Ergebnisprotokoll
zur Anhörung
"Netzwerke bürgerschaftlichen Engagements" am 12. Mai
2001
Auf der Anhörung sind
Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher "Netzwerke"
bürgerschaftlichen Engagements zu Wort gekommen. Dabei haben
sowohl Landesnetzwerke (Baden-Württemberg, Saarland,
Nordrhein-Westfalen) und kommunale Netzwerke (Stadt Nürtingen,
Landkreis Cham, Stadt Solingen) als auch netzwerkbildende
Infrastruktureinrichtungen (Freiwilligen-Agentur Bremen,
Freiwilligen-Zentrum Greifswald, Virtuelle Freiwilligen-Agentur
Hamburg) Stellung genommen. Diese sehr verschiedenen Typen von
Netzwerken verbindet das Bemühen, bürgerschaftliches
Engagement zu fördern, bestehende Aktivitäten und
Ansätze zu unterstützen und stärker miteinander zu
verbinden sowie neue Impulse für Engagement zu setzen und
Möglichkeiten dafür zu eröffnen.
Die bereits vor der Anhörung
abgegebenen schriftlichen Stellungnahmen der angehörten und
weiterer Einrichtungen und Organisationen sowie das Manuskript des
Fachvortrages von Dr. Konrad Hummel (Sozialministerium
Baden-Württemberg) sind im Internet unter www.bundestag.de/buergerengagement
nachzulesen.
Im Folgenden soll zusammenfassend
dargestellt werden, wo besonderen Probleme und Schwierigkeiten in
der Arbeit der Netzwerke liegen und wo Handlungsbedarf für
Bund, Länder und Kommunen besteht.
Kommunale
Ebene
Die Kommune ist der Ort, an dem
bürgerschaftliches Engagement gelebt und sichtbar wird. Es ist
gleichzeitig der Ort, an dem Menschen nach Möglichkeiten
für ein Engagement suchen und dabei auch Widerstände und
Hemmnisse erfahren. Es besteht daher weitgehend Einigkeit darin,
dass im kommunalen Raum, in den Städten und Kreisen eine
Infrastruktur zur Förderung bürgerschaftlichen
Engagements entwickelt werden muß, die sich als
"Ermöglichungsinstanz" begreift, bestehende Barrieren für
Engagement bearbeitet und ggf. abbaut, Kontakt, Beratung und
Vermittlung bietet sowie eine intensive Öffentlichkeitsarbeit
leistet. Im Zentrum dieser Infrastruktur stehen Einrichtungen, die
die Bildung von Netzwerken in diesem Sinne vorantreiben und von
denen Impulse zur Förderung von bürgerschaftlichem
Engagement im kommunalen Raum ausgehen. Uneinigkeit besteht
allerdings darin, welcher Typ von Einrichtung, mit welchem Profil,
diese Aufgabe am besten erfüllt, ob die verschiedenen
Einrichtungsarten einander ausschließen oder ob sie
gegebenenfalls in Ergänzung und Kooperation miteinander
Synergieeffekte erzeugen können. Zur Diskussion steht aber
nicht nur das konzeptionelle Profil von Infrastruktureinrichtungen,
sondern insbesondere auch ihre
Trägerschaft.
Ein Modell, kommunale Netzwerke zur
Förderung bürgerschaftlichen Engagements zu entwickeln,
stellt die Kommunalverwaltungen in den Mittelpunkt aller
Bemühungen. Dabei werden aus der Verwaltung heraus
Einrichtungen geschaffen, von ihr getragen und im wesentlichen auch
finanziert, die in enger Kooperation mit den Bürgerinnen und
Bürgern, Vereinen, Verbänden, Institutionen, der
Wirtschaft sowie der Politik auf die Ermöglichung und
Unterstützung von Bürgerengagement und
Bürgerbeteiligung abzielen. Ein Beispiel für diese Form
der Netzwerkbildung stellt die Stadt Nürtingen
(Baden-Württemberg) dar, die in ihrem zum Bürgerhaus
umgestalteten Rathaus eine Geschäftsstelle für
Bürgerengagement eingerichtet hat, die sich als Schnittstelle
zwischen Bürger, Verwaltung und Politik versteht. Die
Geschäftsstelle ist gleichermaßen Anlaufstelle für
Bürgerengagement, Freiwilligenzentrum und Netzwerk für
bürgerschaftliche Initiativen (vgl. Anlage 04:
Bürgermeister Guido Wolf, Netzwerk Stadt Nürtingen). Ihr
Profil ist damit breit angelegt und fußt auf einem
umfassenden Verständnis von bürgerschaftlichem
Engagement. Es umfasst sowohl Kontaktmöglichkeiten, Beratung
und Vermittlung von Freiwilligen, Kooperation mit Vereinen und
Institutionen, die Arbeit an neuen Formen der
Bürgerbeteiligung und die Förderung einer allgemeinen
Anerkennungskultur für Engagement.
