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Mai 3/2003
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Wie ein Bundeshaushalt entsteht

Politik in Zahlen

Im Grunde geht der Plan ganz einfach. Am Ende will der Staat nicht mehr ausgegeben als eingenommen haben, zwischen Starken und Schwachen ausgeglichen, öffentliche Sicherheit garantiert, die Wirtschaft stimuliert und viele weitere wichtige Anliegen vorangebracht haben. Nicht eben wenig Ehrgeiz steckt hinter diesen Anliegen. Man kann lebhaft darüber streiten und um Kompromisse ringen. Und man kann es in Zahlen ausdrücken: Der Haushaltsplan ist die Summe der Politik. Kein frommer Wunsch. Sondern praktische Grundlage dafür, dass aus Absicht Realität wird. Wie funktioniert das?

In der Regel liefern die Erfahrungen aus den Vorjahren Orientierungen zum Bedarf. Neue Ideen, bessere Lösungsansätze, zusätzliche Aufgaben müssen sich in das laufende Programm einfinden. Das beginnt bei jedem einzelnen Mitarbeiter der Bundesministerien oder den damit gleichgestellten Obersten Bundesbehörden. Der beschlossene Plan für das nächste Haushaltsjahr hat meistens noch nicht begonnen zu greifen, da geht es mit dem übernächsten schon los. Denn bereits im Dezember machen sich die Mitarbeiter Gedanken darüber, was in Zukunft gebraucht wird. Spätestens wenn das formelle „Haushaltsaufstellungsrundschreiben“ des Finanzministeriums in allen Ministerien eintrifft, wird es ernst.

Jedem Beteiligten ist dabei klar, dass es in Zeiten knappster öffentlicher Mittel nur um absolut notwendige Angelegenheiten gehen kann. Das heißt: Was ist wirklich wichtig?

Die Aufstellung erfolgt nach einheitlichen Grundsätzen. Zu diesen gehört zum Beispiel, dass

* für jedes Jahr ein neuer Haushalt erstellt werden muss,
* die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben vollständig zu erfassen sind,
* alle Einnahmen zur Deckung aller Ausgaben verwendet werden,
* die Summe der geplanten Einnahmen mit der Summe der vorgesehenen Ausgaben übereinstimmt.

Die öffentlichen Haushalte müssen zudem auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ausgerichtet sein. Das bedeutet, dass Bund, Länder und Gemeinden verpflichtet sind, auch in ihrer Finanzpolitik zur Preisstabilität beizutragen, die Arbeitslosigkeit zu minimieren, die Außenwirtschaft im Gleichgewicht zu halten und auf ein Wirtschaftswachstum zu achten, das alle diese Ziele möglich macht.

In den Haushaltsreferaten jedes Ministeriums und jeder Obersten Bundesbehörde werden die Vorschläge aus dem Haus gesammelt, gegeneinander abgewogen, reduziert, ergänzt und nach einer ersten Zusammenstellung als Voranschlag (1) an das Finanzministerium weitergeleitet – und auch dort von Anfang an nicht nur gesammelt. Denn dort besteht am ehesten eine Übersicht nicht nur über den „Bedarf“ an Ausgaben, sondern auch über die vermutlich zur Verfügung stehenden Einnahmen. Prognosen darüber bekommt das Finanzministerium aus den Steuerschätzungen eines Arbeitskreises, dem Experten von Bund, Ländern, Gemeinden, dem Statistischen Bundesamt und verschiedenen wissenschaftlichen Instituten angehören. Sie versuchen, aus verschiedenen Anzeichen die künftige gesamtwirtschaftliche Entwicklung vorauszuahnen, und projizieren die Steuer- und Abgabengesetze sowie anderen Einnahmequellen der öffentlichen Hand so auf diese Annahme, dass sie annähernd die wahrscheinlichen Einnahmen des Staates voraussagen können.

Bundeshaushalt: Vom Entwurf zum Gesetzblatt
Bundeshaushalt: Vom Entwurf zum Gesetzblatt.

Daraus ergibt sich ein voraussichtlicher Verfügungsrahmen. Faustregel: zu erwartende Einnahmen plus vertretbare Kreditaufnahme. Was aber „vertretbar“ ist, wird von Jahr zu Jahr kritischer. Allein der Bund hat nämlich bereits eine dreiviertel Billion Schulden angehäuft, so dass die daraus folgenden Zinslasten schon fast jeden fünften eingenommenen Euro in Anspruch nehmen – der damit für die eigentlichen Aufgaben des Staates nicht mehr zur Verfügung steht. Damit der Spielraum in Zukunft wieder größer wird, entsteht zusätzlicher Druck auf den „Bedarf“ jeder einzelnen Behörde, gibt es intensive Kontakte zwischen dem Finanzministerium und den Fachbehörden um die Frage, was wirklich unabweislich nötig ist.

