Die NATO auf dem Weg zum Istanbuler Gipfel
NATO ohne Strategie?
"out of area or out of business"
In Zusammenarbeit mit dem NATO Hauptquartier fand am Montag, 3. Mai eine Delegationssitzung der Parlamentarischen Versammlung der NATO PV statt, in der in- und ausländische Experten die Mitglieder der Delegation, des Auswärtigen- und des Verteidigungsausschusses des Bundestages über die bevorstehenden Themen und die noch offenen Fragen des NATO Gipfels in Istanbul informierten. Vor ca. 40 Teilnehmern ging der stellvertretende politische Direktor im Auswärtigen Amt Ulrich Brandenburg vor allem auf die von der NATO geplante Partnerschafts- und Kooperationsbeziehungen mit Staaten der Golf-Region und des "Größeren Mittleren Ostens" ein. Er warnte vor einer "blauäugigen" Herangehensweise an das langfristige Ziel einer Demokratisierung dieses Raumes. Hinsichtlich der Lage im Irak messe sich die Glaubwürdigkeit der NATO auch daran, ob es ihr gelinge, ein Sicherheitsnetz mit den Staaten des arabischen Raumes zu errichten. Der Direktor des Planungsstabes im EU-Ministerrat Dr. Christoph Heusgen wies auf den im Rahmen des Barcelonaprozess geführten intensiven Dialog zwischen der EU und den Mittelmeeranrainerstaaten als gute Ergänzung der NATO Initiative hin.
John Colston aus dem Planungsstab des NATO Hauptquartiers berichtete, es habe in den Beziehungen zwischen der EU und der NATO vor allem auch auf dem Gebiet der operativen Zusammenarbeit beeindruckende Fortschritte gegeben. Besonders im Hinblick auf die Bekämpfung des Terrorismus müssten diese noch weiter ausgebaut werden. Er zeigt sich zudem zuversichtlich, dass das noch auf manchen Ebenen der Kooperation bestehende gegenseitige Misstrauen durch die Intensivierung der Zusammenarbeit künftig weiter abgebaut werden könne.
Der amerikanische Wissenschaftler Reuel Marc Gerecht sieht durch das amerikanische Vor-gehen im Nahen und Mittleren Osten die transatlantischen Beziehungen auf eine harte Probe gestellt und skizzierte mögliche Szenarien im Hinblick auf die Beziehungen zwischen den USA und dem Iran, Syrien und Ägypten. Der Wissenschaftler Diego Ruiz Palmer spitzte die Frage der Notwendigkeit weiterer weltweiter Einsätze der NATO auf die Feststellung "out of area or out of business" zu. Dem hielt der ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Dr. Walter Stützle entgegen, während in Afghanistan der Einsatz der NATO Truppen auf einer konzeptionellen Übereinstimmung mit den Amerikanern basiere, sei dies bei einem möglichen Einsatz im Irak nicht der Fall. Bei der Frage der Notwendigkeit einer Anpassung des 1999 beschlossenen strategischen Konzepts der NATO und einer möglichen gemeinsamen transatlantischen Sicherheitsstrategie sei seiner Ansicht die Situation verfahren, denn die EU habe zwar eine Strategie, aber (noch) keine Mittel, die NATO die Mittel, aber keine Strategie. Diese Situation werde der wachsenden politischen Nachfrage nach weltweiten Einsätzen nicht mehr gerecht. Er warf die Frage auf, wie der Deutsche Bundestag seine Zustimmung für weitere militärische Einsätze erteilen könne, wenn diesen kein strategisches Konzept zu Grunde liege.
Delfs