Weitere Beispiele für
Infrastruktureinrichtungen zur Förderung
bürgerschaftlichen Engagements, die in kommunaler
Trägerschaft betrieben werden, waren im Rahmen der
Anhörung mit der Stadt Würzburg (vgl. Anlage 11: Dr.
Peter Motsch, Netzwerk Stadt Würzburg) und dem Landkreis Cham
(vgl. Anlage 05: Karlheinz Sölch, Treffpunkt Ehrenamt
Landratsamt Cham) vertreten. Zwischen den hier jeweils von
öffentlicher Hand betriebenen Einrichtungen gibt es jedoch
deutliche Unterschiede hinsichtlich Profil, Entwicklungsstand
und verfügbaren Ressourcen. So ist beispielsweise die
Stadt Nürtingen bereits seit Anfang der 90er Jahre in Sachen
Engagementförderung aktiv. Seit 1997 existiert die
Geschäftsstelle für Bürgerengagement als
Infrastruktureinrichtung, die die Förderung
bürgerschaftlichen Engagements mit einem sehr weiten
konzeptionellen Profil verfolgt und - durch die Stadt auf eine
sichere Finanzierungsbasis gestellt – mit hoher
Kontinuität arbeitet. Im Landkreis Cham hat die
Engagementförderung dagegen erst Ende der 90er Jahre
politisches Gewicht bekommen. Im Juli 2000 wurde hier der
Treffpunkt Ehrenamt eröffnet. Erfahrungen und Entwicklungen
sind dementsprechend noch in geringerem Umfang vorhanden. Die
wahrnehmbare Fokussierung auf die Förderung des Ehrenamts im
engeren Sinne und auf Vermittlungstätigkeiten, die wesentlich
ungünstigere finanzielle Ausstattung und Sicherheit der
Einrichtung sowie die besonderen Bedingungen der ländlichen
Struktur des Flächenlandkreises unterscheiden die hier
bestehenden Ansätze der Netzwerkarbeit etwa von denen in der
Stadt Nürtingen.
Eine andere Form von Netzwerken sind
Einrichtungen in Trägerschaft eines
Wohlfahrtsverbandes, wie sie in der Bundesrepublik unter
anderen durch das Verbundprojekt Freiwilligen-Zentren im Deutschen
Caritas-Verband repräsentiert werden. Die Arbeit dieses
Projektes wurde wissenschaftlich begleitet, die Ergebnisse
dokumentiert (vgl. Anlage 14: Verbund Freiwilligenzentren im
Deutschen Caritas-Verband sowie Anlage 06: Dr. Töns
Föste, Freiwilligen-Zentrum Greifswald). Auch unter
Trägerschaft anderer Verbände existieren netzwerkbildende
Einrichtungen. Aufgabenprofil und Selbstverständnis dieser
Einrichtungen (Freiwilligenzentren, Freiwilligenzentralen,
Ehrenamtsbörsen) unterscheiden sich zum Teil sehr
stark.
Einen weiteren Typus von Netzwerken
stellen unabhängige, trägerübergreifend
arbeitende Einrichtungen dar. Hinter diesem Typus stehen
insbesondere Freiwilligen-Agenturen, die mit einem weiten
Aufgabenprofil auf eine komplexe Form der Förderung
freiwilligen Engagements zielen (vgl. Anlage 02: Vortrag Heinz
Janning). Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen über
Vermittlungstätigkeiten hinaus in der Beratung von
Freiwilligen und Organisationen, in der Anregung und
Unterstützung neuer Initiativen, in der Qualifizierung von
Freiwilligen, in der Öffentlichkeitsarbeit und der Entwicklung
einer allgemeinen Engagementkultur.
