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228/2003
Stand: 22.10.2003
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Experten diskutieren über "Islamisches Recht und Menschenrechte"

Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (Anhörung)

Berlin: (hib/HAU) Zu dem Thema "Islamisches Recht und Menschenrechte" fand am Mittwochnachmittag vor dem Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe eine öffentliche Anhörung statt. Die Experten diskutierten dabei neben grundsätzlichen Fragen zum Verständnis der Scharia auch deren praktische Auswirkungen auf die Gestaltung der Rechtsordnung in islamischen Ländern. Ebenfalls zur Sprache kam das Verhältnis von "scharia-geprägten" Rechtsordnungen und internationalen Menschenrechtsabkommen sowie Ansatzpunkte und Handlungsmöglichkeiten für die deutsche Politik.

Heiner Bielefeldt vom Deutschen Institut für Menschenrechte in Berlin stellte zu Beginn klar, dass es sich bei der Scharia um "kein Buch und schon gar kein Gesetzbuch" handle. Es gebe "kein hohes Maß an Eindeutigkeit und Klarheit", so der Experte. Eine konkretere Auslegung sei hingegen bei der Betrachtung eines einzelnen Landes eher möglich. Überall in der islamischen Welt sei die Auslegung der Scharia ein Teil des politischen Kampfes. Ihre inhaltliche Bedeutung, ihr Stellenwert für die Gestaltung der rechtlich-politischen Ordnung, die Möglichkeit für Reformen und die Spielräume für Interpretationen seien innerislamisch schon seit langem umstritten. Zu den schwierigsten Fragen dieser Debatte gehöre die Bewertung der sekulären Rechtsordnung. Dabei, so Bielefeldt, reiche die Spannbreite der Positionen von der vollständigen Verwerfung bis zur Eingewöhnung in eine mittlerweile weitgehend "selbstverständlich" gewordene sekuläre Rechtsordnung. Am Beispiel des Irans erläuterte Nadjma Yassari vom Max-Planck-Institut Hamburg Auswirkungen der Scharia auf die Gestaltung der Rechtsordnung. Das iranische Zivilgesetzbuch verbiete beispielsweise eine Ehe zwischen einer moslemischen Frau und einem Nichtmoslem. Über die Gültigkeit der Ehe zwischen einem Moslem und einer nichtmoslemischen Frau schweige sich das Gesetz hingegen aus. Der zivilrechtliche Ehevertrag sehe außerdem im Hinblick auf die Möglichkeiten der Scheidung, des Sorgerechtes und des Unterhaltsrechtes unterschiedliche Rechte für Männer und Frauen vor. Auch im Erbrecht gebe es Unterschiede. Söhne seien demnach mit dem doppelten Anteil am Nachlass beteiligt wie Töchter.

Professorin Norani Othmann vom Institut Kajian Malaysia der Antarabangsa Universiti Kebangsaan in Malaysia bezeichnete die Scharia als ein "sehr komplexes Problem". Nach der Beendigung der Kolonialisierung hätten die meisten islamischen Länder ein eher westlich orientiertes Staatsmodell angenommen. An der Scharia werde daher auch zur "Wahrung der kulturellen Identität" festgehalten. Vertreter des modernistischen Islams sähen durchaus die Möglichkeit, die Scharia in Einklang mit der Bejahung einer sekulären Rechtsordnung, auch bei mehrheitlich muslimischer Bevölkerung zu bringen. Dabei dürfe es jedoch keinen Widerspruch zu den islamischen Grundsätzen von Gerechtigkeit und religiöser Toleranz geben. Die Handlungsmöglichkeiten für die deutsche Politik zur Wahrung der Menschenrechte, der Gewährleistung von Religionsfreiheit und der Gleichbehandlung von Mann und Frau bezeichnete Silvia Tellenbach vom Max-Planck-Institut Freiburg als sehr beschränkt. Der Herausforderung durch den islamischen Extremismus müssten sich die Muslime selbst stellen und dies auf der Grundlage eines aufgeklärten Islams tun. Dies zu unterstützen könne Ansatzpunkt deutscher Politik sein.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2003/2003_228/05
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