Hinzu kommt, dass das Einnahme- und Ausgabeverhalten der verschiedenen Ebenen des Staates aufeinander abzustimmen ist. Denn Bund, Länder und Gemeinden sind gemeinsam verantwortlich für die Finanzentwicklung des Staates, für die Einhaltung etwa der Stabilitätskriterien, auf die sich die Euro-Staaten im Vertragswerk von Maastricht verpflichtet haben. Dazu entwickelt der Finanzplanungsrat mit Vertretern des Bundes, der Länder und der Kommunen Empfehlungen, die der Finanzminister bei der Aufstellung
des Bundeshaushaltes ebenfalls zu berücksichtigen hat. Sie sind letztlich jedoch nicht bindend, denn laut Grundgesetz bleiben Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft jeweils selbstständig und nehmen sie unabhängig voneinander vor. Dennoch können die Empfehlungen ebenfalls Auswirkungen darauf haben, welcher „Bedarf“ jeder einzelnen Behörde finanzierbar sein wird. Der Finanzminister kann „nach Benehmen“ mit den Betroffenen die einzelnen Ansätze ändern.

In diesem Aufstellungsverfahren haben einige Oberste Bundesbehörden wie der Bundesrechnungshof gegenüber den Bundesministerien eine Sonderstellung. Auch die Arbeit der Verfassungsorgane und des unabhängigen Bundesrechnungshofes kostet Geld. Auch sie müssen deshalb in das Haushaltssystem des Bundes integriert sein. Mit dem Verständnis ihrer regierungsunabhängigen Stellung vertrüge es sich jedoch nicht, wenn sie in den regierungsinternen Ablauf nahtlos einbezogen wären. Zwar kann der Finanzminister – um die Haushaltsziele zu erreichen – auch die von den Spitzen dieser Institutionen kommenden Voranmeldungen abändern. Wenn die Betroffenen damit aber nicht einverstanden sind, muss der Finanzminister dieses bei der Beschlussfassung über den Haushaltsentwurf mitteilen. Es handelt sich um den Bundespräsidenten, den Bundestagspräsidenten, den Bundesratspräsidenten, den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes und den Präsidenten des Bundesrechnungshofes.

Finanzminister Hans Eichel in der Debatte um den Bundeshaushalt
Finanzminister Hans Eichel in der Debatte um
den Bundeshaushalt.

Dieser Prozess kommt meistens im Sommer vor dem zu planenden Haushaltsjahr zu einem vorläufigen Zwischenstand. Dann kann sich auch die Öffentlichkeit ein erstes umfassendes Bild von den konkreten Vorhaben der Regierung machen, denn der Haushaltsplan (2) wird als Entwurf von der Bundesregierung beschlossen und dann in den wesentlichen Grundzügen öffentlich dargestellt.

Es handelt sich nun um ein rund 2.500 Seiten starkes Werk, das sich in einen Gesamtplan und in Einzelpläne gliedert. Im Gesamtplan findet sich eine Haushaltsübersicht mit Auflistungen der Verpflichtungsermächtigungen (3), eine Finanzierungsübersicht und ein Kreditfinanzierungsplan. Es folgen zur Einleitung der Einzelpläne weitere Übersichten über Gruppierungen, Funktionen, Personal und den Haushalt durchlaufende Posten. In den Einzelplänen wird für jedes Ministerium, jede Oberste Bundesbehörde detailliert angegeben, was in diesem Fachbereich eingenommen und wofür es ausgegeben werden soll. Das gliedert sich wiederum in einzelne Kapitel, in denen sich dann die Einnahmen und Ausgaben in so genannten Titeln (4) wiederfinden – jeweils getrennt nach Entstehungsgrund (Einnahmen) und Zweck (Ausgaben) aufgeführt. Hinzu kommen weitere Einzelpläne, etwa zur „Bundesschuld“, zur „Versorgung“ oder zur „Allgemeinen Finanzverwaltung“. Der gesamte Haushalt hat knapp 1.000 Einnahmetitel und über 6.000 Ausgabetitel.

Das gesamte Paket geht parallel an den Bundesrat und an den Bundestag. Ein wichtiges Hilfsmittel für die nun folgende Begutachtung der aktuellen Zahlen im Haushaltsplan für das nächste Jahr ist der gleichzeitig aufgestellte Finanzplan (5), der die voraussichtliche Entwicklung für die nächsten fünf Jahre enthält. Viele Vorhaben lassen sich schließlich nicht auf ein einziges Jahr begrenzen.

Innerhalb von sechs Wochen nach Erhalt nimmt der Bundesrat Stellung zu dem Entwurf. Auf diese Weise kann der Bundestag bei seinen Beratungen die Haltung der Länder mit berücksichtigen – schließlich wird der Haushalt erst Gesetz, wenn der vom Bundestag letztlich beschlossene Entwurf auch die Länderkammer erfolgreich passiert hat. Die Bundesregierung erstellt anschließend eine Gegenäußerung zu den Ausführungen des Bundesrates, und spätestens dann geht es los. Meistens unmittelbar nach der parlamentarischen Sommerpause erläutert der Bundesfinanzminister zur so genannten Einbringung des Haushaltes in der ersten Lesung des Entwurfes die politische Absicht, die hinter dem Zahlenwerk steht. Die Opposition fügt in der anschließenden ersten Generaldebatte hinzu, wie sie die Angelegenheit sieht. Und weil nacheinander jeder einzelne Fachbereich aufgerufen wird, geht es in dieser Debatte auch um sämtliche Linien der aktuellen Politik. Herausragend ist dabei der Etat des Kanzleramtes. Dieser gehört zwar zu den kleinsten. Aber da der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt, ist diese Einzelberatung immer Anlass zum ganz großen Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition.