Die bestehenden
Freiwilligen-Agenturen haben sich auf Bundesebene zur
Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligen-Agenturen
(bagfa) zusammengeschlossen. Mitglied in der bagfa sind aber
auch kommunal getragenen und verbandsgebundene
Infrastruktureinrichtungen. Die bagfa ist als
trägerübergreifender Zusammenschluss lokaler und
regionaler Infrastruktureinrichtungen fachliches Netzwerk und
Interessenvertretung der Einrichtung gegenüber Politik und
Verwaltung. Ihre Hauptziele sind die Förderung einer lokalen
Infrastruktur sowie die nachhaltige Verbesserung der
Rahmenbedingungen für freiwilliges Engagement der
Bürgerinnen und Bürger (vgl. Anlage 12:
Bundesarbeitsgemeinschaft der
Freiwilligenagenturen).
Die besonderen Probleme und Schwierigkeiten in der Arbeit der Netzwerke liegen in:
-
z.T.konzeptionellen Unschärfen der Einrichtungen:
Während ein Teil der bestehenden Infrastruktureinrichtungen ihre Arbeit in erster Linier auf Vermittlungstätigkeiten beschränkte, haben andere Einrichtungen ein deutlich weiteres Aufgabenprofil entwickelt, das sowohl Vermittlung als auch Beratung von Freiwilligen und Organisationen, Qualifizierung, Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit einschließt. Allein durch Vermittlungstätigkeiten kann der Anspruch einer umfassenden Engagementförderung im kommunalen Raum nicht eingelöst werden. -
der Kooperation mit anderen Verbänden und Institutionen:
Die Zusammenarbeit mit Verbänden, Vereinen und öffentlichen Institutionen gelingt häufig nur unbefriedigend. Teilweise werden Probleme in der Zusammenarbeit durch bestehende Vorurteile, Berührungs- und Konkurrenzängste zwischen den verschiedenen Organisationen und Akteuren verstärkt. Dies gilt insbesondere dort, wo sich Parallelstrukturen entwickelt haben und sich Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiche überschneiden und ungeklärt bleiben. Hier mangelt es an fehlender Verständigung, die letztlich nur über die Schaffung von Kommunikationsstrukturen möglich wird. -
der häufig fehlenden Kontinuität:
Die existierenden Einrichtungen können gegenwärtig noch nicht als fester Bestandteil der lokalen Infrastruktur bezeichnet werden. Unter den inzwischen 170 in der Bundesrepublik arbeitenden Einrichtungen (vgl. Anlage 02: Vortrag Heinz Janning) gibt es weniger als fünf, die länger als fünf Jahre arbeiten. Die Entwicklung von Freiwilligenzentren, -agenturen und –börsen ist durch eine Vielzahl von Schließungen und Neuöffnungen geprägt. Diese mangelnde Dauerhaftigkeit im Bestand der Einrichtungen ist zudem begleitet durch personelle Diskontinuität. Vor allem aufgrund des notwendigen Rückgriffs auf Instrumente der Arbeitsförderung muss Personal regelmäßig ausgetauscht werden. Damit wechseln Kontakt- und Ansprechpartner, deren Präsenz entscheidende Bedeutung für den Aufbau von Netzwerken hat. -
der unsicheren Finanzierungsbasis:
Das zentrale Hindernis einer dauerhaften Verankerung der Einrichtungen auf lokaler Ebene ist ihre in der Regel nicht auf Nachhaltigkeit angelegte Finanzierung. Anschubfinanzierungen in unzureichendem Umfang und mit geringer Laufzeit erschweren den Aufbau einer verlässlichen Infrastruktur mit breitem Profil (vgl. insbesondere Anlage 12: Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen). Die Absicherung von netzwerkbildenden Infrastruktureinrichtungen erfordert daher neue Bündnisse auf lokaler und regionaler Ebene, die eine kooperative Förderung der Einrichtungen durch verschiedene Partner ermöglicht.
