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Oktober 09/1999
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FACHAUSSCHUSS HÖRTE SACHVERSTÄNDIGE

Experten für integrierte Versorgung – Probleme beim Datenschutz

(ge) Eine integrierte Versorgung im Krankenversicherungssystem braucht klare Rahmenbedingungen und ein partnerschaftliches Verhältnis aller Beteiligten. Das betonten mehrere Experten am 21. und 22. September bei der zweitägigen öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses zu dem Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (14/1245).

Erklärtes Ziel der Initiative ist es, die bisherige starre Aufgabenteilung zwischen der ambulanten und der stationären Versorgung zu durchbrechen, um die Versorgung stärker an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten zu orientieren. Angestrebt werden integrierte Versorgungsformen zwischen Haus­ und Fachärzten sowie zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern und dem ambulanten und stationären Bereich. Die Krankenkassen sollen die gesetzliche Möglichkeit erhalten, Verträge mit einzelnen ambulanten Leistungserbringern beziehungsweise Gruppen von Leistungserbringern und Krankenhäusern abzuschließen, die solche integrierte Versorgungsformen als einheitliche und gemeinsame Versorgung anbieten.

Der Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) betonte, man dürfe nicht gestatten, dass einzelne Ärzte nur mit bestimmten Kassen kooperieren oder möglicherweise einzelne Ärzte von den Verträgen ausgeschlossen blieben. Aus berufsrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Gründen seien die KVen an den Verträgen zu beteiligen. Im Übrigen seien schon jetzt etliche Ärzte bereit, sich an innovativen Modellen zu beteiligen, würden jedoch von den Kassen blockiert.

Keine Zusatzkosten

Unterschiedlicher Auffassung waren die Experten in der Frage, inwieweit das geplante Globalbudget in sektorale Budgets unterteilt werden solle oder ob es gar ein zusätzliches Budget für die integrierte Versorgung geben müsse. So führte ein Krankenkassenvertreter aus, ein zusätzliches Budget sei erforderlich, es dürfe aber nicht über die Beitragssatzstabilität hinausgehen. Sollte es ein neues Budget geben, müsse woanders gespart werden.

Der Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung hingegen kritisierte die "Durchbudgetierung", die ohnehin zu "bürokratisch" sei. Er plädierte daher dafür, die sektoralen Budgets aufzulösen. Zudem gab er zu bedenken, die Umsetzung der integrierten Versorgung könne negative Auswirkungen auf die freie Arztwahl haben.

Der Experte des Hartmannbundes kritisierte, mit dem Gesetz werde ein Monopol der Krankenkassen im Bereich der integrierten Versorgung geschaffen. Ein weiterer Sachverständiger fügte ergänzend hinzu, es bestehe die Gefahr, dass durch die mit dem Gesetzentwurf angestrebte Verrechtlichung von integrierter Versorgung bereits funktionierende Konzepte und Modelle zerstört würden.

Globalbudget erörtert

Am zweiten Tag der Anhörung stand das Globalbudget im Mittelpunkt der Diskussion. Die Meinungsäußerungen der Experten reichten von totaler Ablehnung bis zur Befürwortung. Das Reformpapier sieht ein Globalbudget für das gesetzliche Krankenversicherungssystem vor, das sich an den Ausgaben des Jahres 1998 orientiert und bei dessen Überschreitung die Kassen für einen Ausgleich innerhalb der folgenden zwei Jahre sorgen müssen. Zugleich wird die Ausgabenentwicklung der GKV an die durchschnittliche Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen gekoppelt.

Die Vertreter der Gewerkschaften und der Experte der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) erklärten, das Globalbudget sei geeignet, um zu mehr Wirtschaftlichkeit zu kommen und die Ausgaben – bei gleichzeitiger Garantie der medizinischen Versorgung – besser zu steuern. Das Ziel der Initiative, eine integrierte Versorgung zu erreichen, sei nur mit einem Globalbudget machbar. Der Sachverständige des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen (VdAK) erläuterte, insgesamt gesehen sei das Globalbudget das richtige ökonomische Signal. So, wie es konkret ausformuliert sei, stehe es jedoch den zentralen Zielen des Gesetzes konträr gegenüber. Es werde ein "perverses" Wirtschaftlichkeitsdenken produziert, was dazu führen werde, dass der, der ökonomisch gut handelt, sich "teure Kranke vom Hals schafft".

Der als Einzelsachverständige geladene Professor Peter Oberender kritisierte das Globalbudget als "nicht zukunftsorientiert". Das Ziel, einheitliche und gemeinsame Regeln zu schaffen, sei ein Instrument der Planwirtschaft und schädlich für die Gesellschaft. Stattdessen brauche man "Mut zum Öffnen des Systems", dürfe sich dabei aber nicht in der Feinregulierung verlieren.

Der Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigungen legte dar, der Druck auf die Leistungserbringer, zu sparen, werde weiter steigen. Ein Arzt, der unter einem Budget verordnen müsse, verordne nicht mehr nach den medizinischen Notwendigkeiten, sondern nach ökonomischen Aspekten. Dies schade dem Patienten.

Der Experte der Innungskrankenkassen (IKK) hielt dem entgegen, es sei genug Geld im Gesamtsystem enthalten, es müsse lediglich sinnvoller eingesetzt werden. Das Globalbudget biete die Chance, die Mittel zwischen den Sektoren umzusteuern. Dabei sei die Stärkung der integrierten Versorgung entscheidend. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft appellierte an den Gesetzgeber, im Rahmen des Gesamtbudgets übergangsweise eine sektorale Budgetierung so lange zuzulassen, bis Schutzräume für die Krankenhäuser eingezogen seien.

Prüfung nachholen

Thematisiert wurde auch die geplante Datenzusammenführung und Transparenz. Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern appellierten in ihrer Stellungnahme an den Gesetzgeber, die ihrer Meinung nach bisher versäumte eingehende Prüfung von Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der weiterreichenden Datenverarbeitungsbestimmungen nachzuholen. Das Koalitionspapier gebe das bisherige Konzept der Datenverarbeitung in der GKV auf, da künftig Informationen den Kassen generell versichertenbezogen übermittelt werden sollen.

Damit entstünden vollständige personenbezogene medizinische Datenbestände der Versicherten. Dadurch werde das "Patientengeheimnis ausgehöhlt" und es entstehe der "gläserne Patient" (siehe auch umseitige Meldung).

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9909/9909021
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