Terrorismus-Bekämpfung bleibt umstritten
Berlin: (hib/KOS) Kritische Anmerkungen zum Gesetzentwurf von SPD und Bündnisgrünen ( 15/813) wie zum Antrag der CDU/CSU ( 15/540) prägten am Mittwochnachmittag die Anhörung des Rechtsausschusses zur Neufassung des Paragraphen 129 a des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze, mit der ein Rahmenbeschluss der Europäischen Union vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung in nationales Recht umgesetzt werden soll. Eine Mehrheit der Sachverständigen wandte sich gegen die Absicht der Regierungsfraktionen, in diesem Gesetzeskontext die Strafverfolgung einer Reihe von Straftaten nicht per se als terroristisch einzustufen und dies stattdessen von einer nachgewiesenen terroristischen Absicht abhängig zu machen. Andererseits lehnten die meisten Experten die Pläne der Union ab, bei der anstehenden Neuregelung die bloße "Sympathiewerbung" für terroristische Vereinigungen wieder unter Strafe zu stellen. Mehrere Sachverständige bemängelten am Entwurf von SPD und Grünen die Verwendung unbestimmter und deshalb dehnbarer Rechtsbegriffe wie etwa "schwerwiegende Einschüchterung", was wegen der schwierigen Auslegung in der Praxis zu erheblichen Problemen führen werde.
Auf Zustimmung stießen die Pläne der Regierungsfraktionen bei Gerhard Werle, Rechtsprofessor an der Berliner Humboldt-Universität, und beim Frankfurter Rechtsanwalt Eberhardt Kempf vom Deutschen Anwalt-Verein. Aus Sicht Werles ist die Umsetzung der EU-Vorgaben in dem Gesetzentwurf, dessen spezielles Ziel die Bekämpfung terroristischer Vereinigungen ist, gelungen. Es sei zu begrüßen, dass nach den Plänen von Rot-Grün bei Straftaten solcher Organisationen differenziert werden soll. Schließlich gebe es in diesem Zusammenhang Taten, die wie etwa Mord an sich terroristisch seien, und Vergehen, die wie etwa Körperverletzungen oder Verstöße gegen das Waffenrecht erst durch eine gezielte terroristische Absicht auch zu terroristischen Aktionen würden. Auch Kempf betonte, dass manche Straftaten bei terroristischen Vereinigungen erst unter bestimmten Bedingungen in diesem Sinne einzuordnen seien. Beide Sachverständige unterstützten die Absicht von SPD und Grünen, keine Strafverschärfungen für terroristische Einzeltaten vorzusehen. Werle: "An der besonderen Gefährlichkeit eines Personenzusammenschlusses fehlt es bei Einzeltätern". Die zwei Experten betonten, dass das Strafgesetzbuch genügend Möglichkeiten auch zur Verfolgung von Straftaten eröffne, die im rot-grünen Entwurf nicht automatisch als terroristisch eingestuft würden.
Diese Position stieß bei der Mehrheit der Sachverständigen auf Widerspruch. Roman Poseck, Referatsleiter für Strafrecht im hessischen Justizministerium, meinte, dass der Entwurf von SPD und Grünen den EU-Vorgaben zwar insgesamt entspreche, die durch den Brüsseler Beschluss geschaffenen Möglichkeiten der strafrechtlichen Terrorismusbekämpfung aber nicht konsequent ausnutze. Es sei "nicht nachvollziehbar", warum bei terroristischen Vereinigungen manche "gemeingefährlichen Straftaten" herabgestuft würden, indem ihr terroristischer Charakter unter den Vorbehalt einer entsprechenden Absicht gestellt werde. Der Münchner Oberstaatsanwalt Helmut Meier-Staude sprach von einem "Gesetz zur Verhinderung der Strafverfolgung". Die bisherigen Regelungen seien vor allem auch wichtig gewesen für die Einleitung von Ermittlungen etwa mit Hilfe von Telefonüberwachungen und Lauschangriffen. Meier-Staude: "Da werden Möglichkeiten verringert". Auch der ehemalige Oberlandes-Richter Eckhart von Bubnoff (Nußloch) konstatierte Einschränkungen bei der Strafverfolgung. Der Paragraph 129 a sei in besonderem Maße bedeutsam gewesen als "Schlüssel" für Ermittlungen auch im grenzübergreifenden Bereich wie auch bei Eingriffen in Computersysteme. Volkhard Wache, Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, plädierte ebenfalls dafür, die Bedingung des Nachweises einer terroristischen Absicht bei bestimmten Straftaten zu streichen.
Wache setzte sich indes wie die Mehrzahl der anderen Sachverständigen dafür ein, entgegen der Forderung von CDU/CSU nicht wieder den Straftatbestand der bloßen "Sympathiewerbung" für terroristische Gruppen einzuführen. In der Vergangenheit habe es so gut wie keine entsprechenden Anklagen gegeben. Wenn es sich etwa um die Einwerbung von Geldern handele, dann falle dies ohnehin unter die weiterhin strafbare Kategorie der Unterstützung. Albrecht Mentz, ehemals Vorsitzender des für Hamburg und Bremen zuständigen Staatsschutzsenats, erklärte, für die Bekämpfung des Terrorismus sei die Strafbarkeit des "Werbens" überhaupt nicht erforderlich. Das habe lediglich in der Hochzeit der RAF eine Rolle gespielt. Dietrich Beyer, Richter am Bundesgerichtshof, kritisierte den Verzicht auf die Bestrafung von Werbung hingegen als "kriminalpolitisch bedenklich".