Hinsichtlich der Finanzierungsmöglichkeiten existiert für die verbandsunabhängigen Einrichtungen wie den Freiwilligen-Agenturen neben den beschriebenen allgemeinen Schwierigkeiten ein weiterer Nachteil. Sie sind in der Regel zwar als gemeinnützig anerkannt, aber sie haben im Sinne des Einkommenssteuergesetzes nicht den Status der "besonderen Förderungswürdigkeit", da sie - so die gängige Argumentation der Finanzverwaltungen – besonders förderungswürdige Zwecke nicht unmittelbar, sondern über ihre Vermittlungstätigkeiten nur mittelbar ausüben. Dadurch ist Freiwilligen-Agenturen die Möglichkeit, Spenden- und Sponsorengelder zu aquirieren, versperrt, da sie aufgrund der fehlenden Förderungswürdigkeit keine Spenden- oder Zuwendungsbescheinigungen ausstellen dürfen. Dies trifft allerdings nur auf die trägerunabhängigen, eigenständigen Einrichtungen zu und nicht auf solche in Trägerschaft eines etablierten Verbandes, da diese automatisch über ihren Verband die "besondere Förderungswürdigkeit" im Sinne des Einkommenssteuergesetzes besitzen und ohne Probleme auf Spenden und Sponsoren zurückgreifen können. Daraus ergibt sich ein klarer Nachteil für die verbandsunabhängigen Infrastruktureinrichtungen, der beseitigt werden sollte .
Im Ergebnis der Anhörung läßt sich mit Blick auf eine Förderung kommunaler Netzwerke festhalten, dass es keine Standardisierung und zwingende Festlegung auf einen bestimmten Typ von Einrichtung geben sollte. Welcher Form von Einrichtung der Vorzug gegeben wird, hängt vielmehr von den konkreten Bedingungen und Konstellationen in den jeweiligen Kommunen ab. Entscheidender als die Trägerschaft ist demgegenüber das Profil und das Aufgabenselbstverständnis der Einrichtung. Dies sollte von einem weiten Verständnis von bürgerschaftlichem Engagement ausgehen und Förderstrategien beinhalten, die sich sowohl auf traditionelle und neue Formen des Ehrenamts als auch auf Möglichkeiten der Interessenvertetung und Beteiligung an politischen Entscheidungen beziehen.
Des weiteren ist von zentraler Bedeutung, dass alle potentiellen Akteure in der Kommune in die Aktivitäten einbezogen werden und dadurch ein Netzwerk gleichberechtigter Partner aufgebaut wird. Dazu zählt auch, mögliche Parallelstrukturen in einen Verständigungsprozeß zu bringen und neue Kooperationsformen zu entwickeln.
Unabhängig von der konkreten Trägerschaft der Infrastruktureinrichtung haben Kommunalpolitik und –verwaltung die Aufgabe, die Förderung von bürgerschaftlichem Engagement als Moderatoren zu begleiten und entsprechende Entwicklungsprozesse zu unterstützen. Dazu bedarf es einer Offenheit und eines engagement- und beteiligungsfreundlichen Klimas in Politik und Verwaltung.
Ebene der Bundesländer
Im Rahmen der Anhörung war die Ebene der Bundesländer durch Landesnetzwerke in Baden-Württemberg (vgl. Anlage 01: Vortrag Dr. Konrad Hummel), im Saarland (vgl. Anlage 03: Vortrag Dr. Ludwin Vogel) und durch das Städtenetzwerk Nordrhein-Westfalen (vgl. Anlage 09: Eva Krings, Dezernentin für Kultur der Stadt Solingen) vertreten.
