Weitere Zeugenvernehmung zum Komplex "Finanzen im Gesundheitswesen"
Berlin: (hib/KHB) Auch der vierte Zeuge zum Komplex "Finanzen im Gesundheitswesen" hat vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zum angeblichen Wahlbetrug der Bundesregierung die Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) nicht belastet. Die Ministerin wird am Donnerstag selbst dem Ausschuss Rede und Antwort stehen. Der frühere Vorsitzende der "Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen" Friedrich Wilhelm Schwartz sagte am Mittwoch, Prognosen vor der Wahl 2002 über eine womöglich nötige Anhebung der Beitragssätze in den gesetzlichen Krankenkassen zum Jahresbeginn 2003 seien "wirklich schwierig" zu treffen gewesen.
Er bat die Abgeordneten, zwischen kurzfristiger und langfristiger Finanzentwicklung zu unterscheiden; Aussagen zur kurzfristigen Entwicklung beträfen meist die Beitragssätze. Weder der Rat noch er hätten sich zur kurzfristigen Entwicklung geäußert. Allerdings werde von ihm eine Äußerung von Mitte April wörtlich wiedergegeben, die er in einem Hintergrundgespräch getan habe. "Wenn das Wachstum beim Bruttosozialprodukt in diesem Jahr unter zwei Prozent liegt, wird sich das heutige Beitragsniveau wahrscheinlich nicht halten lassen." Über diese Skepsis sei die Ministerin nicht erfreut gewesen, wie ihm deren Pressesprecherin gesagt habe. Er sei ebensowenig erfreut gewesen, weil aus einem Hintergrundgespräch eine Art Interview geworden und eine mittelfristige Aussage in eine kurzfristige umgewandelt worden sei. Er habe sich bei dem Blatt beschwert und dies auch der Pressestelle des Ministeriums zugeleitet. Danach habe es keinen Kontakt mehr zwischen ihm und dem Ministerium gegeben.
Weiter führte der Zeuge aus, er habe eine öffentliche Äußerung vor der Wahl 2002 auch deshalb nicht gewollt, weil er nicht als Vorsitzender des Sachverständigenrats in die Debatte um die nötige der nicht nötige Erhöhung oder Beitragssätze der Kassen habe eingreifen wollen. Hätte man ihn um Rat gebeten, hätte er vergangenen Sommer vorgeschlagen, die Budgetierung der von Ärzten verschriebenen Medikamente wieder einzuführen. Das Ende der Deckelung dieser Ausgaben halte er für einen schweren politischen Fehler. Schwartz sprach von einer Schieflage der gesetzlichen Krankenversicherung seit den achtziger Jahren. Seine Vorschläge zur Reform des Gesundheitswesens habe er nach der Wahl öffentlich machen wollen, sei deshalb Vorsitzender des Sachverständigenrats bis zum 1. Oktober und Ratsmitglied bis Ende März geblieben. Gefragt, ob die Ministerin vor der Wahl Aussagen zur Finanzlage getroffen habe, die er aus seiner Sicht für falsch oder unvollständig gehalten habe, sagte er, es gebe immer verschiedene Sichtweisen.