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Im hektischen Betrieb des Parlamentsviertels gibt es zum Glück immer wieder die Möglichkeit, innezuhalten und zurückzublicken. So bei einer Podiumsdiskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung, bei der sich zum 15. Jahrestag der ersten freien Volkskammerwahl Parlamentarier an die aufregenden Sitzungstage und -nächte erinnerten. Sabine Bergmann-Pohl, damals Parlamentspräsidentin: „Wir arbeiteten in einer Art politischer Lichtgeschwindigkeit. Zeit zum Üben blieb uns nicht.“ In den sechs Monaten bis zur Selbstauflösung gab es für die Parlamentarier nur eine sitzungsfreie Woche. Da kam es vor, dass in einer hinteren Reihe mal einer einschlief, berichtet Lothar de Maizière, damals Ministerpräsident. Der Gründer der Deutschen Sozialen Union, Hans-Wilhelm Ebeling, bekräftigt, er habe damals die sofortige Einheit angestrebt. Wolfgang Schäuble, der für die Bundesregierung über die Einheit verhandelt hatte, erklärt, warum das nicht ging. Der 3. Oktober sei nach Abschluss der 2+4-Verhandlungen der beiden deutschen Staaten mit den Siegermächten der frühestmögliche Termin gewesen.
In der Vertretung des Saarlandes blicken Deutsche und Franzosen bei der Vorstellung von zwei Sammelbänden über den Élysée-Vertrag von 1963 auf die Aussöhnung der beiden Nachbarländer zurück. Die sei „die Erfolgsgeschichte des 20. Jahrhunderts“, meint Ministerpräsident Peter Müller. Allerdings bestehe die Gefahr, dass jetzt ein gewisser Gewöhnungseffekt eintrete. Das sei wie bei dem einen oder anderen alten Ehepaar. „Man weiß, dass man zusammengehört, aber man hat sich nicht mehr viel zu sagen.“
Von Gewöhnungseffekten ist in den Beziehungen zu Polen noch keine Rede. Sie prägen eine Veranstaltung im Roten Rathaus: Gesine Schwan, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und Beauftragte der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, nimmt für 30 Jahre Dialog mit den Nachbarn den „Preis Frauen Europas – Deutschland“ entgegen. Irena Lipowicz, die Beauftragte der polnischen Regierung, sagt, ihre deutsche Kollegin verstehe, mit großer Sensibilität mit den Wunden der Vergangenheit umzugehen. Damit habe sie viele deutsche und polnische Herzen erobert. Gesine Schwan ist gerührt: „So bewegend habe ich es nicht erwartet.“
Wie auch die anderen Bevollmächtigten der Länder in Berlin engagiert sich die des Saarlandes, Monika Beck, immer wieder für Kulturelles, und das nicht nur bei Landeskindern. Franziska Sperr zum Beispiel wohnt am Starnberger See und hat gerade einen Erzählband mit dem Titel „Stumm vor Glück“ veröffentlicht. Monika Beck meint, die Autorin sei „einfach in mein Herz spaziert“. Da war die Einladung nach Berlin fast schon zwangsläufig. Von der Lesung ließen sich viele Gäste beeindrucken, so Vicco von Bülow alias Loriot, Jaecki Schwarz vom „Starken Team“ und der frühere „Panorama“-Moderator Peter Merseburger. Auch mehrere Sozialdemokraten sind gekommen: Neben dem saarländischen Bundestagsabgeordneten Ottmar Schreiner Anke Martiny, die lange dem Bundestag angehörte und nun bei Transparency International mit Sorge beobachtet, dass Deutschland in der Liste der besonders korruptionsanfälligen Staaten weiter aufsteigt. Schließlich auch Alt-68er Knut Nevermann, Staatssekretär bei Kulturstaatsministerin Weiss, der sich mit Johano Strasser, ehemals Chefdenker der Jungsozialisten, über frühere Zeiten unterhalten kann. Strasser hat einen besonderen Grund, an der Lesung teilzunehmen. Er ist der Ehemann von Franziska Sperr.
Text: Klaus Lantermann
Fotos: Picture-Alliance
Erschienen am 18. April 2005
Weitere Informationen:
Buchtipp: Corine Defrance,
Ulrich Pfeil (Hg.):
Der Élysée-Vertrag und die deutsch-französischen
Beziehungen: 1945-1963-2003, München: Oldenbourg,
2005.