Die mehrtägige erste Lesung mit ständigem Hin und Her zwischen Regierung und Opposition in jedem einzelnen Fachbereich endet mit der Überweisung des Entwurfes an den Haushaltsausschuss. Die anderen Fachausschüsse nehmen zwar auch die geplanten Haushaltsansätze in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich unter die Lupe und geben ihre Einschätzung mit Empfehlungen an den Haushaltsausschuss weiter. Doch hier geschieht die meiste, die eigentliche Arbeit. Hier gehen Berichterstatter des Haushaltsausschusses für die verschiedenen Fachbereiche jeden einzelnen Ausgabeposten durch, fragen in den Ministerien nach den Hintergründen und legen dem Ausschuss dann ihrerseits Empfehlungen vor. Die werden in so genannten Einzelplanberatungen durchgesprochen. Und am Ende steht ein mehr oder weniger stark veränderter Haushaltsentwurf, der dann erneut ins Plenum des Bundestages geht. Die nun folgende zweite Lesung ist erneut Anlass zu Auseinandersetzungen mit der Politik der Regierung, wobei jeder Einzelplan beschlossen und nachfolgend in der dritten Lesung das gesamte Werk mitsamt allen Änderungen zur Schlussabstimmung steht.

Beratung im Haushaltsausschuss
Beratung im Haushaltsausschuss.

Zwischen diesem Votum und der Verkündung und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt steht zunächst die nochmalige Beteiligung des Bundesrates. Er kann sofort zustimmen, dann unterschreiben Finanzminister, Bundeskanzler und Bundespräsident das Gesetz. Wenn die Länderkammer Bedenken hat, kann sie den Vermittlungsausschuss anrufen. Schlägt dieses Gremium aus Bundestag und Bundesrat Änderungen vor, muss der Bundestag erneut darüber abstimmen. Lehnt die Bundestagsmehrheit die Änderungen ab, kann der Bundesrat noch einen Einspruch einlegen, den aber der Bundestag abschließend zu überstimmen vermag. Der Rest ist dann identisch mit dem reibungslosen Ablauf.

Mit dem Beschluss hat der Bundestag den Haushalt jedoch nicht aus der Hand gegeben. Denn über seinen Haushaltsausschuss behält das Parlament die Kontrolle über den Umgang mit den Steuergeldern. So wird das Instrument der „Sperrung“ immer wieder dann eingesetzt, wenn die Voraussetzungen für die Freigabe der Mittel bei den Beratungen noch nicht erfüllt sind, wenn noch entscheidende Fragen zu klären, bestimmte Vorbedingungen zu erfüllen sind. Vor allem über seinen Unterausschuss, den Rechnungsprüfungsausschuss, hat der Haushaltsausschuss permanent den „Daumen drauf“ und beobachtet den wirtschaftlichen Umgang der Regierung mit dem Geld. Dabei gibt es eine enge Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof, der von sich aus die Ergebnisse von Prüfungen und Kontrollen an das Parlament weiterleitet oder auch speziellen Aufträgen der Bundestages nachkommt.

Die Bundesregierung hat im laufenden Haushaltsjahr ausnahmsweise die Möglichkeit, die festgesetzten Ansätze zu verlassen, wenn unvorhergesehene Ereignisse und Entwicklungen dies unumgänglich machen – freilich auch nur mit ständiger Beteiligung des Parlamentes, das über die so genannten außer- und überplanmäßigen Ausgaben (6), die grundsätzlich an anderer Stelle zu erwirtschaften sind, zu befinden hat. Ist durch schwere Erschütterungen des öffentlichen Lebens gar ein Nachtragshaushalt (7) nötig, setzt dies ebenfalls eine intensive parlamentarische Beratung und Beschlussfassung voraus.

Der Bundesrechnungshof bleibt auch nach dem Ende des Haushaltsjahres für diesen Zeitraum tätig, wenn er detailliert die Rechnungslegung über die erfolgten Einnahmen und Ausgaben nachprüft. Die Behörde ist weisungsfrei zwischen Legislative und Exekutive angesiedelt, ihre Mitglieder besitzen richterliche Unabhängigkeit. Und aus dieser Sonderstellung heraus formulieren sie „Bemerkungen“ über die Haushaltsführung durch die Bundesregierung, die für das Parlament wichtige Anhaltspunkte für die ganz am Ende der Abwicklung eines Haushaltsplanes stehende Entlastung der Bundesregierung geben. Mit dieser Entlastung ist der Haushaltskreislauf (8) beendet. Zu diesem Zeitpunkt sind jedoch der nächste und meistens auch der übernächste Haushalt längst in einem neuen Kreislauf unterwegs.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2003/bp0303/0303018
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