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Rezzo Schlauch, Bündnis 90/Die Grünen
Keine Gen-Datei ohne Gesetz
"Ein Gen-Massentest ist weder kriminalistisch noch politisch ohne eindeutige Rechtsgrundlage hinnehmbar."Der Mordfall an der elfjährigen Christina im
niedersächsischen Cloppenburg hat zweierlei gezeigt: Eine
Gendatei, in der die Daten von Sexual- und schweren
Gewaltverbrechern erfaßt sind, kann helfen, ein Verbrechen in
Zukunft zu verhindern. Aber: Der Gen-Massentest in dieser
Größenordnung war kriminalistisch nicht notwendig.
Wäre die Vorbelastung des mutmaßlichen Täters
korrekt polizeilich erfaßt worden, könnten
möglicherweise zwei Mädchen noch leben.
Kein vernünftiger Mensch kann etwas dagegen haben, wenn durch
neuartige technische Möglichkeiten Täter zweifelsfrei
überführt werden können und wenn potentielle
Rückfalltäter wissen, daß sie im Falle einer neuen
Straftat schnell überführt werden können.
Seit 30 Jahren ist die Zahl der Sexualmorde mit etwa zehn
Fällen pro Jahr ziemlich konstant. Für diese Fälle
ist eine Gen-Datei hilfreich. Es macht aber gar keinen Sinn, gleich
jeden Einbrecher oder riesige Bevölkerungsgruppen in solchen
Dateien zu speichern. Mit den Gen-Dateien werden höchst
sensible Daten von Menschen gespeichert, deren Informationsgehalt
weit über den normalen Fingerabdruck hinausreicht.
Deshalb muß die Politik sensibel die konkurrierenden
Rechtsgüter, das Recht auf informelle Selbstbestimmung und das
Recht auf körperliche Unversehrtheit abwägen und die
Rahmenbedingungen setzen. Der eilig vorgelegte
Errichtungserlaß von Bundesinnenminister Manfred Kanther
genügt rechtsstaatlichen Kriterien überhaupt nicht.
Wieder einmal zeigt sich, daß Kriminalpolitik nicht mit
heißer Nadel unter dem Eindruck aktueller Ereignisse gestrickt
werden kann.
Eine gesetzliche Grundlage muß unserer Ansicht nach die
Aufnahme in die Datei regeln, die nur zulässig ist, wenn ein
Gericht die Wiederholungsgefahr festgestellt hat. Bündnis
90/Die Grünen haben in einem Antrag an den Deutschen Bundestag
(Drs. 13/10656) Kriterien für die Gen-Datei formuliert, die
notwendig sind, um einerseits ein effizientes Instrument der
Strafverfolgung zu haben und andererseits dem Datenschutz
Genüge zu tun. Zu diesen Kriterien gehören: Eine so
weitreichende Datei darf es nur für Straftaten mit besonderer
Schwere, also solche, die sich gegen die sexuelle Selbstbestimmung
oder gegen Leib und Leben des Opfers richten, geben. Eine
Speicherung etwa für Einbruchdiebstähle, wie neuerdings
gefordert, ist auf keinen Fall akzeptabel.
Die Datei darf nur zur Identitätsfeststellung genutzt werden.
Rückschlüsse auf persönlichkeitsbeschreibende
Erbinformationen dürfen nicht gezogen werden.
Art, Umfang und Dauer der Datenerhebung und der Speicherung sind im
Gesetz zweifelsfrei zu regeln. Nach den Vorstellungen von
Bündnis 90/Die Grünen soll die Gen-Datei beim
Bundeszentralregister, nicht beim Bundeskriminalamt geführt
werden, weil beim BKA als Polizeibehörde, die mit anderen
Polizeien und Nachrichtendiensten im Austausch steht, die
Mißbrauchsgefahr ungleich größer ist.