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Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen
Ziel aller Anstrengungen muss die Förderung von Familien und die Entlastung der Eltern sein. Dabei sind Lasten und Leistungen angemessen zu berücksichtigen. Hierin besteht eine zentrale Dimension von Gerechtigkeit für Familien. Wenngleich dabei der Maßstab für Gerechtigkeit in Relation zur Situation von Kinderlosen gesetzt wird, lässt sich nicht schlussfolgern, es handele sich um eine Bestrafung letzterer. Wir müssen darum prüfen, wer in Kinder investiert und wer insgesamt einen Nutzen daraus zieht.
Dass die Diskussion dennoch konfliktträchtig ist, veranschaulicht die Diskussion um die Reform der Pflegeversicherung, in der eine vermeintliche Bestrafung von Kinderlosen beklagt wird. Tatsächlich ist jedoch die Finanzierung des Pflegesystems an eine kritische Grenze gestoßen. Bis eine Reform beschlossen ist, werden zur Stabilisierung der Pflege zusätzliche Einnahmen benötigt, was ohne einen Systemwechsel oder -umbau nur über Beitragserhöhungen möglich ist. Es ist daher nur folgerichtig, Familien davon auszunehmen. Faktisch ist dies nichts anderes als eine Belastung aller.
Generell verweist die Pflegediskussion auf allgemeine Fragen: Wie viel Geld kann die Politik für die Familien einsetzen, und wo sind die Prioritäten zu setzen? Offenkundig besteht der größte Nachholbedarf bei der Bereitstellung einer hochwertigen Infrastruktur zur Förderung von Kindern und zur Entlastung der Familien. Dringend geboten sind Maßnahmen, die etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familien verbessern. Dies legt auch ein gesamteuropäischer Vergleich nahe. Trotz international vergleichsweise hoher staatlicher Transferleistungen für Kinder und Familien bleibt die Situation von Familien in Deutschland problematisch, solange die Infrastruktur nicht aufgebaut ist. Der europäische Vergleich etwa der Geburtenraten bestätigt das eindrucksvoll.
Die Regeln zur Mitbestimmung bilden zusammen mit der Betriebsverfassung und der Tarifautonomie das Dreigestirn der Arbeitnehmerbeteiligung. Sie sind oft Prügelknabe, dem die Probleme des Arbeitsmarktes und die Wachstumsschwäche angelastet werden. Doch das ist schlichte Ideologie. Die Mitbestimmung trägt durch Co-Management und die erfolgreiche Vermittlung von Entscheidungen des Managements in die Belegschaften hinein dazu bei, dass sich Unternehmen modernisieren und dies von den Belegschaften mitgetragen wird. Die Streikanfälligkeit manch anderer Länder müssen Firmenchefs bei uns nicht fürchten.
Wir wollen ein soziales Europa, das zugleich im Wettbewerb bestehen kann. Wir brauchen dazu klare Regeln für alle, um die Mitbestimmung in den Gesellschafter- und Aufsichtsgremien auch in internationalisierten Märkten zu erhalten.
Deshalb wollen wir die Verhandlungslösung für die Europäische Gesellschaft (SE) auch in der EU-Fusionsrichtlinie. Erst sollen die Beteiligten miteinander über die Mitbestimmungsregel im neuen Unternehmen verhandeln. Kommt keine Einigung zustande, tritt als Auffangregel die nationale Regelung in Kraft, die die Arbeitnehmervertretung am besten absichert. Dieser Kompromiss zur Europäischen Aktiengesellschaft ist gut und wird von allen EU-Mitgliedern getragen. Nun muss er auch für alle Unternehmen gelten, die sich in der EU grenzüberschreitend durch Zusammenschluss konstituieren. Ansonsten würde ein Aushebeln durch die Hintertür möglich.
Nichts ist so gut, dass es nicht verbessert werden könnte. So haben wir in der letzten Legislaturperiode das Betriebsverfassungsgesetz modernisiert. Und auch bei der Mitbestimmung auf Unternehmensebene gibt es Verbesserungsbedarf. Aber einseitige Vorschläge zu Lasten der Arbeitnehmerbeteiligung lehnen wir ab.
Foto: Deutscher Bundestag
Erschienen am 15. Dezember 2004
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