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219/2004
Stand: 22.09.2004
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Geplante Anhebung der Pflegeversicherungsbeiträge kritisch hinterfragt

Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (Anhörung)

Berlin: (hib/BES) Trotz einer grundsätzlichen Zustimmung zu einer finanziellen Entlastung der Familien in der gesetzlichen Pflegeversicherung wird die geplante Erhöhung der entsprechenden Beiträge für Kinderlose, die laut einem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ( 15/3671) ab 2005 gelten soll, von Sachverständigen aus Gewerkschaften, betroffenen Interessenverbänden und von Vertretern der Versicherungsträger vorwiegend kritisch beurteilt. Bei einer Anhörung im Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung äußerten sie sich am Mittwochvormittag auch zu entsprechenden Vorschlägen der Oppositionsfraktionen. Dabei stießen auch die Anträge der CDU/CSU ( 15/3682) sowie der FDP ( 15/3683) teilweise auf Ablehnung.

SPD und Bündnis 90/Die Grünen schlagen in ihrem Gesetzentwurf vor, zur Entlastung der Kindererziehenden den Arbeitnehmeranteil für Kinderlose ab 2005 um 0,25 Prozent zu erhöhen. Damit solle der verfassungsrechtlich gebotene "Beitragsabstand" zwischen Kindererziehenden und Kinderlosen hergestellt und ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) vom 3. April 2001 umgesetzt werden. Das Gericht hatte darin dem Gesetzgeber aufgegeben, bis Ende dieses Jahres eine Regelung zu schaffen, die die Kindererziehungsleistungen in der Pflegeversicherung berücksichtigt und die Familien entsprechend entlastet. Berücksichtigt werden sollen bei der geplanten Entlastung auch Adoptiv-, Stief- und Pflegekinder. Dabei sollen Eltern, deren Kind nicht mehr lebt, nicht als kinderlos gelten, so der Koalitionsentwurf. Die Union will ihrerseits Kinderboni für Versicherte mit Kindern einführen. Demnach sollen Versicherte, die Kinder unter 18 Jahren erziehen, pro Kind und Monat einen Zuschlag von 5 Euro bei den Pflegebeiträgen erhalten. Dafür solle für alle Mitglieder der Beitragssatz um 0,1 Prozent angehoben werden. Auch die Liberalen fordern einen Kinderbonus. Erziehende sollen jährlich 150 Euro pro gesetzlich pflegeversichertes Kind in den ersten drei Lebensjahren erhalten. Dieser Bonus solle aus Steuermitteln finanziert und an das Kindergeld gekoppelt sein.

Die Sachverständigen sprachen sich bei der Anhörung größtenteils gegen eine beitragsfinanzierte Entlastung der Erziehenden aus. Vielmehr sollte die Umsetzung des BVG-Urteils aus Steuermitteln erfolgen, da Kindererziehung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. Der Vorschlag der Koalition ist aber nach Meinung von Stefan Sieben vom Verband der Angestellten-Krankenkassen und Arbeiter-Ersatzkassen-Verband auch möglich. Für eine ergänzende kapitalgedeckte Pflegeversicherung für Kinderlose sprach sich Professor Johann Eekhoff, Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, aus. Der Vorschlag aus dem Gesetzentwurf löse langfristig das Finanzierungsproblem nicht, weil die vorgesehenen Zuschläge unmittelbar für die gegenwärtigen Pflegeleistungen ausgegeben würden. Es sei zudem schwer nachvollziehbar, dass der von der Koalition vorgeschlagene günstigere Beitrag nicht nach der Anzahl der Kinder differenziert werden solle. Dies kritisierte unter anderem auch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA).

Die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen e.V. (EAF) fürchtet eine Spaltung der Gesellschaft in Kinderlose und Kinderhabende. Daher sprach sich die EAF in einer schriftlichen Stellungnahme für ein Bonussystem aus, das sich an der Kinderzahl orientieren und an die Familienphase gekoppelt sein sollte. Die Entlastung solle sich auf die Schul- und Ausbildungszeit der Kinder erstrecken. Unterschiedliche Beitragssätze für Kinderlose und Eltern lehnte auch der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) ab. "Kinderlose sind nicht für die Krise der Sozialversicherungen verantwortlich", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Beitragserhöhung könnte als "Bestrafung" empfunden werden. Stattdessen schlägt der VAMV vor, die Entlastung der Eltern an den Bezug von Kindergeld zu knüpfen. Dafür sprach sich in der Anhörung auch die überwiegende Mehrheit der Experten aus.

Für besonders problematisch erachteten Vertreter der Rentenversicherungsträger den verwaltungstechnischen Aufwand für die termingerechte Umsetzung des Gesetzes. Im Falle der Verabschiedung des Gesetzes in der vorliegenden Fassung würde dies die Rentenversicherungsträger vor massive Probleme stellen, so Klaus Michaelis von der BfA. Technisch sei es zwar möglich, den rund drei Millionen Rentnerinnen und Rentnern zum 1. Januar einen Negativbescheid zuzustellen und sie mit einem höheren Beitrag zu belasten, ohne ermittelt zu haben, ob sie Kinder erzogen haben. Dabei würde man etwa 1,9 Millionen Rentenbezieher zu Unrecht belasten, um dies später wieder rückgängig machen zu müssen. Es sei also mit einer Flut von Widersprüchen zu rechnen, "vor der wir uns alle schützen sollten", so Michaelis weiter. Ähnlich schätzte die Lage auch der Verband Deutscher Versicherungsträger ein.

Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2004/2004_219/04
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