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Zwölf Bundestagsabgeordnete gegen zwölf Schüler. Ein Wettkampf um Politik und Wirtschaft. Die Waffen: Fingerspitzengefühl bei der Verteilung von Aktionspunkten in Produktion, Sanierung und Aufklärung. Und vor allem: die beste Strategie. Das Programm simuliert die Wirkungszusammenhänge und schärft das Verständnis für die ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge dieser Welt. Aber Vorsicht. Jede Investition hat auch Folgen, und die sind nicht immer positiv.
Bestens vorbereitet trafen die jungen Strategen mit ihren Lehrern im Paul-Löbe-Haus ein. Schließlich üben sie schon seit zwei Jahren, wie man die virtuellen Länder des Strategiespiels erfolgreich regiert. Denn darin besteht das Ziel des Spiels. Im März vergangenen Jahres haben sie bereits Landtagsabgeordnete aus Schleswig-Holstein in die Tasche gesteckt. Zeit also, Bundestagsabgeordnete herauszufordern. Möge der beste Stratege siegen.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse empfängt Abgeordnete und Schüler und lobt diese spielerische Auseinandersetzung mit den komplexen Zusammenhängen der Politik. Politik sei eben nicht nur ein todernster Begriff, sagt Thierse.
Von ernster Atmosphäre kann wahrlich nicht die Rede sein, in einem lebhaften Gewühl inmitten von Fernsehteams formieren sich die Spielergruppen vor ihren Laptops. Ulrike Flach (FDP), Ernst-Dieter Rossmann (SPD), Jürgen Koppelin (FDP) und Reinhard Loske (Bündnis 90/Die Grünen) nennen sich siegessicher schon mal „die glorreichen Vier“. Auch das fünfköpfige Team von Grietje Bettin (Bündnis 90/Die Grünen), Bettina Hagedorn (SPD), Petra Merkel (SPD), Lothar Binding (SPD) und Swen Schulz (SPD) investiert erstmal ordentlich, um das Land „Kybernetien“ aufzubauen.
Die Abgeordneten hatten vorher extra geübt. Schließlich müssen zwölf Jahre Regierungszeit erfolgreich absolviert werden. Doch überall lauern Gefahren, drohen Staatsstreiche ein vorzeitiges Ende an. Auch das dritte Abgeordnetenteam, die schwarzrote Koalition von Vera Dominike (CDU), Ole Schröder (CDU) und Jörg Tauss (SPD), plant mit Hingabe an der virtuellen Regierung.
Dazwischen sitzen die Schüler, sehr konzentriert und geübt flüstern sie leise mit ihren Teamkollegen, dann ein Mausklick, flüstern, Mausklick. „Man muss immer alle Faktoren im Auge behalten. Steckt man zu viel in die Produktion, steigt die Umweltbelastung sofort“, verrät Christoph mit gedämpfter Stimme. Und schon zeigen sich nebenan die ersten Folgen: Das Team von Grietje Bettin hat so viel in die Lebensqualität der virtuellen Bevölkerung gesteckt, dass diese jetzt gefährlich explodiert. Weiter hinten hat die schwarzrote Koalition mit Umweltproblemen zu kämpfen. „Die glorreichen Vier“ haben von allen die größten Schwierigkeiten. Die Bevölkerung sinkt dramatisch. Und schon bereitet ein Staatsstreich der Ampel-Koalition ein jähes Ende.
Die vier Schülerregierungen absolvieren nacheinander erfolgreiche Legislaturperioden. Hobbypolitikerin Natascha hat mit ihrem Team rekordverdächtige 91 Punkte ergattert. „Wir diskutieren so lange, bis wir auf einen Nenner kommen“, erklärt die 18-Jährige. Seitdem sie begeisterte Ecopolicy-Spielerin ist, interessiert sie sich richtig für Politik. Alle vier Schülerregierungen haben mit dem Zertifikat „begeisterte Wiederwahl, intakter Lebensraum, angepasste Wirtschaft“ ihr Regierungsgeschick unter Beweis gestellt. Auch die zwei verbliebenen Abgeordnetenteams haben sich, mit etwas Punkteabstand, wacker geschlagen.
Doch jetzt geht’s in die zweite Runde, und die ist eine wahre Herausforderung. Nach dem Regieren eines Industrielandes müssen die Teams jetzt unter noch viel schwierigeren Bedingungen Schwellenländer verwalten. Und wieder zeigt sich: Die geübten Schüler haben die Lage sofort unter Kontrolle. Doch die Regierungen der Abgeordneten werden allesamt schon nach wenigen Jahren abgewählt. „Die glorreichen Vier“ nennen sich inzwischen „die demütigen Vier“.
Trotzdem haben alle richtig Feuer gefangen und sichtlich Spaß an der etwas anderen Art der Regierung. Und mit ein bisschen Übung klappt es vielleicht beim nächsten Mal. „Auf jeden Fall wollen wir eine Revanche“, verkündet Bundestagsabgeordnete Ulrike Flach. Und die Schüler geben den geläuterten Abgeordneten gleich noch ein paar strategische Tipps.
Das Ziel der Lehrer aus Malente, zu zeigen, dass auch Hauptschüler etwas auf dem Kasten haben, ist damit erreicht. „Nach der Pisa-Studie traut man uns kaum noch etwas zu“, bedauert Christoph. Der 18-Jährige fühlt sich oftmals von der Politik allein gelassen. „Schließlich gibt es auch viel Engagement unter Hauptschülern.“
Engagement und Strategie haben die zwölf Schüler auf jeden Fall bewiesen. Die Sieger strahlen von einem Ohr zum anderen. Und beim Abschied verkündet der 16-jährige Steven: „Jetzt geht’s ins Weiße Haus“.
Text: Lydia Harder
Foto: Anke Jacob
Erschienen am 01. Februar 2005