Ebenso wie die Kommunen müssen auch die Bundesländer ihren Beitrag zu einer Politik des Bürgerengagements leisten. Eine wichtige Aufgabe für die Länder ist die Förderung der notwendigen Infrastruktur. Das bedeutet nicht nur, aber doch meist finanzielle Unterstützung von Netzwerken und Infrastruktureinrichtungen. Eine Synopse über die bestehenden Bemühungen der 16 Bundesländer zur Förderung von bürgerschaftlichem Engagement (vgl. Anlage 01: Vortrag Dr. Konrad Hummel) zeigt, dass sich die Förderstrategien der meisten Länder auf eine finanzielle Unterstützung beschränken. Damit allein aber werden die Länder ihrer Verantwortung nicht gerecht. "Meist reicht es in den Ländern über die sichernde Förderung der Parallelstrukturen Selbsthilfe/Senioren/Freiwilligenbörsen kaum hinaus und nur wenige Länder definieren sich mit den Kommunen zusammen als Moderatoren eines Klärungsprozesses zwischem 'altem Ehrenamt' (Vereinsförderung), 'neuem Ehrenamt' (z.B. Freiwilligenagenturen), Fachbereichen (z.B. Selbsthilfe) und kommunalen Entwicklungen (z.B. lokale Agenda 21, Soziale Stadt, Prävention). Auf Bundesebene, kommunaler Ebene und verbandlicher Ebene laufen parallele Verständigungsprozesse, bei denen die Länder oft nur als Zuschussgeber auftauchen und nicht als Instanz der Fachebenen (z.B. Gesundheits-, Sozial-, Umweltpolitik oder Schule, Archäologie, Polizei usw.), die sich erst noch öffnen müssen für Bürgerengagement als durchgängig methodischem Bestandteil künftiger Daseinspolitik und professionellem Qualitätsstandard." (vgl. Anlage 01: Vortrag Dr. Konrad Hummel)
Die Bundesländer stehen damit vor der Aufgabe, ihre Rolle in der Förderung von bürgerschaftlichem Engagement neu zu definieren. Das bedeutet, dass sich die Länder nicht lediglich als Finanzierer bzw. Zuschussgeber verstehen, sondern in engem Zusammenwirken mit den Kommunen förderliche Rahmenbedingungen für Bürgerengagement aktiv gestalten und auf Landesebene neue Bündnisse und Netzwerke entwickeln. Mit den Beispielen aus Baden-Württemberg, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen wurden im Rahmen der Anhörung mögliche Perspektiven aufgezeigt. So hat im Saarland durch Initiative des Landes eine starke Vernetzung des Ehrenamts stattgefunden. Strukturell drückt sich dies insbesondere in der Landesarbeitsgemeinschaft "Pro Ehrenamt", im "Runden Tisch Ehrenamt" sowie in der Kampagne "Saarland 21" aus. Diese organisierten Strukturen zielen auf Begegnung und Austausch, Koordinierung von Aktivitäten sowie die Entwicklung von Strategien zur Engagementförderung (vgl. Anlage 03: Vortrag Dr. Ludwin Vogel). Mit dem Städtenetzwerk Nordrhein-Westfalen wurde unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände ein freiwilliger Zusammenschluß von Städten, Kreisen und Gemeinden realisiert, die ihre Einrichtungen und Organisationen für bürgerschaftliches Engagement öffnen wollen. Dies ermöglicht interkommunalen Erfahrungsaustausch und die Thematisierung bislang tabuisierter Probleme. Die Unterstützung dieses landesweit arbeitenden kommunalen Netzwerkes durch das Land stellt allerdings noch ein Problem dar (vgl. Anlage 09: Eva Krings, Dezernentin für Kultur der Stadt Solingen).
Bundesebene
Mit Blick auf die Bundesebene wurden auf der Anhörung bekannte Erwartungen an den Gesetzgeber zur allgemeinen Förderung von bürgerschaftlichem Engagement geäußert (wie versicherungsrechtliche Regelungen für Engagierte, Freistellungsregelungen, Besteuerung von Aufwandsentschädigungen etc.).
Konkrete Möglichkeiten der Förderung von Netzwerken durch den Bund lassen sich in folgenden Punkten zusammenfassen:
- Ein wichtiges Anliegen von Freiwilligen-Agenturen ist die Anerkennung der besonderen Förderungswürdigkeit im Sinne des Einkommenssteuergesetzes § 10b Abs. 1. Dadurch würde diesen Einrichtungen bzw. ihren Trägern wichtige Finanzierungsquellen wie Spenden- und Sponsorengelder eröffnet, indem sie die Möglichkeit haben, Zuwendungs- und Spendenbescheinigungen auszustellen.
