*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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3.8.1.2   Interregnum und Protektionismus

Die folgenden rund 70 Jahre (von 1879 bis zum GATT 1948) gehörten wieder ganz überwiegend dem Protektionismus, und wenn man bis zur Eingliederung der Entwicklungsländer oder der staatssozialistischen Länder in den Weltmarkt rechnet, waren es sogar über 100 Jahre. Was war der Grund für diesen Rückfall?

Nach dem, was wir zuletzt bemerkt haben, scheint er im Imperialismus der europäischen Staaten zu liegen, die sich jeweils große Teile des offenen Weltmarktes reservieren wollten und ihn damit zerstörten. Eine Hauptrolle spielte dabei das neu hinzugekommene Deutsche Reich, das sich mit der britischen Hegemonie nicht abfinden mochte. Wie aber, wenn diese Hegemonie gar keine imperialistische, sondern eine für die Menschheit wohltätige war? Gewiss wurde sie im eigenen Interesse ausgeübt, diente aber doch zugleich dem übergeordneten Zweck der Schaffung und Regelung des Weltmarkts! Und die anderen europäischen Mächte schnitten sich ins eigene Fleisch, indem sie England des Imperialismus verdächtigten, damit von seiner großen Aufgabe tatsächlich abbrachten und ihre bornierte Konkurrenz an die Stelle des freien Handels setzten. So kam es zum „Bruderkrieg der zivilisierten Nationen“.

Was hier kurz referiert wird, war die Auffassung von Woodrow Wilson, dem amerikanischen Präsidenten (1913 bis 1920), der das Sendungsbewusstsein der Vereinigten Staaten im 20. Jahrhundert wohl am überzeugendsten zum Ausdruck gebracht hat. Wilson verstand sich als entschiedener Gegner des Imperialismus, war zugleich jedoch ein großer Bewunderer des britischen Empire und beides stand für ihn nicht im Widerspruch zueinander. Denn wie anders hätte denn die Welt zusammengeführt und -gehalten werden können als durch eine solche konkrete Macht? Angesichts dessen, dass England durch den Weltkrieg nun geschwächt und nicht mehr wirklich fähig war, diese Ordnungsfunktion zu erfüllen, war der Vorschlag Wilsons bekanntlich die Einrichtung eines Völkerbundes. Aber auch    hier war der Idealist durchaus realistisch. Schon seit Beginn des Weltkrieges hatten nämlich Vertreter der expandierenden amerikanischen Exportwirtschaft für eine solche „League of Great Nations“ geworben. Und sie waren der Überzeugung, dass nun allein die USA dazu in der Lage seien, die globale Rolle der Engländer fortzuführen. „Wilsons Vision war die Wiederherstellung der ,Pax Britannica’ unter neuer Leitung“ (Unger 1997: 8).

Wie wir wissen, ist er mit dieser Vision zunächst insofern gescheitert, als Amerika selber gar nicht dem Völkerbund beitrat, sondern zum Isolationismus zurückkehrte. Man berief sich bei der Ablehnung im Kongress auf Washingtons und Jeffersons Warnungen vor „verstrickenden Bündnissen“. Was man eigentlich fürchtete war jedoch, dass der überlegenen amerikanischen Wirtschaft in einem solchen Bündnis Fesseln angelegt werden könnten – ein Motiv, das uns auch heute noch wohlbekannt ist. Wilson starb bald nach seiner Niederlage und blieb Jahre vergessen. Aber nach der Weltwirtschaftskrise und angesichts des 2. Weltkrieges besann man sich in den USA wieder auf ihn: Die Zeit zur Beerbung des britischen Empire schien jetzt endgültig gekommen. Noch Charter und Clinton haben sich auf Wilson berufen.

Was besagt das aber für unsere Frage nach dem Grund des langanhaltenden Protektionismus im 20. Jahrhundert? Der Hauptgrund war offenbar die unentschiedene Situation im langen Hegemonialkampf zwischen England und den USA, der durch ihre politischen Bündnisse nur verdeckt wurde.




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