Schröder: Mit EU-Verfassung historische Chance nutzen
Berlin: (hib/RAB) Europa hat derzeit die "riesige historische Chance", Wohlfahrt und Frieden sicherzustellen und die Spaltung des Kontinents zu überwinden. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) rief am Montagabend in einer Sitzung des Europaausschusses dazu auf, in der laufenden Regierungskonferenz die Chance nicht zu verspielen und die EU mit einer eigenen Verfassung auf die nächsten Mai anstehende Aufnahme von zehn Beitrittskandidaten vorzubereiten. Der Entwurf des Konvents für die Zukunft der Europäischen Union sei bemerkenswert nach vorne gerichtet, so dass auf dieser Basis ein Weg gefunden werden könne, die Institutionen effizienter zu machen und die Kompetenzen der EU und der Nationalstaaten klar voneinander abzugrenzen. Der Bundeskanzler warnte davor, den Konventsentwurf aufzuschnüren, da dieser danach nur schwer wieder schließbar sei. Man laufe dann Gefahr, am Ende ohne Verfassungsentwurf dazustehen. Die Bundesregierung werde sich mit aller Macht dafür einsetzen, dass die Regierungskonferenz bis Ende dieses Jahres abgeschlossen wird, sodass die EU politisch führbar bleibe. Der Kompromiss des Konventsentwurfs sei vertretbar, auch sich der Bundeskanzler nach eigenen Worten bei den Themen Mehrheitsentscheidung und Gottesbezug mehr erhofft habe. Besondere Bedeutung räumte Schröder der deutsch-französischen Zusammenarbeit ein. Diese sei unerlässlich, um die europäische Integration voranzutreiben. Die Kooperation der beiden Staaten, die durch die jüngste Vertretung Schröders durch den französischen Staatspräsidenten Jaques Chirac auf der Regierungskonferenz in Brüssel eine neue Symbolik erfahren habe, richte sich gegen niemanden. Diese gelte sowohl für Europa als auch für die transatlantische Zusammenarbeit.
Peter Hintze von der CDU/CSU zeigte sich enttäuscht über den bisherigen Verlauf der Regierungskonferenz. Der Konventsentwurf sei verglichen mit dem Vertrag von Nizza ein "deutlicher Fortschritt" Der ehemalige Generalsekretär der CDU forderte den Bundeskanzler auf, in der Regierungskonferenz eigene Vorschläge zu unterbreiten. Dabei müsse es vor allem um das Ziel der Preisstabilität sowie die Themen Gottesbezug und Daseinsvorsorge gehen. Die Bundesregierung
müsse sich darüber im Klaren sein, dass die Opposition für die Verabschiedung der künftigen Verfassung der Europäischen Union gebraucht werde. Angelica Schwall-Düren von der SPD bedauerte es, dass der Legislativrat, der für die Parlamentarier eine große Bedeutung habe, offensichtlich nicht genug Unterstützung in der Regierungskonferenz findet. Die Politikerin sprach sich dagegen aus, im Konvent eigene Vorschläge zu machen. Ansonsten sei kaum glaubwürdig zu vertreten, dass der Konventsentwurf die wesentliche Basis für die Verfassung darstellen solle. Besonderes Augenmerk solle darauf gerichtet werden, die Gefühle und Ängste kleinerer Staaten nicht zu vernachlässigen. Rainder Steenblock von den Bündnisgrünen begrüßte die Methode des Konvents, mit der der Verfassungsentwurf erarbeitet wurde. Diese Form der Entscheidungsfindung sei deutlich transparenter als die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen im Europäischen Rat. Steenblock unterstützte die Haltung der Regierung, den Konventsentwurf möglichst in den Verhandlungen unverändert zu belassen. Der Abgeordnete äußerte die Hoffnung, dass die EU durch eine eigene Verfassung im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) mehr Gewicht bekomme. Auch Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bezeichnete den Konventsentwurf als eine "hervorragende Grundlage". Eine derartige Verfassung wäre ein großer Erfolg, auch wenn zusätzliche Mehrheitsentscheidungen sowie Änderungen im Bereich der Innen- und Justizpolitik und der GASP denkbar gewesen wären. Die Parlamentarierin forderte den Bundeskanzler dazu auf, sich für ein Referendum über die künftige Verfassung der EU einzusetzen.