- An den Bund besteht die generelle Erwartung, finanzielle Möglichkeiten zur Unterstützung von Netzwerken zur Verfügung zustellen. Die Mehrheit der bestehenden Infrastuktureinrichtungen arbeitet immer noch auf einem prekären, ungesicherten Status, der insbesondere der anhaltenden ungesicherten Finanzierungsbasis geschuldet ist. Durch Förderprogramme und Modellförderung des Bundes könnten bestehende Strukturen gefestigt und die Entwicklung neuer Netzwerke angeregt und ermöglicht werden. Wichtig wäre dabei, die Förderung nicht auf einen einzelnen Typ von Einrichtung zu beschränken. Darüber hinaus wäre zu klären, wie im Fall von Modell- oder Anschubfinanzierung eine Verstetigung und Weiterfinanzierung geregelt werden kann, um nicht "von oben" Strukturen zu entwickeln, die im Anschluß an ein Programm bzw. Modellvorhaben wieder absterben. Eine dauerhafte Finanzierung muß letztlich auf kommunaler Ebene abgesichert werden, die ggf. auf verschiedene Zuschußgeber zurückgreift und auch neue Koalitionen mit der Wirtschaft eingeht, wobei auch die kommunale öffentliche Hand nicht ausgenommen, aber eben nicht allein zuständig bleibt.
- Bei der Entwicklung von Förderstrategien sollte der Bund (ebenso wie die Länder) einen Perspektivwechsel weg von der ausschließlichen Orientierung an den Bedürfnissen und Strukturen großer Wohlfahrtseinrichtungen hin zu kleineren und unabhängigen Trägern vollziehen.
- Generell wurde die Erwartung geäußert, dass der Bund durch seine gesetzgeberische Tätigkeit das Feld des bürgerschaftlichen Engagements nicht "verregelt", also durch rechtliche Regelungen nicht Handlungsspielräume der Kommunen eingegrenzt werden. Alle gesetzlichen Regelungen müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass die Kommune der entscheidende Ort des Bürgerengagements ist. Bedingungen und Voraussetzungen in den Kommunen unterscheiden sich jedoch sehr stark voneinander. Gesetzliche Regelungen müssen daher so flexibel sein, dass sie unter unterschiedlichen Bedingungen anwendbar sind und keine – letztlich nicht zu realisierenden - Standards setzen. Gesetzliche Regelungen sollten keine neuen bürokratischen Erfordernisse und Aufwände nach sich ziehen, da dies in der Regel Hemmnisse und Barrieren für Bürgerengagement bedeutet.
- Angeregt wird die Schaffung einer dauerhaften bundesweiten Einrichtung zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements. Hier könnten alle Aktivitäten unter einem nationalen Dach gebündelt und gleichzeitig Möglichkeiten zu Beratung, Austausch und Anregung gegeben werden. Ein solches sektorenübergreifendes Forum wäre gleichzeitig Ansprechpartner auf internationaler Ebene.
Anlagen:
Fachvorträge
Anlage 01: Vortrag Dr. Konrad
Hummel
Anlage 02: Vortrag Heinz
Janning
Anlage 03: Vortrag Dr. Ludwin
Vogel
Schriftliche Stellungnahmen der angehörten Einrichtungen und Organisationen
Anlage 04: Bürgermeister Guido Wolf, Netzwerk Stadt NürtingenAnlage 05: Karlheinz Sölch, Treffpunkt Ehrenamt Landratsamt Cham
Anlage 06: Dr. Töns Föste, Freiwilligen-Zentrum Greifswald
Anlage 07: Bettina Bofinger, Ehrenamtlichenbörse für Spätaussiedler in Berlin
Anlage 08: Annedore Windler, Frauennetzwerk Bremen
Anlage 09: Eva Krings, Dezernentin für Kultur der Stadt Solingen
Anlage 10: Dr. Ulrike Gropp, Virtuelle Freiwilligenagentur Hamburg
Schriftliche Stellungnahmen weiterer Einrichtungen und Organisationen
Anlage 11: Netzwerk Stadt WürzburgAnlage 12: Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa)
Anlage 13: Mütterzentren Bundesverband
Anlage 14: Verbund Freiwilligenzentren im Deutschen Caritas-Verband
Anlage 15: Arbeitskreis Bürgerstiftungen