
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

DIALOGVERANSTALTUNG DER ENQUETE-KOMMISSION

Engagement ist vorhanden - Hemmnisse müssen abgebaut werden

(as) Auch im Zeitalter der zunehmenden Individualisierung ist es kein Problem, Menschen aller Altersgruppen für bürgerschaftliches Engagement zu gewinnen. Der Mangel an gesellschaftlicher Anerkennung dieses Engagements sowie bürokratische Hindernisse und vor allem Lücken im Versicherungsschutz stellen jedoch Hindernisse dar. Diese Erkenntnis zog sich wie ein roter Faden durch die erste öffentliche Veranstaltung der Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" am 26. Juni in der Katholischen Akademie in Berlin.

Der Vorsitzende, Michael Bürsch (SPD), erläuterte, die Kommission trete mit dieser Veranstaltung zum ersten Mal an die Öffentlichkeit und habe dazu neun Projekte und Initiativen mit neuen Formen bürgerschaftlichen Engagements eingeladen, um diesen ein Forum zu bieten, sich selbst darzustellen und in einen Dialog mit der Enquete-Kommission zu treten. Thematisch würden dabei die drei Bereiche abgedeckt, mit denen sich die Enquete-Kommission derzeit intensiv befasst: Zivilgesellschaft, Erwerbsarbeit und Sozialstaat.

Die Vertreterin der Berliner Tafel e. V., die im Februar 1993 nach dem Vorbild von City Harvest in New York als erste Tafel in Deutschland gegründet wurde und ein gemeinnütziger, mildtätiger Verein ist, legte dar, die Erfolge ihrer Arbeit zeigten sich daran, dass es inzwischen 302 solcher Tafeln in Deutschland gebe. Allein in Berlin würden rund 100.000 Kilogramm Lebensmittel im Monat eingesammelt, sortiert und direkt an Wärmestuben, Suppenküchen, Frauenhäuser und Beratungsstellen verteilt. Dieser Erfolg sei zwar einerseits erfreulich, andererseits aber auch erschreckend, so die Leiterin des Projektes, Sabine Werth. Die wachsende Armut in Deutschland mache diese Tafel erst notwendig.

Bewusst arbeite man nur mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen und verzichte auf öffentliche Gelder, um so die Autonomie zu bewahren. Wichtig sei auch, dass man die Verantwortung des Staates nicht in Frage stellen wolle. Insgesamt engagierten sich bei den Tafelprojekten in der Bundesrepublik etwa 15.000 Menschen, die sich aus allen gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen rekrutierten. Werth forderte von der Politik, dass ihre Arbeit nicht als Ersatz für staatliche Fürsorge gesehen werden dürfe und Sachspenden aus der Wirtschaft steuerlich erleichtert werden sollten.

Auf ein ganz anderes Problem verwies die Vertreterin des Arbeitslosenprojektes im Kreis Teltow-Fläming "Menschen für Menschen". Ehrenamtliches Engagement koste Geld, und den Arbeitslosen sei es oft nicht einmal möglich, die notwendigen Fahrtkosten aufzubringen. In neun Jahren, so Ingrid Peter, habe man ein kommunales Netzwerk aufgebaut. Das Projekt arbeite mit sieben Ämtern beziehungsweise Gemeinden im Kreis Teltow-Fläming zusammen. Durch diese intensive Zusammenarbeit vor Ort mit den Menschen, den Kommunen und auch den Unternehmen seien zahlreiche Einrichtungen im ländlichen Raum entstanden. Die ehrenamtliche Tätigkeit ihrer Initiative diene als Brückenfunktion beziehungsweise zur Vorbereitung von neuen Projekten. Ziel sei es vor allem, arbeitslose Menschen wieder in den ersten Arbeitsmarkt einzugliedern.

Eine Initiative ganz anderer Art stellte die "Xolelanani e.V. – (Versöhnung)" der Ortsjugendausschüsse der IG Metall dar. Über kulturelle und Ländergrenzen hinweg helfen deutsche Jugendliche in einem Township in Südafrika beim Aufbau eines Jugendzentrums mit. Dabei geht es darum, in Deutschland Geld zu sammeln und vor Ort auf der Baustelle mit den südafrikanischen Jugendlichen zu arbeiten. Reise und Aufenthalt Südafrika müssen die Jugendlichen selbst finanzieren und ihren Urlaub dafür verwenden. Probleme gibt es dabei vor allem beim Versicherungsschutz, um den die Jugendlichen sich selber kümmern müssen. Kritisch merkten die Jugendlichen an, dass es bessere und vor allem einheitliche Freistellungsmöglichkeiten geben müsse. Diese seien in den Bundesländern sehr unterschiedlich, ebenso wie die Fördermöglichkeiten für solche Initiativen.

Zu Beginn der Veranstaltung hatte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse erklärt, trotz vieler Klagen über zunehmenden Egoismus in der Gesellschaft erlebe man vielfältige Formen des ehrenamtlichen Engagements und hohe Spendenbereitschaft. Es gebe aber auch ein großes Bedürfnis nach mehr Anerkennung für das Ehrenamt.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0007/0007026a
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion